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“Wir müssen und werden Lösungen finden”

swissinfo.ch

Die Schweiz dürfe sich nicht von der EU unter Druck setzen lassen, denn möglichst viel Handlungsfreiheit sei die Devise, sagt Bundespräsident Ueli Maurer im swissinfo.ch-Interview. Die EU habe "ebenso handfeste Interessen" an der Schweiz wie umgekehrt.

Er hat lieber Brot und Bier statt Cüpli und Kaviar, lieber Waldfeste als Festakte. Körperlich ertüchtigen will er sich mit Skilanglaufen und Velofahren, “nicht mit Bücklingen”.

Der 62-jährige Ueli Maurer, der Bauernbub, Bauernsekretär, Parteipräsident, der die rechtskonservative SVP zur wählerstärksten Partei im Land ausbaute, ist seit 2009 Bundesrat. 2013 ist der Militär- und Sportminister für ein Jahr Bundespräsident, ein Amt im Turnus mit Repräsentationspflichten im In- und Ausland.

swissinfo.ch: Sie haben mit Aussenminister Didier Burkhalter abgemacht, dass Sie sich die Auslandreisen aufteilen werden. Nach welchen Kriterien wollen Sie aufteilen?

Ueli Maurer: Ich nehme alle Verpflichtungen wahr, die für die Schweiz wichtig sind. Dort wo es für die Schweiz effizienter ist, wenn es Bundesrat Burkhalter oder ein anderes Mitglied der Landesregierung ist, macht es ein anderer. Es geht ja nicht um meine Person, sondern um die Interessen der Schweiz. Die muss derjenige vertreten, der je nach Anlass das meiste Gewicht oder die besten Position hat.

Meine Überlegung war es auch, dass die Aufteilung zu mehr Kontinuität führt. Wir begegnen im Ausland ja oft dem Vorwurf mangelnder Kontinuität.

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Der Präsident und sein Büro

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Bundespräsident Ueli Maurer umgibt sich während der Arbeit mit Erinnerungsstücken und Symbolen einer ländlichen Schweiz. Der Fotograf Thomas Kern hat nicht nur den Präsidenten vor die Linse genommen.

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swissinfo.ch: Eines Ihrer Anliegen im Inland wird die Verbesserung des nationalen Zusammenhaltes sein. Was wollen Sie da konkret tun?

U.M.: Bei allen unterschiedlichen Interessen, die in diesem Land vertreten sind, sind wir doch alle Bürger der selben Schweiz. Wir müssen das Gemeinsame stärken, und wir haben ja auch sehr viel mehr Gemeinsames als Trennendes. Oftmals wird das Trennende betont, man könnte aber auch das Verbindende hervorheben.

Als Bundespräsident habe ich die Möglichkeit, an Anlässen das Verbindende herauszustreichen. Die olympischen Winterspiele wären so ein grosses schweizerisches Projekt, bei dem man sich unabhängig von Interessen, Sprachregionen oder Parteien gemeinsam für eine Sache engagieren könnte.

Und doch müssen wir realistisch bleiben. In einem Jahr als Bundespräsident kann wenig verändert werden, weder die Schweiz, noch die Welt. Auch mir persönlich bleibt wenig Handlungsspielraum, ist die Agenda doch schon fast voll.

swissinfo.ch: Sie werden die Bundesratssitzungen leiten. Mit welcher Grundhaltung werden Sie das tun?

U.M.: Eine Kollegialregierung muss sich dort, wo politisch heikle Entscheide zu fällen sind, genügend Zeit nehmen, um zu diskutieren. Es braucht auch Rücksichtnahme auf die verschiedenen Persönlichkeiten und Sensibilitäten, ein Sensorium, um die Spannungsfelder der Kollegen zu verstehen. Es ist eine Kunst, das Gremium in heiklen Situationen so geschlossen wie möglich zu Entscheiden zu bringen, die möglichst alle mittragen können. Am Schluss haben wir im Bundesrat immer einen Kompromiss, der weitergetragen wird,

Das unterscheidet sich von einer Führung, in der man nur abstimmen würde und in wenigen Minuten alles entschieden ist.

Der Vater von sechs Kindern wurde 1950 im Kanton Zürich geboren.

Er ist seit dem 1. Januar 2009 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).

Am 5. Dezember 2012 wurde Maurer mit 148 von 237 möglichen und 202 gültigen Stimmen zum Bundespräsidenten für das Jahr 2013 gewählt.

Von 1994 bis 2008 war er Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes.

Von 1983 bis 1991 sass er für die SVP im Zürcher Kantonsparlament.

Von 1996 bis 2008 war er Präsident der SVP Schweiz. In dieser Zeit gründete Ueli Maurer 12 neue Kantonalparteien und 600 lokale Sektionen. Die SVP konnte sich als wählerstärkste Partei der Schweiz etablieren.

swissinfo.ch: Kürzlich haben Sie in einer Rede die bilateralen Verträge mit der EU zumindest durch die Blume in Frage gestellt. Wie stellen Sie sich vor, dass es mit der EU und der Schweiz weitergehen soll?

U.M.: Ich sehe nur den bilateralen Weg. Und wir müssen uns für diesen bilateralen Weg Zeit nehmen und dürfen uns nicht unter Druck setzen lassen. Je enger das Verhältnis zur EU ist, je mehr Sorgfalt braucht es in der Prüfung von Verträgen. Ich bin der Meinung, dass wir nirgends unter so grossem Zeitdruck stehen, dass wir etwas übers Knie brechen müssten. Möglichst viel Handlungsfreiheit für die Schweiz zu bewahren, das ist für mich die wichtigste Devise.

