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PRESSE/Wikileaks-Depeschen: US-Diplomaten als Boeing-Händler

WASHINGTON (awp international) – US-Diplomaten mischen im Kampf zwischen Boeing und dem europäischen Kontrahenten Airbus kräftig mit. Mit Vergünstigungen werden Staatsoberhäupter oder auch Topmanager von Fluggesellschaften dazu bewogen, sich für das amerikanische Produkt und nicht für jedes der EADS -Tochter zu entscheiden, wie die “New York Times” am Montag berichtete.
Demnach gibt es hinter den Kulissen einen wahren “internationalen Bazar”, äussern ausländische Führungspersönlichkeiten besondere und zuweilen bizarre Wünsche, die ihnen dann auch oft erfüllt werden – im Gegenzug zum Kauf von Boeing-Maschinen im Wert von Milliarden Dollar. So habe etwa König Abdullah von Saudi-Arabien darum ersucht, seinen persönlichen Jet in Sachen High Tech ganz nach dem Muster der US-Präsidentenmaschine Air Force One auszustatten.
Grundlage des Zeitungsberichts sind Hunderte von diplomatischen Depeschen, die der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt und dann zur Auswertung an die “New York Times” weitergegeben wurden.
Demnach ist es zwar nicht neu, dass die Politik im Schacher um Milliardenaufträge für grosse Unternehmen eine erhebliche Rolle spielt. Aber die Depeschen bieten, so die “New York Times”, den bisher detailliertesten Einblick in die Methoden im “Verkaufskrieg” zwischen Boeing und Airbus, bei dem es auch um die Schaffung Tausender Arbeitsplätze geht.
Beide Luftfahrt-Giganten beharken sich seit Jahren wegen staatlicher Hilfen. Die “New York Times” zitiert nun einen früheren Pentagonbeamten und derzeitigen Airbus-Berater mit den Worten, die Einschaltung von US-Diplomaten bei der Boeing-Vermarktung widerspreche dem amerikanischen Argument, dass Airbus wegen staatlicher Subventionen einen unfairen Wettbewerbsvorteil habe.
So schildert die Zeitung, dass 2006 ein Vertreter des US-Handelsministeriums König Abdullah einen Brief vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush überbracht habe. Bush habe darin den Wunsch nach dem Verkauf von bis 43 Boeing-Maschinen an Saudi-Arabien geäussert, der König daraufhin das Geschäft mit einer High-Tech-Ausrüstung für seinen Jet verknüpft. Das sei auch geschehen.
In einem anderen Fall habe Bangladeschs Regierungschef Landerechte auf dem New Yorker Kennedy-Flughafen zur Bedingung für einen Boeing-Deal gemacht. Die Türkei habe den Wunsch nach einem Platz für einen türkischen Astronauten bei einem künftigen NASA-Raumflug geäussert. Dem, so berichtet die Zeitung auf der Grundlage einer Depesche, sei zwar nicht entsprochen worden. Aber der damals involvierte US-Diplomat habe der Washingtoner Regierung andere Unterstützung für das türkische Raum- und Luftfahrtprogramm ans Herz gelegt. Turkish Airlines habe daraufhin 20 Boeing-Flugzeuge geordert./ch/DP/dc

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