Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

POLITIK/Europa und Lateinamerika wollen Märkte öffnen

MADRID (awp international) – Mehr Handel und weniger Protektionismus: Die Europäische Union und Lateinamerika wollen im Kampf gegen die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise ihre Märkte weiter öffnen und die Handelsbeziehungen ausbauen. Darauf verständigten sich die Staats- und Regierungschefs am Dienstag auf einem gemeinsamen Gipfeltreffen in Madrid. Wie aus Delegationskreisen verlautete, äusserten sich die lateinamerikanischen Staaten allerdings verärgert darüber, dass aus der Krise keine praktische Konsequenzen gezogen und die Beschlüsse der G20-Gruppe nicht in die Tat umgesetzt worden seien.
Der EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy räumte ein: “Die Krise ist vielleicht noch nicht vorüber. Es ist eine Regulierung des Finanzsystems im weitesten Sinne erforderlich.” Die EU einigte sich am Rande des Treffens mit den Staaten Mittelamerikas auf ein Assoziierungsabkommen. Es ist das erste Übereinkommen dieser Art, das die EU nicht mit einem einzelnen Land, sondern einer Staatengruppe schliesst. Der Vertrag, auf den sich beide Seiten nach dreijährigen Verhandlungen verständigten, sieht unter anderem die Schaffung einer Freihandelszone zwischen der EU und den sechs mittelamerikanischen Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama vor.
Allerdings werden für Agrarprodukte und andere Erzeugnisse auch weiterhin eine Reihe von Zöllen und Exportquoten gelten. Das Abkommen beinhaltet neben einem Ausbau der Handelsbeziehungen auch einen politischen Dialog und einen verstärkten Kampf gegen die Armut in Mittelamerika. Es sollte – ebenso wie die zuvor vereinbarten Verträge der EU mit Peru und Kolumbien – an diesem Mittwoch in Madrid feierlich unterzeichnet werden.
Die lateinamerikanischen Staaten warnten die Europäer davor, beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit Zuwanderer zu diskriminieren. “Wir betrachten die diskriminierende Behandlung von Immigranten in den entwickelten Ländern mit grosser Sorge”, sagte die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Lateinamerikanische Zuwanderer dürften nicht für die Arbeitslosigkeit in Europa verantwortlich gemacht werden. Sie arbeiteten überwiegend in Jobs, die die Einheimischen nicht verrichten wollten.
Am Vorabend war die EU mit den vier südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay übereingekommen, die blockierten Verhandlungen zwischen Brüssel und dem Bündnis Mercosur über ein Assoziierungsabkommen neu zu starten. Die Verhandlungen waren seit 2004 blockiert gewesen, weil Frankreich und andere EU-Staaten Nachteile für ihre Bauern befürchten, wenn Länder wie Brasilien oder Argentinien praktisch uneingeschränkt Fleisch in die EU exportieren dürfen.
Die 60 Teilnehmerstaaten beschlossen die Gründung einer gemeinsamen Stiftung. Sie konnten sich aber nicht darauf verständigen, wo die EU-Lateinamerika-Stiftung ihren Sitz haben wird. Die deutsche Bundesregierung hatte gehofft, dass die Kandidatur Hamburgs bei dem Treffen den Zuschlag bekommen würde. Wie der Staatsminister im deutschen Aussenministerium, Werner Hoyer, mitteilte, konnte in Madrid jedoch kein Einvernehmen hergestellt werden, weil Frankreich und Italien die Kandidaturen von Paris und Mailand nicht zurückzogen.
Die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten zudem eine politische Erklärung und einen Aktionsplan für eine Intensivierung der strategischen Partnerschaft zwischen der EU, Lateinamerika und der Karibik. Der Gipfel war das sechste Treffen dieser Art. Spanien hatte die Konferenz zu einem Höhepunkt seiner EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2010 machen wollen. Der nächste Gipfel soll 2012 in Chile stattfinden./hk/DP/js

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft