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Munich Re sieht sich trotz zahlreicher Katastrophen auf Kurs (2. AF)

(neu: Aussagen aus Pressekonferenz, Details, aktualisierter Aktienkurs, Analystenstimme)
MÜNCHEN (awp international) – Der weltgrösste Rückversicherer Munich Re sieht sich trotz zahlreicher Katastrophen im ersten Halbjahr auf Kurs zu seinem Jahresziel. “Wir wollen 2010 einen Gewinn von über zwei Milliarden Euro erwirtschaften”, sagte Vorstandschef Nikolaus von Bomhard am Mittwoch bei der Vorlage der Halbjahresbilanz in München. “Das bleibt ambitioniert, ist aber zu schaffen.” Trotz immenser Belastungen durch das Erdbeben in Chile und den Untergang der Bohrinsel im Golf von Mexiko erwirtschaftete die Munich Re in den ersten sechs Monaten einen Überschuss von 1,2 Milliarden Euro nach 1,1 Milliarden ein Jahr zuvor.
Gute Geschäfte an den Finanzmärkten glichen die Lasten durch Grossschaden aus. Mit Geldanlagen verdiente die Munich Re im ersten Halbjahr überraschend gut. Insgesamt sprang das Kapitalanlageergebnis um 43 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro. Auch für das Gesamtjahr gab sich der Vorstand wieder optimistischer. Die Kapitalanlagen sollen jetzt eine Rendite gut vier Prozent einbringen – zuletzt hatte das Management diese Schwelle noch nicht in Sicht gewähnt. “Soweit es mit vernünftigen Mitteln möglich ist, haben wir uns von den extremen Ausschlägen abkoppeln können”, sagte von Bomhard.
SCHWERE SCHÄDEN
Aussergewöhnlich schwer lasteten die Katastrophen auf dem Ergebnis. Alleine für die Schäden durch das Erdbeben in Chile Ende Februar hat die Munich Re knapp eine Milliarde US-Dollar veranschlagt. Damit trägt sie ein Achtel des gesamten versicherten Schadens. Für das Unternehmen ist das Beben der grösste Schaden seiner Geschichte – hinter dem Anschlag auf das World Trade Center 2001 und dem Wirbelsturm Katrina 2005.
Der Untergang der Bohrinsel “Deepwater Horizon” im April dürfte die Munich Re nach ihrer Einschätzung mit einem niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag belasten. Unklar sei noch die Höhe der Haftpflichtschäden, sagte Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek. Für die gesunkene Bohrinsel selbst muss die Munich Re voraussichtlich mit rund 60 Millionen Euro geradestehen. Insgesamt treffen der Untergang und die Ölpest die Versicherungsbranche laut Jeworrek voraussichtlich mit 3 bis 3,5 Milliarden Dollar. Die volkswirtschaftlichen Schäden könnten sich jüngsten Schätzungen zufolge auf bis zu 35 Milliarden Dollar belaufen.
BUDGET FAST AUFGEBRAUCHT
Für die kommenden Monate muss die Munich Re darauf hoffen, dass sich die Katastrophen im Rahmen halten. Mit Schäden von 900 Millionen Euro im ersten Halbjahr ist das für 2010 vorgesehene Grossschaden-Budget bereits weitgehend aufgebraucht. Jüngsten Prognosen zufolge dürfte die anstehende Hurrikan-Saison in diesem Jahr jedoch nicht allzu sanft ausfallen. Auch Jeworrek rechnet nicht gerade mit einem moderaten Verlauf. Ob ein Wirbelsturm tatsächlich hohe Schäden verursacht, ist allerdings oft bis zuletzt unklar.
In den ersten sechs Monaten reichten die Beitragseinnahmen der Munich Re in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung bereits auch nicht aus, um die Kosten für Schäden und Verwaltung zu decken. Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote lag im ersten Halbjahr bei 106,4 Prozent und damit klar über der kritischen 100-Prozent-Marke. Mittelfristig will der Vorstand die Quote weiterhin bei 97 Prozent halten. Dies sei in diesem Jahr aber kaum erreichbar
ERGO VERDOPPELT GEWINN
Der operative Gewinn des Konzerns verbesserte sich dennoch um fünf Prozent auf 2,2 Milliarden Euro. Zwar verdiente die Rückversicherungssparte weniger als ein Jahr zuvor. Doch die Erstversicherungstochter Ergo konnte ihr operatives Ergebnis auf 627 Millionen Euro mehr als verdoppeln, nachdem sie ein Jahr zuvor eine Abschreibung auf eine Firmenbeteiligung vornehmen musste. Die Schaden-Kosten-Quote verschlechterte sich im Erstversicherungsgeschäft um 1,9 Prozentpunkte auf 96,6 Prozent. Zu Ergo zählen die Marken D.A.S. und DKV sowie die Deutsche Reiseversicherung.
Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko erhofft sich Rückversicherungsvorstand Torsten Jeworrek hingegen ein Umdenken in der Industrie. Es sei wichtig, Versicherungsdeckungen und Selbstbehalte bei technischen Grossprojekten sowie der damit verbundenen Haftpflichtrisiken zu überdenken. Dies sollte auch zu steigenden Preisen in der Rückversicherung führen.
Die Munich-Re-Aktie reagierte am Morgen mit einem Kurssprung auf die Zahlen, gab die Gewinne jedoch schnell wieder ab. Zuletzt notierte das Papier unverändert bei 108,75 Euro und hielt sich damit besser als der Dax . Der Rückversicherer habe ein starkes Quartalsergebnis vorgelegt, urteilte Equinet-Analyst Philipp Hässler./stw/zb

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