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Ehre für Adolf Muschg in Berlin

Adolf Muschg (r.) wurde das hohe Amt von seinem Vorgänger György Konrad übergeben. Keystone

Schriftsteller Adolf Muschg ist neuer Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Er war als Wunschkandidat gehandelt worden und ist der zweite nicht-deutsche Präsident.

Die Akademie versteht sich als Künstler-Gemeinschaft und geniesst hohes Ansehen.

Am Samstag hat die Mitglieder-Versammlung der Akademie den bald 69-jährigen Muschg zum Nachfolger des ungarischen Schriftstellers György Konrad gewählt. Konrad war als erster nicht-deutscher seit 1997 im Amt und kandidierte nicht mehr.

Eine europäische Akademie



Muschg kündigte vor Journalisten an, den Beratungsauftrag der Akademie wieder zu beleben, ob in der Architektur, den Medien oder anderen Gebieten. “Wir müssen konfliktbereit sein, ohne Provokation geht gar nichts.”

Der Schriftsteller bekannte sich zur grossen Tradition der Aufklärung, die auch von seinen Vorgängern im Amt vertreten worden sei. Die Idee einer “nationalen Akademie” schrecke ihn eher. Er wolle keine deutsche, sondern eine europäische Akademie. “Das alte Europa ist der beste Adressat meiner Seele.”

Er hänge an Berlin und bekenne sich auch zu positiven preussischen Traditionen wie Unabhängigkeit und Widerstand. Diese hätten zum Beispiel Theodor Fontane und die Männer des 20. Juli vertreten.

“Berlin ist für mich ein Stück Heimat”, sagte Muschg weiter. Er war 1988 Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg und lernte dort auch seine japanische Frau kennen. Er werde vermutlich die Hälfte seiner Zeit in Berlin verbringen. “Wenn das nicht reicht, werde ich Männedorf verlassen und umziehen.”

Muschg ist seit 1976 Mitglied der Akademie, die vor über 300 Jahren gegründet wurde und als eine der wichtigsten deutschen Kulturinstitutionen gilt. Er wurde als aussichtsreichster Kandidat für das höchste Amt in der Akademie gehandelt. Ihr gehören jeweils 366 gewählte Mitglieder an, die sich in den Sparten bildende und darstellende Kunst, Baukunst, Literatur und Musik einen Namen gemacht haben.

“Nestbeschmutzer” aus Zollikon

Der im Zürcher Zollikon geborene Muschg studierte in der Schweiz und den USA und arbeitete zunächst als Lehrer, dann als Dozent an Universitäten in Deutschland, der Schweiz, Japan und den USA. Für sein literarisches Werk erhielt er mehrere Preise und Auszeichnungen.

1990 wurde der “68er Sympathisant” Muschg der schärfste Kritiker Schweizer Überheblichkeit und Eigenbrötelei (“Lang lebe die Neidgenossenschaft!”) und legte zum Beispiel 1997 die Finger auf die Wunde der Rolle der Schweiz und ihrer Banken im Zweiten Weltkrieg (“Nazi-Gold”).

Als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei gehört er beispielsweise einer Kommission zur Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung an und setzte sich auch für die Anliegen der Papierlosen in der Schweiz ein.

Akademie der grossen Namen

Die Akademie wurde bereits 1696 von Friedrich III. von Brandenburg gegründet. In den Jahren des Nationalsozialismus litt sie unter rigoroser Gleichschaltung, 40 Künstler wurden zum Austritt gezwungen. 1937 wurde die Akademie aus ihrem Stammhaus am Pariser Platz 4 in Berlin vertrieben, und das “Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt” zog dort ein.

1950 wurde die Deutschen Akademie der Künste in Berlin (Ost) gegründet, 1954 die Akademie der Künste in Berlin (West). Im Februar 1992 erfolgte der Zusammenschluss.

Die Liste ihrer Mitglieder und Ehrenmitglieder reicht von Andreas Schlüter, Daniel Chodowiecki, Jakob Asmus Carstens, Johann Wolfgang Goethe, Johann Gottfried Herder, Karl Friedrich Schinkel, Johann Gottfried Schadow, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Carl Blechen über Max Liebermann, Ernst Barlach, Käthe Kollwitz, Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Heinrich und Thomas Mann, Ricarda Huch, Gerhart Hauptmann, Alfred Döblin und Karl Hofer bis zu Arnold Zweig, Bertolt Brecht, Hans Scharoun, Heinrich Böll, Konrad Wolf, Peter Huchel, Max Bill und Wolfgang Hildesheimer.

swissinfo und Agenturen

Werke:
Im Sommer des Hasen, 1965
Albissers Grund, 1974
Das Licht und der Schlüssel, 1984
Der Rote Ritter, 1993
Wenn Auschwitz in der Schweiz liegt, 1997

Auszeichnungen:
Georg-Büchner-Preis, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis, Hermann-Hesse-Preis und Carl-Zuckmayer-Medaille.

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