Junge Menschen sind viel online – aber nicht gedankenlos
(Keystone-SDA) Chatten, Videos oder Gamen: junge Menschen verbringen rund die Hälfte ihrer Freizeit online. Aber im Gegensatz zum gängigen Vorurteil machen sie sich sehr wohl Gedanken über ihre Internetnutzung und setzen sich zum Teil sogar eigene Regeln.
Digitale Medien, allen voran das Smartphone, sind für Jugendliche unverzichtbar. Vier Stunden pro Tage verbringen junge Menschen im Durchschnitt online. Sie nehmen das Handy 30 Mal in die Hand, um mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben, Spass zu haben oder sich anderweitig zu informieren.
Am liebsten benutzen sie dazu Messenger-Services, soziale Netzwerke, E-Mail- oder Video-Dienste. Das sind einige Erkenntnisse einer neuen Studie im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ).
Perspektive der Jungen
Während Nutzung und Gefahren der ständigen Internetpräsenz gut erforscht seien, gebe es kaum Informationen aus der Perspektive der Jungen, sagte EKKJ-Präsident Sami Kanaan am Montag vor den Medien. Deshalb hätten sie eine Studie in Auftrag gegeben, um mehr darüber herauszufinden, wie die Jungen ihr permanentes Online-Sein selber erleben.
Diese wurde am Montag unter dem Titel «Always on» in Bern präsentiert. Sie beruht auf der Befragung von 1001 jungen Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren und einer Vergleichsgruppe von 390 Erwachsenen im Alter von 40 bis 55 Jahren.
Negativ und Positiv
Dabei kam heraus, dass rund die Hälfte der jungen Menschen dieses sogenannte «Always on» positiv betrachtet. Sie schätzen es vor allem, jederzeit mit ihren Freunden in Kontakt sein zu können, der Langeweile zu entfliehen und schnell auf Nachrichten anderer zu reagieren. Ausserdem machen die Online-Aktivitäten viele Junge nach eigenen Angaben glücklich und sie sorgen für Spass und Unterhaltung.
Nur negative Erlebnisweisen von digitalen Medien gebe es fast keine, sagte Olivier Steiner, Dozent am Institut Kinder- und Jugendhilfe der Hochschule für Sozial Arbeit (FHNW) vor den Medien. Hingegen habe rund die Hälfte der Jugendlichen ein ambivalentes Gefühl zur ständigen Online-Präsenz, das heisst, sie sind hin- und hergerissen zwischen den positiven und den negativen Erfahrungen.
So fühlt sich zum Beispiel jeder dritte Jugendliche durch Apps, welche die Nutzung belohnen, unter Druck gesetzt. Ein Drittel fühlt sich schlecht, wenn es sich mit anderen online vergleicht. Und jeder Vierte wird nervös, wenn er für einige Zeit nicht online ist.
Grundsätzlich bewerten junge Frauen die ständige Online-Präsenz negativer als junge Männer. Sie erleben den Druck von Apps stärker und fühlen sich durch den Online-Vergleich öfter schlecht. Je länger die Jugendlichen online verbringen, desto stärker äussert sich auch ihr ambivalentes Gefühl.
Eigene Regeln
Im Vergleich zu den Erwachsenen (durchschnittliche online-Zeit 2,5 Stunden) verbringen die Jugendlichen zwar mehr Zeit vor ihren Smartphones. Gleichzeitig erleben sie aber auch eine stärkere Ambivalenz und setzen sich deutlich mehr mit ihrer eigenen Online-Nutzung auseinander (50 Prozent bei den Jugendlichen gegenüber 40 Prozent bei den Erwachsenen).
Zudem haben gemäss der Umfrage 95 Prozent der Jugendlichen mindestens eine Regulierungsstrategie entwickelt, um die vielen Online-Benachrichtigungen zu bewältigen. Drei Viertel gaben zum Beispiel gaben an, das Handy nicht zu benutzen, wenn sie sich auf etwas anderes konzentrieren müssen.
Knapp zwei Drittel haben schon Apps gelöscht, weil sie zu viel Zeit benötigten und jeder Zweite deaktiviert Benachrichtigungsfunktionen oder geht zu bestimmten Zeiten extra offline. Rund 40 Prozent der Jugendlichen legen sogar Regeln fest, wann und wie lange sie online sind und drei Viertel von ihnen halten auch daran.
«Wichtiger Beitrag»
Vielen Erwachsenen bereite das ständige Online-Sein von Jugendlichen Sorge, schreibt Kanaan in der Broschüre. Und Onlinesucht sei ohne Zweifel ein ernstzunehmendes Problem. Doch die Umfrageresultate zeigten «ein sehr vielfältiges und differenziertes Bild der Onlineaktivitäten». Und ein Grossteil der Jungen mache sich auch entsprechende Gedanken über «Always on».
Als «Digital Natives» könnten die Jugendlichen einen wichtigen Beitrag für eine diversifizierte Herangehensweise an die Thematik der ständigen Online-Präsenz leisten. Die EKKJ fordert deshalb, dass sie in «Entscheide von Politik und Wirtschaft sowie bei der Festlegung von Regeln zum konkreten Umgang im schulischen und ausserschulischen Bereich» einbezogen werden.