Neue Sitzverteilung im Auslandschweizer-Rat schafft Probleme

Auf jede neue Legislaturperiode hin wird die Sitzverteilung im Auslandschweizer-Rat, dem «Parlament der Fünften Schweiz», neu festgelegt. Die Legislaturperiode 2025-2029 bildet da keine Ausnahme. Bei den Vertretenden der Länder, die einen Sitz verlieren, herrscht Unmut.
Während die WahlenExterner Link in den Auslandschweizer-Rat (ASR) auf Hochtouren laufen, sind mehrere Delegierte mit der neuen Sitzverteilung unzufrieden. Da sie zahlenmässig an Auslandschweizer:innen oder an Schweizervereinen verloren haben, bedeutet die neue Legislatur für die Vertreter dieser Länder die Eingliederung in einen grösseren geografischen Raum. Dies hat zur Folge, dass einige ihren Sitz verlieren werden.
Dies gilt für Monaco, dessen Sitz zurzeit vakant ist, für Venezuela und für den Libanon, der bisher einen Wahlkreis im Verbund mit Syrien bildete.
«Das ist normal, so sind die Regeln», sagt Pierino Lardi. Der bald 80-jährige Delegierte für Venezuela im Auslandschweizer-Rat tritt nicht mehr an. Ganz anders äussert sich sein Kollege Reto Derungs, Delegierter für die Dominikanische Republik: «Wir haben mit Venezuela nichts gemeinsam. Diese Fusion macht keinen Sinn.»
Unlogische Aufteilung
In der Legislaturperiode 2021-2025 hatte Venezuela einen Sitz im ASR, ebenso die Dominikanische Republik. Beide Länder befinden sich nun im Wahlkreis «Südamerika und Karibik», der die meisten Inseln im Karibischen Meer sowie Venezuela umfasst.

Laut Reto Derungs wäre es viel logischer gewesen, einen Wahlkreis mit Venezuela und Kolumbien zu schaffen – die anderen Länder des südamerikanischen Kontinents haben je einen bis drei Sitze – und die Karibik beizubehalten. «Zudem sind genügend Schweizer im Konsulat eingeschrieben, so dass wir von einem Sitz profitieren könnten.»
Die ASO begründet den Wechsel mit der sinkenden Zahl von Schweizer:innen in Venezuela und der Tatsache, dass es in der Dominikanischen Republik nur zwei Clubs mit wenigen Mitgliedern gibt. «Ich weiss nicht, wie die ASO zu diesem Schluss kommt», sagt Reto Derungs, «es gab keine Veränderungen in den Clubs.»
Für Ariane Rustichelli, die bis Mitte April Direktorin der ASO war und den Prozess begleitete, hat die neue Verteilung «zwar zur Folge, dass alle diese Länder einen Sitz verlieren, aber sie öffnet die Wahl für eine grössere Zahl von Ländern, die sonst mangels Schweizer:innen oder Clubs keine Möglichkeit hätten, einen Delegierten zu wählen».
Diese Argumentation überzeuge Reto Derungs nicht.
Zwei Gewählte für dasselbe Gebiet

«Seit Jahren habe ich einen Nachfolger gesucht, jetzt haben wir ihn gefunden», freut sich Pierino Lardi in Venezuela. Das Land hielt im Februar Wahlen für den Auslandschweizer-Rat ab und teilte dann der ASO den Namen des neuen Delegierten mit.
Wenige Wochen später informierte auch die Dominikanische Republik die ASO über ihre Wahl einer neuen Person – Derungs trat aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an. «Und die ASO antwortete uns, dass für Venezuela bereits jemand gewählt sei, obwohl dort nur etwas mehr als 800 Schweizer leben», ärgert er sich.
Rustichelli räumt ein, dass die ASO einen «Fauxpas» begangen habe, weil sie nicht verstanden habe, dass die Wahl nur in Venezuela stattfand und nicht in der ganzen Region koordiniert wurde. «Man hätte die Wahlen gemeinsam organisieren müssen», erklärt sie.
Kein Handlungsspielraum
Die ASO fordert nun Venezuela und die Dominikanische Republik auf, sich auf einen Delegierten und einen Stellvertreter zu einigen.
Die beiden gewählten Delegierten haben vereinbart, sich vor der konstituierenden Sitzung des Auslandschweizerrats im August zu treffen und vor Ort über die Rollenverteilung zu entscheiden. Die ASO ist mit diesem Vorgehen nicht einverstanden und fordert die beiden Länder auf, ihr die Namen des Delegierten und seines Stellvertreters mitzuteilen.
Von Libanon bis Bangladesch

Zwei weitere Länder sind von der Zusammenlegung der Wahlbezirke betroffen: Libanon und Syrien. Sie gehörten bisher zur Zone Zentral-, West- und Südasien, die sich vom Libanon im Westen bis nach Bangladesch im Osten erstreckt.
«Die Schweizer, die in der arabischen Welt leben, sind oft Geschäftsleute, in Asien dagegen sind es eher Rentner. Ihre Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich», erklärt Hermes Murrat, Delegierter des ASR für den Libanon und Syrien. Der Libanon-Schweizer fragt sich, ob es überhaupt möglich ist, so grosse Gebiete abzudecken.
«Ich verstehe», sagt Rustichelli, «aber ich bin trotzdem erstaunt, dass diese Delegierten jetzt zu entdecken scheinen, was der Rat bereits im Juli 2024 beschlossen hat. Ausserdem wird die Einteilung der Wahlkreise in jeder neuen Legislaturperiode überprüft, es gibt also nichts Neues.»
Ein riesiges Gebiet
Für Rolf Blaser, den derzeitigen Delegierten für die Region, die den Libanon und Syrien aufnehmen wird, haben die Länder der Region so unterschiedliche Bedürfnisse, dass es für eine einzelne Person schwierig ist, sie zu vertreten. «Ich verstehe, dass eine gerechte Verteilung schwierig ist, aber je weiter man von der Schweiz entfernt ist, desto grösser werden die Probleme», sagt Blaser.

«Was kann ich tun, wenn mich morgen ein Schweizer oder eine Schweizerin aus Sri Lanka anruft, ausser ihm oder ihr zu sagen, dass er oder sie das Konsulat kontaktieren soll? Und was ist dann meine Rolle, wenn nicht die eines Transmissionsriemens?», fragt Hermes Murrat.
Blaser findet es schade, dass das Gebiet, das bereits 24 Länder umfasst, noch vergrössert wird: «Das macht die Arbeit der Delegierten nicht einfacher.»
Nicht alles ist verloren
Bei den Wahlen in den ASR bleiben einige Sitze unbesetzt. In diesem Fall kann der ASO-Vorstand vorschlagen, diese Sitze an die Stellvertreter:innen der Gewählten zu vergeben. Auf diese Weise kann ein Land, das einen Sitz verloren hat, doch noch im Rat vertreten sein.
Der Auslandschweizer-Rat wählt dieses Jahr alle seine 140 Mitglieder neu. Die Wahlen dauern bis Juni 2025.
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung ins Deutsche mithilfe von Deepl: Balz Rigendinger

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch