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Mummenschanz und New York: Das Tor zum Weltruhm

Mummenschanz feiert 40 Jahre Völkerverständigung ohne Worte. mummenschanz.com

Die legendäre Schweizer Maskentheater-Compagnie feiert ihr 40-Jahre-Jubiläum. Im Rahmen einer internationalen Tournee gastiert die Truppe bis Anfang Januar in New York, der Stadt, die mit der Weltkarriere von Mummenschanz eng verbunden ist.

Mit ihrem fantasievollen, poetischen Maskenspiel erzählen Mummenschanz – ohne Worte und ohne Musik – Geschichten aus dem Leben, die auf der ganzen Welt verstanden werden und Menschen unterschiedlichster Kulturen ansprechen und begeistern.

Ein dreijähriges Engagement von 1977 bis 1979 am Broadway in New York bedeutete für Mummenschanz den Durchbruch zu einer weltweiten Karriere. Auftritte in der “Muppet Show”, in “Sesame Street” und in der “Tonight Show” von Johnny Carson trugen dazu bei, ihren Bekanntheitsgrad zu steigern.

Seither folgten Tourneen, die Mummenschanz nach Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Afrika und Australien führten. Keine Frage, dass auf der Jubiläumstournee auch New York auf dem Programm stehen sollte.

Dort hat swissinfo.ch zwischen zwei Vorstellungen Floriana Frassetto und Philipp Egli getroffen. Frassetto hatte Mummenschanz 1972 zusammen mit dem 1992 verstorbenen Andres Bossard und Bernie Schürch gegründet. Egli trat an die Stelle von Bernie Schürch, der im Sommer 2012 in den Ruhestand getreten ist. 

Spezielle Plattform 

“New York ist für Mummenschanz eine sehr spezielle Plattform”, sagt Frassetto. Sie ruft in Erinnerung, dass Anna Kisselgoff, die damalige Tanz-Kritikerin der New York Times, über den Auftritt der damals noch unbekannten Truppe aus der Schweiz schrieb – und begeistert war.

“Es war fantastisch und wurde immer besser. Nicht nur, dass die New York Times über uns schrieb. Die ganze Erfahrung war fantastisch. Wir spielten erstmals vor einem derart internationalen, gemischten Publikum.”

Gegründet wurde Mummenschanz 1972 von den Schweizern Andres Bossard und Bernie Schürch zusammen mit der Italo-Amerikanerin Floriana Frassetto in Paris.

Ein auf vier Wochen angesetztes Gastspiel in New York, das schliesslich in ein dreijähriges Engagement am Broadway (1977-1979) mündete, brachte den Durchbruch zu einer Weltkarriere.

Bis heute haben Mummenschanz mit ihrem fantasievollen, poetischen Maskentheater, das ohne Worte und ohne Musik auskommt, auf allen Kontinenten in rund 60 Ländern Menschen jeglichen Alters begeistert.

Mummenschanz hatten sich gegen die Sprache entschieden, weil sie etwas machen wollten, das auf der ganzen Welt funktionieren würde.

Vom Gründungstrio steht heute nur noch Floriana Frassetto auf der Bühne. Nach dem Tod von Andres Bossard 1992 waren Raffaella Mattioli und Pietro Montandon zu der Truppe gestossen. Bernie Schürch trat Mitte 2012, nach der 40-Jahre-Jubiläumstournee in der Schweiz, in den Ruhestand. Seine Nachfolge trat der Zürcher Philipp Egli an.

Vier Generationen 

“Dass wir unser 40-Jahr-Jubiläum auch hier in New York mit einem Gastspiel feiern können, bewegt und berührt mich sehr”, erklärt die lebhafte Frassetto mit strahlenden Augen.

Die Besucher von damals kämen heute mit ihren Kindern, ihren Grosskindern. “Es ist wunderbar, zu spüren und zu hören, dass die Leute uns noch immer mögen. Wir passen offensichtlich auch in die heutige Zeit, wohl weil unsere Nummern aktuell und zeitlos sind, da es um Emotionen geht.”

Prüfstein New York 

Für Philipp Egli ist die New-York-Erfahrung natürlich anders. “Ich spüre die 40 Jahre Geschichte nur indirekt oder reflektierend.” Er denke, New York sei für die Truppe immer ein Prüfstein gewesen, “und das spüre ich jetzt auch.”

Nach der Jubiläums-Tournee in der Schweiz, während der er von Schürch “alles lernen und in die Schau hereinwachsen konnte”, habe ihn die erste grössere Tour nun gleich in die USA gebracht. “Das ist viel Verantwortung, eine grosse Herausforderung für mich.”

