Jean-Pascal Imsand – eine erste Retrospektive

Zehn Jahre nach seinem Tod kommt Jean-Pascal Imsand in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur zu Ehren.
Gleichzeitig werden im Fotomuseum Werke des «Trash-Papstes“ John Waters und des Polizeifotografen der 50er-Jahre, Arnold Odermatt, gezeigt.
Drei Ausstellungen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein könnten: Mit John Waters, Arnold Odermatt und Jean-Pascal Imsand präsentieren das Fotomuseum und die Fotostiftung Schweiz bis zum 22. August ein Trio, das zumindest nicht aufeinander abgestimmt ist.
Welche Gemeinsamkeiten gibt es denn zwischen dem Wahn eines verrückt spielenden Filmemachers, den Fotos eines Polizeifotografen und den düsteren und poetischen Bildern eines jungen Fotografen, der tragischerweise schon mit 34 Jahren starb?
Es sind vor allem der Wille, den eigenen Weg zu finden, ohne Rücksicht auf den «guten Geschmack“ oder auf Normen, und die Suche nach einem unerreichbaren Absoluten, welche die drei so unterschiedlichen Künstler verbinden.
Direkte Wege
Jean-Pascal Imsand, 1960 in Lausanne geboren, Sohn des Fotografen Marcel Imsand, hat seine Träume und Visionen gelebt. Dabei litt er offenbar andauernd, jedenfalls nach seinen Bildern zu schliessen.
Diese erste Retrospektive zehn Jahre nach seinem Tod ist ein Versuch, die Wege des jungen Mannes zu verstehen – von Lausanne über Paris und New York bis Zürich.
Die von der Stiftung Jean-Pascal Imsand in Zürich initiierte Ausstellung ist das Beispiel einer gelungenen Koproduktion (mit dem Musée de l’Elysée in Lausanne und der Galleria Gottardo in Lugano). Sie bietet eine gut durchdachte Auswahl der gepflegten Bilder des Fotografen.
Imsand war gelernter Drucker-Typograf. Er meisterte die Collage-Techniken und verstand es, seinen Bildern einen ebenso visionären wie depressiven Hauch zu verleihen.
Das am Meeresufer aufgelaufene «Flat iron“ von New York, der Kathedralen-Adler auf dem Genfersee sind ergreifend in ihrer Schönheit. Die Fotomontagen, die er ab 1985 machte, brachten dem jungen Mann 1988 den «Grand prix européen de la photographie“ von Arles ein.
Sabina Scullari, Frau, Muse und Modell des Fotografen, bringt mit ihrer Schönheit ein Leuchten in die verschiedenen Etappen. Ihr Porträt ist praktisch das einzige heitere Bild der Ausstellung.
Imsand hat sich nicht mit Träumen und traumhaften Montagen begnügt. Mit seiner Kamera fing er auch die brutalere Wirklichkeit ein wie die Arbeit der Saisonniers oder die Drogenszene auf dem Letten in Zürich.
Ein unvollendetes Buch, das dem Kreis 5 in Zürich gewidmet ist, wo er lebte, ist in Form von Entwürfen ausgestellt, die zeigen, wie das Werk hätte werden können.
Eine andere … eine verrückte Welt
Gegenüber der Stiftung, in den Räumen des Fotomuseums, lassen zwei weitere Ausstellungen die Besucherinnen und Besucher in eine ganz andere Welt eintauchen.
Da ist zunächst jene des Filmemachers John Waters, dem der Schriftsteller William Burroughs dem Übernamen «Trash-Papst“ gab. Waters war unter anderem Regisseur von «Hairspray“, «Cry-Baby“, “Serial Mom“ und «Cecil B. DeMented“.
Der Mann weicht vor keinem als geschmacklos geltenden Ausdruck zurück. Vor allem aber widmet er der Geschichte des Films, ihren Meisterwerken wie ihren B-Serien, aber auch den Plakaten und allen damit verwandten Objekten, die er fotografiert und nebeneinander stellt, eine enzyklopädische Liebe.
Die Themen der Gegenüberstellungen sind so unterschiedlich wie der weibliche Schrei, die Zeit der WCs oder das Décolleté von Dorothy Malone, mit oder ohne Halskette.
Die Ausstellung «Change of life“ wurde vom Fotomuseum in Zusammenarbeit mit dem New Museum of Contemporary Art von New York zusammengestellt.
Vom Trash zu ganz realen Unfällen
Vom filmischen und farbigen «Trash“ gelangt man dann zu ganz realen Unfällen in schwarz-weiss.
Während über vierzig Jahren, von 1948 bis 2990, begab sich der Polizeifotograf Arnold Odermatt auf Unfallstellen (Karambolagen – so der Titel der Ausstellung), um Wagen, die von der Strasse abgekommen sind oder Kollisionen für die Ewigkeit festzuhalten.
Was ursprünglich nur als dokumentarische und auf Tatsachen beruhende Dienstleistung gedacht war, wurde dank dem Talent und dem geübten Blick des Polizisten Odermatt zu Momentaufnahmen grosser Schönheit – trotz der darin dargestellten Dramen.
Autos, die nach einem Sturz im Vierwaldstättersee untergehen, umgekippte Wracks und Spuren der weissen Kreide, mit denen der Unfall rekonstruiert wurde, könnten fast von einem Filmemacher zusammengestellt worden sein … wenn diese Szenen nicht so dramatisch real wären.
swissinfo, Ariane Gigon Bormann, Winterthur¨
(Aus dem Französischen übertragen: Charlotte Egger)
Das Zentrum für die Fotografie (Fotomuseum + Fotostiftung Schweiz) in Winterthur zeigt bis zum 22. August drei Ausstellungen.
Die Stiftung hat in Zusammenarbeit mit dem Musée de l’Elysee in Lausanne und der Galleria Gottardo in Lugano die erste Retrospektive zusammengestellt, die Jean-Pascal Imsand (1960-1994) gewidmet ist.
Die berühmten poetischen Fotomontagen des Künstlers werden zusammen mit seinen Reportagen und seinen Porträts vorgestellt.
Das Fotomuseum stellt die Collagen und fotografischen Sequenzen aus, die der ungezügelten Fantasie des amerikanischen Filmemachers John Waters entsprungen sind (Ausstellung «Change of life»).
Und die Ausstellung «Karambolagen» schliesslich zeigt die Bilder, die der Polizeifotograf Arnold Odermatt in den 50er Jahren aufgenommen hat, und die packende Zeugnisse sowohl einer vergangenen Realität wie der Gewalt von Autozusammenstössen sind.

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