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Keine Aufarbeitung des Nordirlandkonflikts mehr? Neues Gesetz in Kraft

(Keystone-SDA) In der früheren Bürgerkriegsregion Nordirland ist ein umstrittenes britisches Gesetz in Kraft getreten, das nach Ansicht von Kritikern die Aufarbeitung von Verbrechen während des jahrzehntelangen Konflikts behindert. Der Nordirland-Sprecher der britischen Oppositionspartei Labour, Hilary Benn, kündigte an, die Sozialdemokraten würden im Falle eines Siegs bei der kommenden Parlamentswahl gerichtliche Untersuchungen von historischen Taten sowie Zivilklagen wieder ermöglichen. Es sei ein “sehr schmerzhafter Tag” für die Angehörigen der Opfer, sagte Benn am Mittwoch der BBC. “Sie haben das Gefühl, dass ihnen am 1. Mai eine Tür vor der Nase zugeschlagen wird, insbesondere diejenigen, die an gerichtlichen Untersuchungen beteiligt waren.”

Zivilprozesse und Untersuchungen zu Morden und anderem Unrecht aus den drei Jahrzehnte andauernden “Troubles” in der britischen Provinz soll es laut dem Gesetz nicht mehr geben. Angehörige der Opfer werfen der konservativen Regierung in London vor, in erster Linie ehemalige britische Soldaten vor rechtlichen Konsequenzen schützen zu wollen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte beim irischen Sender RTÉ, nun würden etwa 35 Untersuchungen zu mehr als 70 Morden nicht fortgesetzt.

Die neue Regelung wurde gegen den Widerstand der nordirischen Parteien eingeführt. Die Regierung des EU-Mitglieds Irland hat Grossbritannien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verklagt. Das Gesetz sei mit den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar.

In dem Konflikt kämpften überwiegend katholische Befürworter einer Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland gegen meist protestantische Anhänger der Union mit Grossbritannien, Polizei und britisches Militär. Mehrere Tausend Menschen starben. Viele Taten sind noch ungesühnt. Der Bürgerkrieg dauerte von Ende der 1960er Jahre bis zum Friedensschluss im Karfreitagsabkommen von 1998.

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