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SNB lässt Geldschleusen weit offen – Zinswende wieder weiter weg? (Zus)

Zürich (awp) – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt ihre Politik des billigen Geldes fort. Vor dem Hintergrund der Franken-Stärke und der nachlassenden Wachstumsdynamik peilt sie für den Dreimonats-Frankenlibor unverändert einen rekordtiefen Wert von 0,25% an. Dieses Ziel gilt nun bereits seit März letzten Jahres.
Ihre Prognose für das reale Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr hat die SNB angehoben, die Inflationsprognosen indes zum Teil deutlich gesenkt, wie sie am Donnerstag mitteilte.
Nach dem Höhenflug in der letzten Zeit hat der Franken auf den Zinsentscheid mit einem deutlichen Wertverlust reagiert. Die deutlich tieferen Teuerungsprojektionen der Nationalbank würden darauf hindeuten, dass die Tage der rekordtiefen Zinsen in der Schweiz nicht so schnell wie erwartet gezählt sind, hiess es zur Begründung.
MASSIV TIEFERE ZINSPROGNOSE
Die Inflationsprognose der Nationalbank liegt über den gesamten Prognosezeitraum zum Teil deutlich tiefer als noch im Juni. Es sei dabei nicht auszuschliessen, dass die Teuerung Anfang 2011 gar vorübergehend leicht negativ sein werde. Die Gründe dafür lägen in der Aufwertung des Frankens, beziehungsweise den billigeren Importen und der abnehmenden Dynamik der Weltkonjunktur. Auch der nachlassende Basiseffekt aufgrund der Ölpreisentwicklung spiele eine Rolle.
Konkret liegt die Prognose für die Jahresteuerung im laufenden Jahr neu bei 0,7%, nach zuletzt 0,9%. Für das Jahr 2011 geht die SNB bei unveränderter Geldpolitik von einer Teuerung in der Höhe von +0,3% (bisher +1,0%) aus. Für 2012 schätzt die SNB eine Inflation von 1,2%, nach einer Juni-Schätzung von 2,2%. Damit ist die SNB-Prognose wieder über den ganzen Prognosehorizont hinweg unter die Marke gefallen, bis welcher die Nationalbank die Preisstabilität als gewahrt sieht.
Entsprechend zeigte sich die Nationalbank mit Blick auf eine allfällige Zinswende zurückhaltender als noch im Juni. Die expansive Geldpolitik sei gemäss Inflationsprognose derzeit angemessen, berge aber langfristig Risiken für die Preisstabilität, hiess es am Donnerstag. Im Juni noch hatten die Wahrungshüter betont, dass die aktuelle Politik nicht über den gesamten Prognosehorizont bis 2012 weitergeführt werden könne, ohne die mittel- und langfristige Preisstabilität zu gefährden.
HÖHERE WACHSTUMSPROGNOSE AUS TECHNISCHEN GRÜNDEN
Die SNB geht davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft dieses Jahr um 2,5% wächst. Bei ihrer letzten Lagebeurteilung im Juni hatte sie ein Wachstum von rund 2% vorhergesagt. Die höhere Wachstumsprognose ergibt sich allerdings nicht aufgrund einer Neueinschätzung der Konjunkturaussichten durch die SNB, sondern ist vor allem der Revision des bisherigen BIP-Verlaufs geschuldet.
Denn in der zweiten Jahreshälfte 2010 und zu Beginn des nächsten Jahres erwartet die Nationalbank aufgrund der starken Frankenaufwertung und der abnehmenden Dynamik der Weltkonjunktur “eine deutliche Abschwächung” des realen BIP-Wachstums hierzulande.
Die wirtschaftliche Erholung sei noch nicht nachhaltig, die Risiken seien vor allem nach unten gerichtet, hiess es weiter. Sorgen bereitet der Nationalbank aber nicht nur die abnehmende Dynamik der Weltkonjunktur, sondern auch die starke Franken-Aufwertung. Erwartungsgemäss machte sie aber keine Angaben zu allfälligen Interventionen auf dem Devisenmarkt.
Bei Deflationsgefahr, die sich aus der Franken-Aufwertung ergeben könnte, will sie “die notwendigen Massnahmen” ergreifen, um die Preisstabilität zu gewährleisten, erging die schon fast gewohnte Warnung an die Märkte.
LEICHTE ENTSCHLEUNIGUNG DER HYPOTHEKARKREDITE
Etwas moderater fielen die Töne der SNB diesmal auch gegenüber den heimischen Banken aus. Das Wachstum von Hypothekarkrediten und Immobilienpreisen habe sich im Vergleich zu Ende 2009 leicht entschleunigt, stellten die Währungshüter fest. Allerdings würden die Entwicklungen im Hypothekarmarkt weiterhin die volle Aufmerksamkeit der Nationalbank erfordern, hielt die SNB fest.
Zuletzt hatte die SNB im Juni an die Grossbanken bezüglich deren Grösse und Stabilität und an die Finanzinstitute allgemein mit Blick auf die zu laxe Kreditvergabe für Hypotheken eine Warnung adressiert.
Die Ökonomen zeigten sich vom Zinsentscheid der SNB an sich in der Mehrheit nicht überrascht, hätten allerdings die starke Senkung der Inflationsprognose so eher nicht erwartet. Die Experten gehen somit davon aus, dass die Niedrigzinspolitik noch länger andauern wird als bislang erwartet.
ra/uh

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