Das Publikum in den USA sei anders. “Sie lachen teilweise an anderen Orten, sind generell etwas rascher. Vor der ersten Schau war ich noch ein bisschen nervöser als sonst, auch weil ich spürte, was Mummenschanz hier bedeutet.”

“Nervös sind wir jedes Mal, auch nach 40 Jahren”, unterstreicht Frassetto. “Dass wir noch immer Lampenfieber haben, hat auch damit zu tun, dass wir keine Musik einsetzen, sondern uns auf den jeweiligen Rhythmus des Publikums einstellen.”

Mummenschanz treten in New York noch bis zum 6. Januar im Skirball Center For The Performing Arts der New York University (NYU) auf.

Auf dem Programm der Jubiläums-Tournee stehen viele der alten erfolgreichen Nummern, zum Beispiel die Figuren mit Toilettenpapier- oder Knetmassen-Gesichtern, die Ballerina, die Röhrenwesen oder die Masken des Steckers und der Steckdose.

Heute hat Mummenschanz rund hundert Nummern im Repertoire, von denen beim Auftritt in New York rund 30 zu sehen sind.

Nach New York haben Mummenschanz im Januar noch einige weitere Auftritte in den USA, unter anderem in Chicago. Im Februar kehren sie in die Schweiz zurück, im März dann nochmals in die USA, später im Jahr folgen Auftritte in Rom, Paris und Deutschland.

Publikum gibt Rhythmus vor 

“In der Stille, in der Reaktion des Publikums, das uns den Rhythmus gibt, liegt eine besondere Intimität. Entweder hat man den Mut, sich dem hinzugeben oder nicht. Es wird immer Leute geben, die bei uns die Musik vermissen. Ich nicht”, unterstreicht sie.

Auch er vermisse die Musik nicht, sagt Egli, obwohl er von der Choreographie komme und einen starken Bezug zu Musik habe. “Ich glaube, diese Figuren würden mit unterlegter Musik zu einem Ballett degradiert. Wir müssten nach der Musik tanzen und könnten nicht so lebendig sein, wie wir es im leeren, freien Raum sind, dem wir uns aussetzen.”

“Es gibt kein Land auf der Welt, von dem ich sagen könnte, dass unser Publikum nicht wunderbar war”, sagt Frassetto. Natürlich gebe es Unterschiede, da die Kulturen und gesellschaftlichen Hintergründe unterschiedlich seien. “Jede Nacht ist eine Herausforderung, jede Nacht ist wundervoll. Sei es Teheran, Zürich oder New York – oder auch Medford, Oregon, um einen kleineren Ort zu erwähnen – es ist wunderbar.”

Stehende Ovation 

Das Premierenpublikum im Skirball Center For The Performing Arts der New York University war ein bunt gemischt: Vom Kleinkind bis zum Grossvater, vom Studenten bis zur Geschäftsfrau. Kinder kicherten und schrien von Anfang an, animierten (oder störten, je nach Sichtweise) die Schau mit Zwischenrufen. Am Ende gab es eine stehende Ovation.

“Pure Poesie. Jeder Sketch ist wie ein Gedicht, lässt mich an Haikus denken, die kurzen japanischen Gedichte”, erklärte Botschafter François Barras, der Schweizer Generalkonsul in New York, nach der Vorstellung. “Es kommen aber auch Gedanken auf an Künstler wie Miro oder Picasso. Mit einfachsten Mitteln gelingt es Mummenschanz, Emotionen herüberzubringen. Zudem ist ihre Kunst mit den Jahren überhaupt nicht alt geworden.”

Begeistert zeigt sich auch ein etwa acht Jahre alter Junge, der mit seinem Grossvater gekommen war. “Fantastisch, das hat mir sehr gefallen. Noch besser wäre es meiner Meinung nach aber mit etwas Musik.” Sein Grossvater nickt zustimmend: “Aber auch so gefällt mir die leicht skurrile Schau, ich habe sie auch schon früher gesehen.”

Viel Spass hatte auch eine Familie mit drei Kindern. Die Mutter, die aus der Schweiz stammt, hatte Mummenschanz schon lange nicht mehr live gesehen, ihr Mann noch nie. “Ich kannte sie bloss von Videoclips her, mag ihre Schrulligkeit. Sie nun live zu sehen war wunderbar.”

“Es war grossartig, fantastisch, hat mir viel Spass gemacht”, sagt der 9 Jahre alte Sohn. Sein 5 Jahre alter Bruder stimmt begeistert zu. Die erst ein Jahr alte Schwester war noch etwas gar jung, Vater und Mutter mussten sich abwechslungsweise um sie kümmern.

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