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Ringen um Hilfe – Athens Anleihen auf Ramschniveau (Zus)

BERLIN (awp international) – Überschattet von einer weiteren Herabstufung der Kreditwürdigkeit geht das Ringen um die Milliarden-Finanzhilfe für das schwer angeschlagene Griechenland in die entscheidende Phase. Zusätzliche Besorgnis löste am Dienstag die Nachricht aus, dass auch das Euro-Land Portugal, das ebenfalls mit einem erheblichen Haushaltsdefizit zu kämpfen hat, erneut herabgestuft wurde.
Die Bundesregierung will am Mittwoch in einem Abstimmungsgespräch das weitere Vorgehen in der Griechenland-Krise beraten. Zudem sind der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss- Kahn, sowie der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean- Claude Trichet, zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) in Berlin.
S&P SENKT GRIECHENLAND-RATING AUF RAMSCHNIVEAU
Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) senkte am Dienstag ihr Rating für griechische Staatsanleihen auf das Ramschniveau “BB+”. Der Schuldenstand des Landes im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte von 124 Prozent im Jahr 2010 auf 131 Prozent im Jahr 2011 steigen, hiess es bei der Agentur. Die Agentur stufte auch die Kreditwürdigkeit Portugals auf “A-“herab. Nach Darstellung von Börsianern setzten die Sorgen um die Zahlungskraft Griechenlands uns Portugals den Dax am Dienstag erheblich unter Druck.
Damit wurde erneut die Befürchtung geschürt, dass nach Griechenland ein weiteres Euro-Land die Stabilität der Einheitswährung ins Wanken bringen könnte. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) warnte jedoch davor, die erneute Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals überzubewerten. Auf den Euro wirkte sich das Ringen um die Griechenlandhilfe bisher indessen nicht so negativ aus wie befürchtet. Der Kurs des Euro pendelte sich am Dienstag zunächst unter der Marke von 1,34 US-Dollar ein.
PAPANDREOU RUFT LANDSLEUTE ZUM ZUSAMMENHALT AUF
Das Finanzministerium in Berlin arbeitet mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf für die deutsche Beteiligung an den geplanten Milliarden-Hilfen. Am Wochenende will der IWF seine Gespräche über ein dreijähriges hartes Sparprogramm Griechenlands abschliessen. Danach bewerten EZB und EU-Kommission die Ergebnisse der IWF-Mission. Es ist zu erwarten, dass Strauss-Kahn in Berlin über den Stand der Mission berichtet. An den Gesprächen von Schäuble mit dem IWF-Chef und Trichet sollen jeweils auch die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen teilnehmen.
In einer emotionalen Rede rief Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou seine Landsleute zum Zusammenhalt auf. “Griechenland geht durch eine der schwierigsten Phasen seiner Geschichte.” Die spanische EU-Ratspräsidentschaft schlug einen Sondergipfel der Eurozone zur Griechenlandhilfe für den 10. Mai vor.
REHN: VERHANDLUNGEN ÜBER RETTUNGSPAKET SOLLEN BIS ANFANG MAI ABGESCHLOSSEN SEIN
Nach Angaben von EU-Währungskommissar Olli Rehn sollen die Verhandlungen in Athen über das Rettungspaket Anfang Mai abgeschlossen werden. Die Euro-Länder wollen im ersten Jahr bis zu 30 Milliarden Euro Kredite geben – davon soll Deutschland 8,4 Milliarden Euro übernehmen. Der IWF soll bis zu 15 Milliarden beisteuern. Athen braucht bis spätestens 19. Mai an die neun Milliarden Euro, um Anleihen zu bedienen.
Nach der offiziellen Kabinettssitzung in Berlin soll es am Mittwoch den Informationen aus Regierungskreisen zufolge ein Treffen unter Leitung Merkels geben. Teilnehmer des Gesprächs seien unter anderem Aussenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle, Schäuble und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die Bundesregierung steht bei ihren Entscheidungen unter dem Eindruck, dass eine Mehrheit der Deutschen eine finanzielle Unterstützung Griechenlands ablehnt.
sCHÄUBLE GEGEN BETEILIGUNG VON GLÄUBIGERN AM HILFSPAKET – KEINE UMSCHULDUNG
Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach schlug eine internationale Gläubigerkonferenz zur Bewältigung der griechischen Finanzprobleme unter Einschluss der Finanzbranche vor. So könnten auch die Gläubigerbanken mit an den Tisch gebracht werden, um auf der Basis von Umschuldungen, Laufzeitverlängerungen und Forderungsverzichte ein langfristig tragfähiges Konzept zu erarbeiten.
Schäuble wandte sich im “Handelsblatt” (Mittwoch) gegen anhaltende Forderungen aus allen Bundestagsfraktionen, Banken und andere Gläubiger am Hilfspaket für Griechenland zu beteiligen. Von Umschuldung rede niemand in der Regierung. “Es muss uns jetzt darum gehen, das Hilfspaket, das wir am 11. April in der Eurogruppe formuliert haben, zu konkretisieren und umzusetzen und damit ein klares Signal zu senden, dass wir Griechenland nicht fallen lassen.”
rm/DP/he

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