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Staumauer als Riesenleinwand

Mettraux (Mitte) und seine Helfer arbeiten am Riesengemälde an der Grimselstaumauer. swissinfo.ch

Der Maler Pierre Mettraux malt zur Zeit das grösste Gemälde der Welt: An der Grimsel-Staumauer im Berner Oberland.

Das fertige Gemälde wird eine Fläche von 15’000 Quadratmetern bedecken und viele Kilometer weit zu sehen sein.

Sieben Maler beschäftigt der Burgdorfer Künstler Pierre Mettraux. Sie arbeiten an der Staumauer auf einer von Kabeln gehaltenen Plattform in rund 80 Metern Höhe.

Auf einem schmalen Holzladen können die Maler hin- und hergehen. Auch öffnet sich den Künstlern eine spektakuläre Sicht hoch zum Grimsel Pass.

Das ist kein Job für Weicheier: Die Mitglieder der Crew mussten sich psychologischen Tests unterziehen, schwindelfrei sein und Überlebenstechniken erlernen, bevor sie auf die Plattform gelassen wurden.

Für Mettraux geht Sicherheit vor: “Du musst akzeptieren, dass diese Staumauer 120 Meter hoch ist und dass du bei einem Unfall das Leben verlieren wirst”, sagt er gegenüber swissinfo.

“Die Arbeit am Gemälde ist sehr ermüdend, und manch einer kriegt da Platzangst, denn die Maler müssen ständig an eine endlos riesige Mauer schauen.”

Alle vier Stunden werden die Maler abgelöst. Dann wird das Gestell hochgezogen, und eine neue Mannschaft geht an die Arbeit.

Gross ist besser

Mettraux, ehemaliger Schuhdesigner für den Schweizer Schuhhersteller Bally, hat sich einen Namen gemacht mit grossen Kunstwerken.

Für die Landesaustellung Expo.02 hat er riesige Puppen geschaffen, die im Wasser des Murtensees auf und ab schaukelten (schwammen). Mettraux hat aber auch das grösste Osterei aller Zeiten geformt.

“Gross ist besser”, sagt er. “Denn es erlaubt Dir, Dinge zu schaffen, von denen die Leute sagen, dass sie unglaublich sind.” Dann hätten grosse Dinge auch noch einen weiteren Vorteil: “Du musst Dich nicht um so viele Einzelheiten kümmern.”

Eigentlich wollte der Künstler Traumsequenzen an den Staudamm im Räterichsboden malen. Doch haben die Behörden die Idee mit dem Einwand zurückgewiesen, dass so etwas nicht in die natürliche Umgebung passe und nicht mit den Naturschutzzielen vereinbar sei.

Dann kam Mettraux mit einer Idee, die mehr gefiel: “Mélisande”. Die Figur “Mélisande”, eine weibliche Wasserschönheit, stammt ursprünglich aus einer altflämischen Sage. Bekannt ist sie auch aus der Oper “Pelleas und Mélisande” von Claude Debussy.

Wallendes Haar

Das Gemälde, das in den Farbtönen grün und blau gehalten ist, stellt die vielen Gesichter der tragisch-schönen Wassergöttin mit dem langen, wallenden Haar dar.

“Das gibt dem Ganzen eine gewisse romantische Harmonie und erregt keinen Anstoss”, erläutert Mettraux.

Das Team malt nach einer kleinen Bildvorlage, die mit einem quadratischen Netz überzogen ist. Damit kann das Bild Teil für Teil auf den grossen Massstab an der Mauer übertragen werden. Ein Zentimeter auf dem Bild entspricht einem Meter in Wirklichkeit.

Mettraux skizziert die Vorgabe, und sein Team setzt sie auf der Mauer um.

“Sie müssen versuchen, sich vorzustellen, wie das Bild auf eine grosse Distanz auf den Betrachter wirkt”, sagt Mettraux.

Der Künstler musste übrigens zuerst Sponsoren finden, welche für die Reinigung der Staumauer aufkamen. Denn bevor die Wand bemalt werden konnte, musste sie zuerst für die geschätzten 10’000 Liter Farbe vorbereitet werden.

Spende

Das Projekt wird finanziell unterstützt von den Eignern des Staudammes, den KWO Grimselstrom mit Sitz in Innertkirchen.

Das Geld reicht gerade für Essen und Unterkunft der Crew. Dazu wird jedem ein kleines Taschengeld ausgerichtet.

“Staumauern sind eher graue Mäuse und unpopulär, aber wenn da ein Künstler kommt und sie in ein Kunstwerk verwandelt, dann werden sie interessant”, sagt Ernst Baumberger, Chef der KWO Grimselstrom.

Mettraux will bis zum Einruch des Winters an seinem Kunstwerk arbeiten. Die “Malarbeiten” sollen im April 2005 fertig sein. Sämtliche Arbeiten am Gemälde werden im kommenden Sommer abgeschlossen.

Das Werk soll anschliessend als grösstes Gemälde der Welt Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde finden. Doch hofft der Künstler vor allem, dass es zur neuen Attraktion für die Grimsel-Region wird.

“Paris hat den Eiffelturm, Zermatt das Matterhorn und die Berner Alpen nun bald Mélisande”, schmunzelt Mettraux.

swissinfo, Julie Hunt, Grimselpass
(Aus dem Englischen übertragen von Urs Maurer)

700 Mio. Kubikmeter Regen fallen jährlich im Einzugsgebiet des Grimsel-Stausees. Mit dem gestauten Wasser kann Strom für 1 Mio. Menschen produziert werden.
Die Besitzerin, die KWO Grimselstrom, unterstützt das Gemälde von Mettraux, um vermehrt Besucher in das Gebiet zu locken.
Es soll einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde erhalten.

Ein ehemaliger Schuhdesigner arbeitet zur Zeit am weltgrössten Gemälde.

Das Werk zeigt eine Frauenfigur mit wallendem Haar.

Am Gemälde an der Grimselstaumauer dominieren blaue und grüne Farbtöne.

Ein Team von sieben Malern arbeitet daran.

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