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ThyssenKrupp: Neue Stahlwerke bremsen Aufwärtstrend

ESSEN (awp international) – Die neuen Stahlwerke in Brasilien und den USA bremsen den Stahl- und Industriegüterkonzern ThyssenKrupp auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Hohe Anlaufverluste der 2010 in Betrieb genommen Fabriken liessen den Überschuss im ersten Geschäftsquartal um fast die Hälfte auf 101 Millionen Euro einbrechen, wie die im Dax notierte Gesellschaft am Freitag in Essen mitteilte. Trotzdem sieht sich der von der Wirtschaftskrise schwer belastete Konzern wieder in der Erfolgsspur, denn bis auf die neue Stahlsparte in Amerika schrieben alle anderen sieben Sparten operativ schwarze Zahlen. Zudem war das Vorjahresergebnis durch Geschäftsverkäufe positiv verzerrt.
ThyssenKrupp stehe erheblich besser da als vor einem Jahr, erklärte der neue Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Der Auftragseingang stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 20 Prozent auf 11,3 Milliarden Euro. Das ist der beste Wert seit zwei Jahren. Der Umsatz legte ebenfalls um mehr als 20 Prozent auf 11,4 Milliarden Euro zu. Die Gewinnmargen verbesserten sich in allen Geschäftsbereichen ausser beim Sorgenkind Amerika und in der Aufzugssparte.
VERSCHULDUNG KRÄFTIG GESTIEGEN
Besonders das europäische Stahlgeschäft boomt bei ThyssenKrupp. Das Unternehmen profitiert dabei von seiner Konzentration auf Auto- und Maschinenbau. Die schwache Nachfrage aus der Baubranche macht dem Ruhrkonzern daher nichts aus, auch die Schwächephase der Branche im zweiten Halbjahr 2010 spürte ThyssenKrupp kaum. Für die kommenden Monate ist die Branche trotz steigender Rohstoffpreise zuversichtlich.
Kräftig nach oben schnellte bei ThyssenKrupp aber die Verschuldung. Die Verbindlichkeiten beliefen sich Ende Dezember auf gut 5,8 Milliarden Euro, das sind 2 Milliarden mehr als noch Ende September. Das Unternehmen stellte dies als normale Entwicklung dar. So koste der Hochlauf der im vergangenen Jahr in Betrieb genommenen Werke in Brasilien und im US-Bundesstaat Alabama Geld. Zum anderen liege die höhere Verschuldung an der insgesamt gestiegenen Nachfrage, die einen Aufbau von Vorräten erfordere.
PROGNOSE BESTÄTIGT
Einige Experten sehen in den hohen Schulden dennoch das grösste Hindernis für die vom seit Ende Januar amtierenden Konzernchef erwarteten Veränderungen. Hiesinger machte daher auch deutlich, dass der Schuldenabbau “höchste Priorität” habe. Er kündigte weitere Sparmassnahmen an. Auch Verkäufe von Unternehmensteilen stünden weiter auf dem Plan. Zu seiner Strategie will sich der neue Chef erst in einigen Monaten äussern. Es wird erwartet, dass er die Bereiche abseits des zyklischen Stahlgeschäfts ausbauen will.
An seiner Prognose für das im September auslaufende Geschäftsjahr hielt der Vorstand fest. Der Umsatz soll von 42,6 Milliarden Euro im Vorjahr um 10 bis 15 Prozent wachsen. Der operative Gewinn (bereinigtes EBIT) soll von 1,2 auf 2 Milliarden Euro steigen. Dabei geht der Konzern inzwischen aber von höheren Verlusten in den neuen Stahlwerken aus. Diese dürften das Ergebnis im höheren dreistelligen Millionenbereich belasten, zuletzt hatte das Unternehmen einen Fehlbetrag im mittleren dreistelligen Bereich angekündigt.
Dies werde aber durch eine bessere Entwicklung in den übrigen Bereichen wettgemacht. Nach drei Monaten lag der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern noch mit 273 Millionen Euro leicht unter dem Vorjahreswert.
PROBLEME IN BRASILIEN
In den neuen Stahlfabriken summierte sich der operative Verlust zwischen Oktober rund Dezember bereits auf 378 Millionen Euro und war damit höher als erwartet. Probleme hat der Konzern in Brasilien unter anderem mit seiner Kokerei. Zudem gibt es Streit mit Anwohnern über Staubbelästigungen. Das könnte weitere Ausgaben für den Umweltschutz nach sich ziehen. Der Bau der Werke in Brasilien und im US-Bundesstaat Alabama hatte nach heftiger Kostensteigerung schliesslich fast 10 Milliarden Euro verschlungen./enl/zb

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