TAGESÜBERSICHT WIRTSCHAFT
Bern (awp/sda) – Freitag, 30. Oktober
BEDEUTEND: Die Pharmaindustrie steht wie ein Fels in der Brandung: Als einzige wichtige exportorientierte Branche weist sie auch in der aktuellen Rezession ein Wachstum auf. Zudem ist sie gemäss einer neuen Studie dreimal produktiver als die Gesamtwirtschaft. Die Pharmaindustrie konnte ihre Produktivität pro Arbeitsstunde zwischen 1995 und 2008 von 106 auf 215 Fr. erhöhen. Dagegen stieg die Produktivität der Gesamtwirtschaft nur von 53 auf 67 Franken. Die Stundenproduktivität der Versicherungen betrug letztes Jahr 158 Franken, jene der Banken 155 Franken. Dies geht aus einer vom Branchenverband Interpharma vorgestellten Studie hervor. Anders als in andern Branchen war die Produktivitätssteigerung in Pharma nicht mit einem Stellenabbau verbunden.
WACHSTUM: Die Schweizer Konjunktur hat im Oktober weiter an Fahrt gewonnen. Das Konjunkturbarometer des ETH-Forschungsinstituts KOF verbesserte sich im Vergleich zum September um 0,68 Punkte und liegt nun bei 1,45 Punkten. Dies entspreche etwa dem Stand von März 2008, also einem Zeitpunkt vor dem Beginn der globalen Rezession, teilten die Zürcher Konjunkturforscher mit. Dies stütze die Erwartung, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) im Vorjahresvergleich wieder wachse. Im September hatte sich das KOF-Konjunkturbarometer mit 0,77 Punkten (revidiert) nach Monaten im Minus wieder in den positiven Bereich gedreht.
LOHNUMFRAGE: Arbeitnehmer in der Schweiz können sich nächstes Jahr trotz steigenden Löhnen kaum mehr leisten. Zwar steigen die Gehälter laut der UBS-Lohnumfrage um 0,8 Prozent. Den grössten Teil dieser Lohnerhöhung frisst aber die Teuerung weg. Die UBS-Ökonomen rechnen mit einer Teuerung von 0,7 Prozent. Das frisst die erwartete durchschnittliche Erhöhung der Nominallöhne praktisch weg, und dem Lohnempfänger bleiben real gerade mal 0,1 Prozent mehr, wie die Umfrage der UBS bei 250 Arbeitgebern zeigt. Besser sieht es im laufenden Jahr aus: 2009 stiegen die Gehälter nominal noch um 2,2 Prozent. Weil die Preise im Jahresdurchschnitt schätzungsweise um 0,4 Prozent zurückgehen, beträgt die Reallohnsteigerung gar 2,6 Prozent.
RÜCKKEHR: In der Schweiz findet eine Mehrheit der ausgesteuerten Personen innert fünf Jahren wieder eine Stelle, und zwar meist bereits im ersten Jahr. Nach fünf Jahren suchen laut einer Studie noch 2 von 10 Ausgesteuerte einen Job, weitere 2 haben sich aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen. Die Chance, bereits im ersten Jahr nach der Aussteuerung eine Arbeit zu finden. Als ausgesteuert gilt, wer keine Taggelder von der Arbeitslosenversicherung (ALV) mehr beziehen kann. Junge laufen weniger Gefahr, ausgesteuert zu werden, als Personen über 30 Jahre. Risikogruppen sind zudem Leute mit wenig Schulbildung, Frauen, Alleinerziehende und Alleinlebende sowie Ausländerinnen und Ausländer.
ABBAU: Der TCS reagiert auf die Konkurrenz durch Internet und Telefon: Der Touring Club Schweiz (TCS) schliesst 24 Geschäftsstellen. Der Restrukturierung fallen 150 Arbeitsplätze zum Opfer. Für die Betroffenen gibt es einen Sozialplan. Kuoni übernimmt zehn Standorte. Das veränderte Konsumverhalten habe dazu geführt, dass TCS-Mitglieder immer weniger Dienstleistungen in den einzelnen Geschäftsstellen beziehen würden, begründete der TCS die Restrukturierung. Die Mitglieder träten heutzutage mehrheitlich über Telefon oder Internet mit dem TCS in Kontakt.
