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LIBYEN/Wieder Luftangriffe auf Sirte – Vormarsch der Rebellen gestoppt

Tripolis (awp/sda/dpa/afp/rtd/dapd) – Die westliche Militärallianz hat am Montagmorgen erneut Stellungen der Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi in Sirte angegriffen. Mehrere Explosionen seien zu hören gewesen, meldeten Reporter in der Stadt.
Ein AFP-Korrespondent berichtete von Kampfflugzeugen, die vor den Explosionen die Stadt überflogen hätten. Das libysche Staatsfernsehen meldete ebenfalls Bombardements aus der Luft.
Auch die Hauptstadt Tripolis sei getroffen worden, meldete das von Gaddafi kontrollierte Medium. Berichte über Schäden lagen bislang nicht vor. Bereits am Sonntag waren Tripolis und Sirte von Bomben getroffen worden.
Aufständische vermelden Einnahme Sirtes
Die Rebellen erklärten am Morgen, sie seien bereits in Sirte einmarschiert. Dem widersprachen jedoch Journalisten vor Ort. Ein Reporter der Agentur Reuters berichtete, die Stadt sei nicht unter Kontrolle der Aufständischen. Es gebe keine Anzeichen für Gefechte.
Die Journalisten-Reise in Gaddafis Geburtsstadt war vom Regime organisiert worden. Sirte gilt als Hochburg Gaddafis. Die Stadt am Mittelmeer liegt zwischen der Hauptstadt Tripolis und dem von den Rebellen gehaltenden Benghasi.
Strategisch wichtig
Die Einnahme Sirtes wäre wichtig für die Rebellen und würde ihnen den Weg nach Tripolis und in die von ihnen gehaltene Stadt Misrata öffnen. Dort berichteten Einwohner von Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen.
Die Rebellen hatten am Sonntag – unterstützt von den Luftangriffen der westlichen Militärallianz – die Ölstadt Ras Lanuf und später Bin Dschawwad eingenommen. Laut dem Sender Al-Dschasira eroberten die Aufständischen auch die weiter westlich gelegene Stadt Nofilia. Zuvor hatte AFP von heftigen Gefechten auf der Strasse von Bin Dschawwad nach Nofilia berichtet.
Was erlaubt die UNO-Resolution?
Die Luftangriffe auf Tripolis und Sirte liessen Vorwürfe laut werden, das Bündnis gehe damit über die Vorgaben der UNO-Resolution 1973 hinaus, die die nötigen Massnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlaubt.
So sagte der stellvertretende libysche Aussenminister Chaled Kaim in Tripolis, den Alliierten gehe es nicht um den Schutz der Zivilbevölkerung. Sie versuchten, das Land in einen Bürgerkrieg zu treiben.
Angesichts des Vorrückens der Rebellen sagte ein hoher US-Beamter am Sonntag, es gebe keine Abstimmung der internationalen Truppen mit den Aufständischen. Es gehe nicht um die Rebellen, sondern darum, Zivilisten vor Angriffen zu schützen. Die USA hatten bislang die seit einer Woche andauernden Luftangriffe von Kampfjets der USA, Grossbritanniens und Frankreichs koordiniert.
In den USA ist der Einsatz umstritten. Am Sonntag traten US-Aussenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates in US-Talkshows auf, um die Luftangriffe zu rechtfertigen. Am Montag (in der Nacht auf Dienstag MESZ) will US-Präsident Barack Obama sich zu Libyen äussern.
NATO übernimmt Kommando
Gates sagte dem Sender ABC, zwar sei der Einsatz nicht im zentralen nationalen Interesse, dennoch seien die USA an einer Lösung interessiert. Er sagte weiter, er könne keinen Zeitrahmen für den Militäreinsatz in Libyen nennen. Auf Drängen der USA hatte sich am Sonntag die NATO bereit erklärt, das Kommando zu übernehmen.
Türkei warnt vor “zweitem Irak”
Die Türkei warnte inzwischen vor einem langwierigen Konflikt. Es drohe die Gefahr, dass Libyen sich in einen “zweiten Irak” oder ein “weiteres Afghanistan” verwandle, sagte Regierungschef Recep Tayyip Erdogan am Wochenende der britischen Zeitung “The Guardian”.
Erdogan bot an, eine Waffenruhe zu vermitteln. Das NATO-Land Türkei hatte am Donnerstag nach tagelangem Widerstand einer NATO-Führung des Libyen-Einsatzes zugestimmt.

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