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Leere Wände und Spurensuche nach dem Jahrhundertraub

Lukas Gloor, Direktor der Bührle-Sammlung vor der Wand, von der die vier Gemälde hingen. Keystone

Einen Tag nach Bekanntwerden des spektakulären Kunstraubes in Zürich prüft die Polizei zahlreiche Hinweise und Spuren. Die Räuber der vier wertvollen Gemälde sind aber weiterhin flüchtig.

In der Bührle-Sammlung in Zürich zeugen zwei leere Wände vom Verlust. Kratzspuren und die Wahl der Beute lassen vermuten, dass die Täter hastig und ohne grossen Kunstverstand vorgingen.

Dank der breiten Information vom Montag seien diverse Hinweise eingegangen, sagte Polizeisprecher Marco Cortesi an einer Medienkonferenz in der Villa im Seefeld, wo die wertvolle Bührle-Sammlung untergebracht ist. Er hielt sich aber bedeckt bezüglich der Frage nach einer heissen Spur.

In die Fahndung wurde inzwischen auch Interpol eingeschaltet. Etwas relativiert wurde der Hinweis auf das vermutlich weisse Täterauto. Museumsbesucher hätten zwar am Boden liegend und unter Schock ein weisses Auto abfahren sehen, ob es sich aber tatsächlich um das Täterauto handle, sei nicht gesichert.

Auch die Schwyzer Polizei, die im Zusammenhang mit den fünf Tage zuvor im Seedamm-Kulturzentrum gestohlenen zwei Picasso-Bildern nach einem weissen Auto fahndete, verfolgt diese Spur in der Zwischenzeit nicht mehr.

Zu den Beschreibungen der Täter durch Augenzeugen sagte Cortesi einschränkend, die Zeugen hätten unter Schock gestanden. Man werde sie später noch einmal befragen.

Kratzspuren statt Bilder

Rund 60 Journalisten und Kameraleute konnten sich am Dienstag bei der von der Polizei organisierten Führung durch das in der Zwischenzeit geschlossene Privatmuseum einen Eindruck vom Raub verschaffen.

Im grössten Saal im Hochparterre der Villa klafft eine Lücke. An den beiden Wänden, wo die Bilder hingen, zeugen viele Kratzspuren vom gewalttätigen Vorgehen der bewaffneten Täter.

Grosser Stress

Die drei maskierten Räuber haben offenbar “unter grossem Stress gehandelt”, innert drei Minuten hatten sie die vier Bilder in ein Fahrzeug geschafft und sich davon gemacht. Sofort nach dem Abhängen der Bilder war die Alarmanlage losgegangen, die Täter waren aber schneller gewesen als die Polizei.

Die drei Räuber raubten offenbar nur so viel, wie sie tragen konnten: Jedes der vier geraubten Meisterwerke im Gesamtwert von etwa 180 Millionen Franken war mit Rahmen etwa 15 Kilogramm schwer.

Die Täter handelten offenbar ohne allzu grosses Kunstverständnis. Liessen sie doch das den vier Gemälden unmittelbar folgende Selbstporträt von Paul Cézanne unbehelligt – es zählt mit dem entwendeten 100 Millionen Franken teuren Cézanne (“Der Knabe mit der roten Weste”) zu den wertvollsten Bildern des Museums.

Dass gerade der “Grosse Saal” ausgeraubt wurde, ist laut Cortesi aber wahrscheinlich geplant gewesen.

Neue Dimension

Experten gehen davon aus, dass die gestohlenen Werke versichert waren – ob zum vollen geschätzten Marktwert oder lediglich zu einem Teilwert, ist offen

Der Polizeisprecher nahm ferner Stellung zur Frage, warum die Polizei erst am Montag über die Tat vom Sonntag informierte. Wenige Minuten nach dem Alarm seien Grenzkontrollen und Flughäfen informiert gewesen. Darauf komme es an, sagte er.

Man habe dann bis Montag gewartet, um die Information gut vorbereiten zu können. Erneut legte die Polizei am Dienstag den Finger auf das Vorgehen der Täter. Es handle sich um “eine neue Dimension von Kunstraub” sagte Cortesi, dagegen nütze der beste Einbruchschutz nichts. Und darauf müsse man eine Antwort finden.

Suche nach Schwachstellen

Nach dem Raub suchen die Schweizer Museen nach Schwachstellen in ihren Sicherheitskonzepten. Einzelheiten ihrer Sicherheitsdispositive wollen die Museen jedoch nicht preisgeben.

Im Fokus steht jedoch die Verschärfung der Eintrittskontrollen, zum Beispiel durch Metalldetektoren. Andere diskutierte Massnahmen sind Videoüberwachung, elektronische Bilder- und Gebäudesicherungen oder der Beizug von privaten Sicherheitsfirmen.

Die Museen dürften jedoch nicht zu Festungen werden, sagte der Generalsekretär des Verbands der Museen der Schweiz (VMS), David Vuillaume.

swissinfo und Agenturen

Das 1960 eröffnete Museum der Stiftung E.G. Bührle in Zürich beherbergt eine der wichtigsten modernen Kunstsammlungen Europas.

Die Sammlung umfasst rund 200 Gemälde und Skulpturen, darunter viele Spitzenwerke des Impressionismus und des französischen Postimpressionismus.

Die Kunstobjekte wurde seit 1930 von Emil Bührle gesammelt, Besitzer der Rüstungsfabrik Oerlikon Bührle. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er auch Bilder gekauft, die aus von den Nazis besetzten Ländern nach Deutschland gebracht wurden.

“Mohnfeld bei Vetheuil” von Claude Monet
“Ludovic Lepic und seine Töchter” von Edgar Degas
“Blühende Kastanienzweige” von Vincent van Gogh
“Der Knabe mit der roten Weste” von Paul Cezanne

Ihr Wert wird zusammen auf rund 180 Mio. Fr. geschätzt, 100 Mio. alleine schon das Werk von Cézanne.

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