GEWINNRÜCKGANG: Der Bauchemie-Konzern Sika muss der Krise mit einem Gewinnrückgang von 22,6 Prozent Tribut zollen: Unter dem Strich verdiente das Unternehmen in den ersten neun Monaten knapp 200 Mio. Franken. Der Umsatz ging auch wegen ungünstiger Wechselkurse um 11,6 Prozent auf 3,13 Mrd. Fr. zurück. Der Betriebsgewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) fiel um 23,8 Prozent auf 299 Mio. Franken. Ohne Restrukturierungskosten läge der EBIT bei 322 Mio. Franken.
GEWINN: Die Handy-Software-Herstellerin Myriad hat im dritten Quartal 2009 auf operativer Ebene den Sprung in die schwarzen Zahlen geschafft, nachdem sie im Vorjahresquartal noch einen massiven Verlust verzeichnet hatte. Der Umsatz erhöhte sich von 8,2 Mio. auf 31,3 Mio. Dollar. Der Betriebsgewinn vor Abschreibungen, Amortisationen und Restrukturierungskosten (EBITDA) betrug 5,7 Mio. Dollar, nach einem Verlust von 1,2 Mio. Dollar in der Vorjahresperiode. Über neun Monate gesehen beträgt der pro-forma Umsatz knapp 94 Mio. Dollar. Die Myriad-Gruppe ist erst im April aus der Fusion der Dübendorfer Esmertec mit zwei französischen Firmen entstanden
EINHEITSAKTIE: Nach langem Werweissen ist nun bekannt, wann Arbonia Forster-Chef Edgar Oehler die Kontrollmehrheit beim kriselnden Bauausrüster und Industriezulieferer aufgeben wird: Über die Einführung der Einheitsaktie wird die Generalversammlung vom 16. April 2010 entscheiden. AFG-Patron Oehler hatte im April überraschend bekannt gegeben, dass er die Konzernleitung abgeben, die Einheitsaktie einführen und auf seine absolute Stimmenmehrheit verzichten wolle. Das Unternehmen steht wegen der schwierigen Geschäftslage unter grossem Druck, im Frühling musste AFG eine Kapitalerhöhung durchführen. Das erste Halbjahr 2009 schloss AFG mit einem Verlust von 23,3 Mio. Fr. ab.
CHEFWECHSEL: Der Haushaltgeräte-Hersteller V-Zug erhält mit Jürg Werner im kommenden Jahr einen neuen Chef. Der bisherige operative Chef, Werner Rellstab, soll in den Verwaltungsrat gewählt werden. Werner, der bisherige Departementsleiter Forschung und Entwicklung, wird zunächst ab 1. Januar 2010 als Chief Operating Officer (COO) tätig sein. Auf den 1. Juni 2010 wird er die Verantwortung von Rellstab übernehmen.
KREDITVERTRAG: Die Luzerner Komax-Gruppe und ein Bankenkonsortium unter der Führung der Credit Suisse haben einen Vertrag über Kreditlinien in der Höhe von 100 Mio. Fr. unterzeichnet. Die Kreditlinie schaffe die notwendige unternehmerische Flexibilität, sichere die Finanzierung der Geschäftstätigkeit und garantiere die weitere Umsetzung der Unternehmensstrategie, teilte Komax mit. Der Vertrag habe bis 31. Januar 2013 Gültigkeit. Komax hat im ersten Halbjahr 2009 einen Verlust von 11 Mio. Fr. verzeichnet und dieses Jahr Dutzende von Stellen abgebaut.
ANPASSUNG: Die verstärkte Ausrichtung auf das digitale Geschäft in den nächsten Jahren führt beim Zürcher Medienkonzern Ringier zu einer Anpassung der Konzernstruktur. Er schafft den neuen Konzernbereich «Ringier Digital». Mit der Einsetzung eines CEO Ringier Digital passe das Unternehmen seine Organisation an den neuen Geschäfts-Schwerpunkt an, teilte das Medienunternehmen mit. Ringier werde in den nächsten fünf Jahren im digitalen Geschäftsbereich stark wachsen.
INNOVATIV: Schweden hat bei der Abfallwiederverwertung die Nase vorn, die Schweiz ist dafür bei der Wärmedämmung Spitze. Diese Bilanz zieht Bundesrätin Doris Leuthard nach ihrer Teilnahme am «Swedish-Swiss Cleantech and Innovation Forum» in Stockholm. Für beide Länder sei die Innovationsforschung wichtig, was schliesslich zu mehr Arbeitsplätzen führe. Schweden wie auch die Schweiz hätten aber Schwierigkeiten, in technischen Berufen Arbeitskräfte zu rekrutieren. Ziel des Besuchs und den zahlreichen Gesprächen mit Ministern war der Austausch über Umwelt-Technologien.
ZEHN-JAHRES-HOCH: Die Arbeitslosigkeit ist in Europa auf dem Vormarsch. In den 16 Euro-Ländern erreichte die Arbeitslosenquote im September mit 9,7 (Vormonat: 9,6) Prozent den höchsten Stand seit Anfang 1999. In den 27 EU-Staaten wurde mit 9,2 (9,1) Prozent der höchste Wert seit Einführung der Statistik im Januar 2000 erreicht, wie Eurostat in Brüssel mitteilte. Seit der Eskalation der weltweiten Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 verloren 3,2 Millionen Menschen im Währungsgebiet ihren Job. In allen 27 EU-Ländern zusammen waren es mehr als fünf Millionen. Offiziell sind damit 15,3 Millionen Menschen im Euroraum und 22,1 Millionen in der EU ohne Arbeit.
AUFSCHWUNG: Japan wird nach Einschätzung der Zentralbank mindestens drei Jahre lang eine Phase fallender Preise bei zugleich moderatem Wirtschaftswachstum durchlaufen. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) dürfte im Fiskaljahr 2010/2011 (ab 1. April) um 1,2 Prozent zulegen. In diesem Jahr wurde ein Rückgang um 3,2 Prozent verzeichnet. Im folgenden Jahr dürfte sich das Wirtschaftswachstum angesichts einer moderaten Erholung der Weltwirtschaft um 2,1 Prozent beschleunigen, teilte die Bank of Japan (BoJ) in ihrem halbjährlichen Ausblick zur Wirtschafts- und Preisentwicklung mit.
QUARTALSVERLUST: Der angeschlagene Netzwerkausrüster Alcatel-Lucent rutscht wegen der Sparsamkeit seiner Kunden immer tiefer in die roten Zahlen. Unterm Strich stand für das dritte Quartal ein Verlust von 182 Mio. Euro nach einem Minus 40 Mio. Euro vor einem Jahr. Der Umsatz ging um 9 Prozent auf 3,687 Mrd. Euro ebenfalls zurück, wie das französisch-amerikanische Unternehmen mitteilte. Alcatel-Lucent schreibt seit zwölf Quartalen Verluste.
VERLUST: Der japanische Elektronikriese Sony hat wegen einer schwachen Handy-Nachfrage und Preissenkungen für seine Spielkonsole «Playstation 3» erneut einen Verlust verbucht. Im zweiten Quartal belief sich der operative Verlust auf 32,6 Mrd. Yen (rund 367,3 Mio. Franken) nach einem Gewinn im gleichen Vorjahreszeitraum von 11 Mrd. Yen, wie der Konzern am Freitag mitteilte. Sony steckt damit seit vier Quartalen in den roten Zahlen. Der Umsatz verringerte sich um 19,8 Prozent auf rund 1,7 Billionen Yen.
KONSUMFAUL: Rückschlag für die US-Wirtschaft: Nach dem Auslaufen der staatlichen Abwrackprämie für Autos schränkten die Konsumenten ihre Ausgaben im September zum ersten Mal seit fünf Monaten ein. Die sanken wie erwartet um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Handelsministerium bekanntgab. Das war der stärkste Rückgang seit Dezember. Experten führten dies auf das Ende der staatlichen Abwrackprämie zurück, die im August zum letzten Mal gewährt wurde. Sie hatte den privaten Konsum im August um 1,4 Prozent steigen lassen.
RIESENFLIEGER: Im Airbus-Werk Hamburg hat die französische Air France als erste europäische Fluggesellschaft ein Grossraumflugzeug A380 übernommen. Der erste Linienflug findet am 20. November statt. Die französische Airline ist die erste europäische Gesellschaft, die eine A380 in der Flotte hat, bislang wurde der Jumbo an Singapore Airlines, Emirates aus Dubai und Qantas aus Australien ausgeliefert. Air France will mit dem A380 jährlich 15 Mio. Euro sparen.
STEUERSÜNDER: Der amerikanische Spielwaren-Importeur Jeffrey Chernick muss drei Monate in Haft, weil er eine falsche Steuererklärung eingereicht hat. Dies entschied Richter James Cohn am Freitag in Fort Lauderdale im US-Bundesstaat Florida. Chernick hatte gegenüber den Steuerbehörden IRS verheimlicht, dass er Vermögen bei der Schweizer Grossbank UBS besass. Die grossangelegte Untersuchung der UBS durch die amerikanische Justiz brachte den IRS auf die Spur Chernicks und einiger anderer amerikanischer Steuerhinterzieher.