Ich denke nicht, dass ich mich hier grundsätzlich von meinen Kollegen im Bundesrat unterscheide, denn niemand will in die EU. Alle wollen gute Verträge für die Schweiz. Ich habe vielleicht eine etwas pointiertere Meinung. Aber es besteht keine grundsätzliche Differenz zur Haltung des Bundesrates und der politischen Mehrheit im Land.

swissinfo.ch: Die Exportwirtschaft hat ein vitales Interesse am EU-Binnenmarkt. Ihre Partei setzt mit der Zuwanderungs-Initiative die Personenfreizügigkeit aufs Spiel. Haben Sie keine Angst vor Sanktionen und den möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen?

U.M.: Nein. In der Wirtschaft setzt sich jeweils der bessere durch. Die EU hat ebenso handfeste Interessen an der Schweiz wie umgekehrt.

Stellen Sie sich vor, die EU würde – rein theoretisch gesagt – Beschränkungen erlassen im Marktzugang und wir als Gegenreaktion Beschränkungen im Verkehrsdossier. Das würde nicht gehen. Das sind rein hypothetische Spiele. Wir sind eng miteinander verbunden und müssen immer wieder gemeinsame Lösungen finden. Und wir werden dies auch tun.

swissinfo.ch: Kurz nach der Übernahme Ihres Departements haben Sie gesagt, Sie wollten aus der Schweizer Armee die beste Armee der Welt machen. Würden Sie das immer noch sagen?

U.M.: Selbstverständlich! Wir brauchen die beste Armee der Welt, denn wenn eine Armee zum Einsatz kommt, dann brauchen wir die beste Armee.

2013 Ueli Maurer (SVP)

2012 Eveline Widmer-Schlumpf (BDP)

2011 Micheline Calmy-Rey (SP)

2010 Doris Leuthard (CVP)

2009 Hans-Rudolf Merz (FDP)

2008 Pascal Couchepin (FDP)

2007 Micheline Calmy-Rey (SP)

2006 Moritz Leuenberger (SP)

2005 Samuel Schmid (SVP)

2004 Joseph Deiss (CVP)

2003 Pascal Couchepin (FDP)

2002 Kaspar Villiger (FDP)

2001 Moritz Leuenberger

2000 Adolf Ogi (SVP)

1999 Ruth Dreifuss (SP)

swissinfo.ch: Sie sind ja nicht frei in der Ausgestaltung der Armee und der Sicherheitspolitik. Wünschten Sie sich eine andere Armee?

U.M.: In unserem Milizsystem ist die Armee ein Teil der Sicherheitspolitik. Sie funktioniert, wenn sie von der Bevölkerung getragen und unterstützt wird. Das Milizsystem bedingt, dass wir uns alle zur Armee und zur Sicherheitspolitik bekennen.

Ressourcenmässig sind uns bei der Armee Grenzen gesetzt, und in der Öffentlichkeit haben wir für das Ansehen der Armee wieder mehr zu kämpfen. Solange es zum Trend gehört, in der Öffentlichkeit gegen die Armee zu sein, sind wir noch nicht am Ziel der besten Armee der Welt.

Wenn zwei Pistolen wegkommen oder ein Soldat ein Bier zu viel trinkt, dann gibt das grosse Geschichten in den Medien, und es entsteht der Eindruck, die ganze Armee sei in einem hundsmiserablen Zustand. Wenn man auf die Armee zielt, meint man vielleicht manchmal mich. Aber es trifft die 150’000 Soldaten, die jedes Jahr einen vorbildlichen Einsatz leisten, Das ertrage ich manchmal schlecht.

swissinfo.ch: Die Bedrohungslage hat sich entspannt. Wie weit hat die Armee ein Legitimationsproblem?

U.M.: Eine Armee ist die Versicherungsprämie für den schlimmsten Fall und hat ihre Legitimation. Sie kostet zudem sehr wenig, nämlich weniger als z.B. alle Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherungen zusammen.

Die Armee hat kein Legitimationsproblem, denn sie ist für die Sicherheit des Landes verantwortlich. Dass die Schweiz eines der reichsten Länder ist, hat sie der Sicherheit zu verdanken. Ein wesentliches Element für die Sicherheit ist die Armee. Ein Abbau würde längerfristig die Sicherheit des Landes beeinträchtigen und damit auch den Wohlstand. Zudem kann man eine Armee bei Bedarf nicht innerhalb weniger Jahre aufbauen.

swissinfo.ch: Die Beschaffung des Kampfjets Gripen ist bis weit ins bürgerliche Lager hinein umstritten. Der Kauf muss wahrscheinlich die Hürde einer Volksabstimmung überwinden. Wie wollen Sie das meistern?

U.M.: Das wird eine schwierige Abstimmung für die Armee werden. Die Frage der Legitimation wird dann zu Diskussionen führen. Ich denke, wir können die Abstimmung gewinnen, wenn wir offen und transparent darlegen, worum es geht. Wir werden den Schweizer Stimmbürgerinnen und –Bürgern erklären, dass es ohne Sicherheit keinen Wohlstand gibt.

swissinfo.ch: Auslandschweizer fühlen sich vernachlässigt. Wie wollen Sie in Ihrem Präsidialjahr auf sie zugehen?

U.M.: Speziell für die Auslandschweizer kann ich leider wenig Konkretes tun. Hier bin ich realistisch genug. Wenn immer möglich unterstütze ich gute Kontakte zu den Auslandschweizerinnen und –Schweizern. Das wäre etwas der Ausbau beim e-Voting, aber auch dort wachsen die Bäume nicht in den Himmel.

Und wenn es die Agenda erlaubt, könnte ich am Auslandschweizer-Kongress teilnehmen. Generell mache ich nicht gerne Versprechungen, die ich schlussendlich nicht halten kann.

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