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Der Schweizer Klub in Tokio, der Neues wagt

Beatrice Ito und Werner Urech in einem japanischen Hotelgarten. swissinfo.ch

Der Swiss Club Tokyo bietet fern der Heimat nicht nur Kontakte zu anderen Schweizern. Er betreut auch einen Fussballklub. Während die Fussballer gegen den Abstieg kämpfen, geht der Swiss Club auf Suche nach jüngeren Mitgliedern neue Wege.

“Leider haben wir kein eigenes Lokal”, sagt Beatrice Ito zum Vorschlag von swissinfo, sich im Clubhaus zu verabreden.

Deshalb treffen wir uns in einem Hotel, denn die meisten Anlässe des Swiss Club Tokyo finden in solchen statt.

“Wir organisieren Anlässe, an denen die ganze Familie teilnehmen kann”, erklärt Ito, die den Klub seit etwa 15 Jahren leitet. “Wir hören häufig, es sei eine Erleichterung, wenn etwas organisiert würde. Die Leute können einfach nur hinfahren.”

Gerade Schweizerinnen und Schweizer, die meist zwei bis fünf Jahre nach Japan zum Arbeiten kämen, kennten wenig vom Land, seien von Schrift und Sprache überfordert, weiss Ito, die seit 1985 mit einem Japaner verheiratet ist.

Die wohl wichtigste Untersektion des Klubs ist für “Erziehung” zuständig. Sie ermöglicht es den Schweizer Kindern, ihre Wurzeln nicht verkümmern zu lassen.

Weil es in Japan zu wenig Schweizer Kinder gibt, gehen diese normalerweise in die Deutsche Schule. “Unsere Untersektion ‘Erziehung’ sucht in der Schweiz einen Lehrer und stellt ihn der Deutschen Schule zur Verfügung”, sagt Ito. “Damit die Kinder, die dann irgendwann mal wieder in die Schweiz zurückkehren, den Anschluss nicht verpassen.”

Spezielle Mischung

Ito selber kam 1980 während einer Asienreise eher zufällig nach Japan, das ihr gleich sehr gefiel. Vier Jahre später war sie erneut im Land, lernte ihren Mann kennen und lebt seit der Heirat hier. Heute vermietet sie zusammen mit ihrem Mann möblierte Zimmer im Grossraum Tokio.

Asien-Fan Ito war bereits in fast allen asiatischen Ländern. “Japan ist eine ganz spezielle Mischung: Es ist asiatisch, aber man hat trotzdem die ganzen Vorteile, die ein organisiertes Land hat und die das Leben angenehm machen.”

Die asiatische Mentalität, gekoppelt mit guter Organisation, “da sind sich ja Schweizer und Japaner ziemlich ähnlich. Man kann ihnen vertrauen, sie sind fleissig, freundlich”, erklärt Ito. “Und trotzdem ist die lockere Atmosphäre Asiens geblieben.”

“Nicht mehr heim”

Am Treffen mit swissinfo nimmt auch Werner Urech teil, der den Club vor Ito präsidiert hatte . Er war aus geschäftlichen Gründen nach Japan gekommen, zum ersten Mal 1977. In den Jahren darauf hatte er immer wieder berufliche Einsätze im Land der aufgehenden Sonne.

1985 konnte er für zwei Jahre für die Fracht AG in Tokio arbeiten. “Danach wollte ich nicht mehr heimkehren”, sagt er lachend. Weil die berufliche Mission aber zu Ende war, heuerte er bei einem deutsch-holländischen Konsortium im Frachtbereich an, wo er 7 Jahre blieb.

1993 heiratete er eine Japanerin, stieg beruflich auf und leitete während zwei Jahren den Schweizer Klub. Auch heute ist Urech im Frachtbereich tätig, als Direktor der Niederlassung einer deutschen Firma, die Tanks zum Transport von Chemikalien vermietet.

Schlaraffenland

Urech ist besonders von den kulinarischen Möglichkeiten Japans angetan. So hat Tokio etwa doppelt so viele Sterne-Restaurants wie das Gourmet-Mekka Paris.

“Alle Küchen der Welt sind in Japan zu Hause, auch die Schweizer Küche”, schwärmt er. “Und Küchen, die man in Europa vielleicht gar nicht kennt, wie etwa aus Bangladesch oder Südamerika.”

Fussballer in erster Liga

Urech war lange Jahre engagiert in einer weiteren Untersektion des Klubs tätig: Bei den Swiss Kickers Tokyo war er rechter Aussenverteidiger und von 1985 bis 1995 deren Manager.

“Ein Höhepunkt war jeweils das Spiel gegen German Taifun. Diese Mannschaft gibt es heute leider nicht mehr.” Die Swiss Kickers sind aber nach wie vor aktiv, sie spielen heute offiziell in der Tokyo Metropolis League, die in drei Ligen organisiert ist.

“Die Swiss Kickers spielen seit Beginn in der ersten Liga”, betont Urech nicht ohne Stolz.

“Vor etwa drei, vier Jahren war es für jede Mannschaft eine Herausforderung, sie zu schlagen. Es ist dem Gegner meistens nicht gelungen. 2004 wurden die Swiss Kickers sogar Champions der Tokyo Metropolis League und haben nicht ein einziges Spiel verloren.”

Doch dieses Jahr kämpfen sie gegen den Abstieg. “Die Mannschaft ist total überaltert. Es gibt nicht mehr viele junge Schweizer, die nach Japan kommen und auch Fussball spielen möchten.”

Mehr Junge anlocken

Ein Problem, das auch der Swiss Club kennt. Und dem er mit ungewöhnlichen Mitteln entgegenwirkt. “Wir haben das als Problem erkannt und den Mitgliederbeitrag für Studenten auf 1000 Yen (etwa 13 Fr.) im Jahr gesenkt”, erklärt Präsidentin Beatrice Ito. “Das hat ein bisschen geholfen.”

Und bald schon will der Klub mit einer Party Neuland betreten: “Wir versuchen, mehr oder weniger berühmte DJs, japanische und aus New York, zu holen, und so etwas ganz Anderes zu machen, ab Mitternacht bis am Morgen früh”, sagt Ito. Denn sie ist sich sicher: “Wenn Junge kommen, dann ziehen sie andere Junge nach.”

swissinfo, Christian Raaflaub, Tokio

Der Klub existiert seit 1976 und hat rund 350 Mitglieder.

Die Idee dazu war zwei Jahre zuvor bei einem Treffen der Schweizer Gemeinschaft im Garten der Schweizer Botschaft entstanden.

Der Klub ist eine Nonprofit-Organisation, die den Schweizern in der grössten Stadt der Welt und deren Umgebung den Kontakt mit ihrem Herkunftsland ermöglicht.

Die Anlässe des Schweizer Klubs seien beispielsweise auch bei Deutschen und anderen Expats beliebt, weil sie “nicht so formell” seien wie jene anderer Expat-Klubs, sagt die Präsidentin.

So organisiert der Klub etwa ein Ski-Weekend, die 1.-August-Feier, Wanderungen, Raclette-Abende, eine Weihnachtsfeier und einmal monatlich einen Jassabend.

Einmal jährlich gibt der Swiss Club die Swiss Gazette heraus.

Der Klub wird von Schweizer Firmen in Japan unterstützt. Die Eidgenossenschaft unterstützt die Sektion Erziehung bei der Finanzierung des Schweizer Lehrers.

Neben dem Swiss Club Tokyo gibt es auch noch die Swiss Society of the Kansai, die Anlässe im Grossraum Kobe/Osaka/Kyoto organisiert.

Japan ist für die Schweiz nach der EU und den USA knapp vor China drittwichtigster Handelspartner, die Schweiz in Japan achtwichtigster.

2008 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 7,1 Mrd. Fr. nach Japan und Japan solche im Umfang von 4,1 Mrd. Fr. in die Schweiz.

Die wichtigsten nach Japan eingeführten Schweizer Produkte sind chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Uhren und Maschinen.

Japan exportiert Autos, Edelmetall, Bijouterieartikel, Maschinen und chemische Produkte in die Schweiz.

Laut dem japanischen Aussenministerium sind rund 150 Schweizer Firmen in Japan tätig.

2008 lebten 1557 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Japan.

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