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Swisscom/Orange prüft Klage bei der ComCom wegen Terminierungsgebühren (AF)

(Ergänzt um Stellungnahme von Swisscom und Sunrise sowie Hintergrund)
Zürich/Renens (awp) – Der Telekomanbieter Orange prüft eine Klage gegen den Marktführer Swisscom. Stein des Anstosses sind die mobilen Terminierungsgebühren, die sich die Firmen gegenseitig für die Durchleitung von Anrufen berechnen. Swisscom weigere sich, die Gebühren angemessen zu senken, teilte Orange am Dienstag mit. Eine Klage gegen die Swisscom bei der Eidg. Kommunikationskommission (ComCom) werde deshalb geprüft.
Die Swisscom erklärte auf Anfrage von AWP, schon 2009 sowie nach der gescheiterten Fusion von Orange mit Sunrise die Inititiative ergriffen zu haben, um die Mobilterminierungsgebühren weiter zu reduzieren. Das Unternehmen führe “seit Monaten intensive Verhandlungen mit Schweizer Festnetz- und Mobilfunkanbietern”, so Mediensprecher Sepp Huber. Vielmehr sei Orange nicht bereit gewesen, auf die von Swisscom geforderte Höhe der Senkung für 2010 einzutreten.
Konkret sind sich die Telekomanbieter bei der Frage der Asymetrie der Gebühren uneinig. Orange und Sunrise erhalten derzeit 17 Rappen pro Minute, während es bei Swisscom 14 Rappen pro Minute sind, ein Unterschied von 21%. Während die Swisscom die Differenz auf unter 20% senken möchte, will Orange einen Unterschied von drei Rappen beibehalten.
Beide führen dafür Argumente an: Die Swisscom bezieht sich auf die Tendenz in anderen europäischen Ländern, die Unterschiede zwischen den Anbietern sukzessive zu reduzieren. Es gebe einzelne Länder, wo die Gebühren schon heute symmetrisch seien. Swisscom habe seit Jahren die niedrigsten Terminierungsgebühren der Schweizer Mobilfunkanbieter und leiste Nettozahlungen an die Mitbewerber Sunrise und Orange in Höhe eines jährlich zweistelligen Millionenbetrags.
Orange-Sprecherin Therese Wenger wiederum betont, dass die Terminierung höhere Kosten verursache als bei der Swisscom und verweist auf die unterschiedlichen Marktanteile. Aufgrund der hohen Marktanteile von Swisscom im Festnetz und Mobilfunk erhalte der Blaue Riese mobile Terminierungsgebühren für über 1,8 Mrd terminierter Gesprächminuten, rechnet Orange vor. Dies sei rund drei mal mehr als im eigenen Fall.
Der alternative Anbieter habe eine markante Senkung der eigenen Terminierungsgebühren im zweistelligen Prozentbereich per 1. Januar 2011 vorgeschlagen und verlange, dass die Swisscom ihre Terminierungsgebühren ebenfalls auf ein angemessenes Niveau senke, so Orange weiter.
Das Unternehmen sieht sich durch ein Expertengutachten im Auftrag des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) aus dem Jahr 2009 gestützt. Darin habe das BAKOM gar eine noch erheblich höhere Asymetrie als gerechtfertigt berechnet. Die Behörde habe die Annahme zugrunde gelegt, dass die eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) die Mobilterminierungspreise basierend auf einem bei der ComCom eingereichten Gesuch festlegen würde.
Sunrise setzt unterdessen weiter auf den Verhandlungsweg. Damit könne am einfachsten eine Einigung erzielt werden, erklärte Sprecherin Natasja Sommer. Gespräche seien im Gang und die vorliegenden Angebote von Swisscom und Orange könnten durchaus “auf einen Nenner gebracht werden”. Sunrise werde alles daran setzen, baldmöglichst eine Einigung zu erzielen. Die Argumentation von Orange sei dabei nachvollziehbar und die Asymetrie solle auch in Zukunft berücksichtigt werden.
Anders als beim Festnetz sind die Terminierungsgebühren beim Mobilfunk bisher nicht reguliert. ComCom-Chef Marc Furrer hatte im Mai erklärt, dass bei einer Halbierung der Mobilterminierungsgebühren bis zu 20% tiefere Preise für Endkunden möglich wären. Bisher ist nur eine Klage der Anbieterin VTX vor der ComCom hängig, die die Senkung von Durchleitungsgebühren verlangt.
Auch das Bundesgericht muss sich noch mit der Frage der Mobilterminierung beschäftigen, nachdem Wettbewerbskommission (Weko) und Swisscom im März gegen einen Entscheid der Vorinstanz rekurriert hatten.
Handygespräche sind in der Schweiz immer noch massiv teurer als im europäischen Ausland. Durchschnittlich zahlte ein Kunde mit mittlerem Nutzungsbedarf 2009 hierzulande monatlich 30,62 EUR und damit deutlich mehr als in der EU mit 17,09 EUR, wie das BAKOM im Juli bekanntgab. Mobilterminierungsgebühren gelten als ein Grund für diese Preisdifferenz.
cc/ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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