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Volkswagen übernimmt Kernteile von Karmann (Zus)

WOLFSBURG/OSNABRÜCK (awp international) – Volkswagen übernimmt nach einer langen Hängepartie Kernteile vom insolventen Autozulieferer Karmann. Europas grösster Autokonzern stellt damit eine Automobilfertigung am traditionsreichen Karmann-Standort in Osnabrück sicher. Eine neue Volkswagen-Tochtergesellschaft soll ab 2011 eine Fahrzeugproduktion aufnehmen und bis 2014 mehr als 1000 Arbeitsplätze aufbauen. Das teilten VW und die IG Metall am Freitag nach einer Sitzung des VW-Aufsichtsrats in Wolfsburg mit.
VW erwirbt von Karmann Maschinen, Anlagen und Grundstücke und will in Osnabrück ein neues Fahrzeug bauen. Dabei könnte es sich um ein Cabrio handeln. Die Karmann-Mitarbeiter verfügten über langjährige Erfahrung in der Produktion von Kleinserienmodellen, hiess es. Die neue Volkswagen-Osnabrück GmbH soll Werkzeugbau, Presswerk, Lackiererei, Montage und weitere Bereichen umfassen. Die Tochtergesellschaft soll in den kommenden Wochen gegründet werden.
Karmann war wegen der schweren Autokrise und ausbleibender Aufträge in Turbulenzen geraten und musste im April dieses Jahres Insolvenz anmelden. Ende 2007 hatte Karmann noch 7000 Beschäftigte weltweit, im Sommer dieses Jahres waren es noch 1500, derzeit sind es noch rund 800 Beschäftigte.
VW gehörte früher zu den grössten Kunden von Karmann. Spekulationen über einen Einstieg von VW in Osnabrück gab es schon lange. Eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen spielte Niedersachsens Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Christian Wulff (CDU). Er stammt aus Osnabrück und hat seinen Wahlkreis dort.
Über den Preis für den Kauf der Karmann-Teile wurde nichts bekannt. Dem Vernehmen nach bewegten sich aber beide Seiten aufeinander zu. Zuletzt hiess es, VW wolle für die Karmann-Teile rund 35 Millionen Euro zahlen, während die Gesellschafter rund 60 Millionen Euro forderten. Nach VW-Angaben sollen nun die abschliessenden Verhandlungen mit den Karmann-Gesellschaftern und dem Insolvenzverwalter geführt werden.
IG Metall-Bezirkschef Hartmut Meine sagte, die Gewerkschaft habe eine Grundlagenvereinbarung mit VW abgeschlossen. Kurzfristig würden bereits im nächsten Jahr 200 Spezialisten benötigt. Meine hob die Beschäftigungschancen für die früheren Karmann-Mitarbeiter hervor, die derzeit in einer Transfergesellschaft arbeiten. Alle Auszubildenden von Karmann werden laut IG Metall in die neue Gesellschaft übernommen.
“Es waren sehr harte Verhandlungen, in denen wir aber letztlich einen Teilerfolg, mit Licht und Schatten, erzielen konnten: Osnabrück bleibt dank des Engagements von Volkswagen Automobilstandort und bietet Beschäftigungsperspektiven für die Menschen in der Region”, sagte Meine. Für viele Karmann-Beschäftigte komme die Entscheidung aber zu spät. Die Blockadehaltung der Gesellschafterfamilien habe eine frühere Einigung unmöglich gemacht.
Für den Karmann-Bereich Dachsysteme zeichne sich noch keine Lösung ab. Die IG Metall werde in den nächsten Tagen Gespräche mit einem der möglichen Investoren über ein Fortführungskonzept für diesen Bereich sprechen.
Niedersachsens Ministerpräsident Wulff zeigte sich erleichtert. Der Automobilstandort Osnabrück sei nach jahrelangen Bemühungen gerettet. “Die Automobilinnovationsschmiede in Osnabrück wird Entwicklung, Serienfertigung, Karossenfertigung und Komplettfahrzeugbau betreiben.” Damit werde den Beschäftigten eine neue Perspektive gegeben. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sagte: “Es ist gut, dass es für Osnabrück wieder eine Perspektive für den Automobilbau und damit für Beschäftigung gibt.”
Karmann wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem mit dem “Karmann Ghia” bekannt – einem Coupé auf der Basis des VW Käfers. Auch die Cabrio-Versionen des Käfers und später des Golfs liefen von den Produktionsbändern des Osnabrücker Unternehmens./hoe/DP/tw

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