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Merkel: Wir haben in Europa kein Euro-Problem (AF)

SINGAPUR (awp international) – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in Singapur, einem der weltweit wichtigsten Finanzplätze, trotz Schuldenkrise um Vertrauen in den Euro geworben. In einer Rede vor dem wichtigsten wirtschaftspolitischen Forum des südostasiatischen Stadtstaats sagte sie am Donnerstag: “Wir haben kein Problem mit dem Euro als solchem. Der Euro ist eine stabile Währung, er ist im Vergleich zum US-Dollar stark. Aber wir haben ein Schuldenproblem.”
Ohne das vom Bankrott bedrohte Griechenland zu nennen, erklärte Merkel, verschuldete Staaten bekämen nur Finanzhilfe, wenn sie selbst hart sparten. Vor den mehreren hundert Vertretern aus Wirtschaft und Politik warb Merkel um Verständnis, dass Europa in seiner derzeit schwierigen Finanzlage und nach dem Rücktritt von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn eher nach einem eigenen Kandidaten strebe als einen Bewerber aus einem Schwellenland zu unterstützen. Sie bezeichnete die französische Finanzministerin Christine Lagarde als hoch qualifiziert für den Spitzenposten des Internationale Währungsfonds (IWF).
Merkel ist die erste Frau, die vor der Singapore Lecture” sprach. Zu den bisher 30 Rednern gehörten die Ex-Präsidenten der USA und Südafrikas, George Bush sen. und Nelson Mandela.
Singapurs Premierminister Lee Hsien Loong sagte, er hoffe, dass Europa die Schwierigkeiten überwinde und der Euro seine Rolle als wichtige Währung einnehmen könne – auch wenn er nicht den Stellenwert des US-Dollars habe. Merkel sagte: “Die Europäische Union und der Euro sind Deutschland ein Herzensanliegen.”
Experten von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF prüfen, ob Athen 2011 genug spart, um eine neue Kredittranche von zwölf Milliarden Euro aus dem Rettungsprogramm zu erhalten. Deutschland will, dass Hilfszahlungen zurückgehalten werden, wenn Griechenland die Sparzusagen nicht erfüllt. Eine Entscheidung wird in Kürze erwartet.
Bei ihrem Treffen mit Lee zum Auftakt ihres Besuches am Mittwoch trat Merkel offen für eine bessere Finanzmarktregulierung ein. Die globalen Finanzkrisen hätten gezeigt, dass Transparenz das wichtigste sei. “Lee fühlt sich verpflichtet, auch in Singapur eine gute Regulierung hinzubekommen”, sagte die Kanzlerin.
Der Premierminister entgegnete, der Finanzplatz Singapur habe hohe, faire und objektive Standards und spiele eine konstruktive Rolle im globalen System. So wolle er auch eine faire und objektive Debatte unter den Regulierungsbehörden weltweit. In Singapur herrsche Transparenz und gegen suspekte Transaktionen werde vorgegangen. In der EU wird allerdings befürchtet, dass immer mehr Schwarzgeld und grosse Vermögen nach Singapur fliessen.
Für die Kanzlerin ist Singapur ein “Schlüsselland” im asiatischen Raum. Das Wirtschaftswachstum betrug im vorigen Jahr 14,5 Prozent, in Deutschland 3,6 Prozent. 1200 deutsche Firmen sind in dem Stadtstaat ansässig, wo fünf Millionen Menschen leben. Als Bilanz ihres kurzen Besuchs sagte Merkel am Donnerstag, die Gespräche hätten die Beziehungen zwischen Deutschland und Singapur noch einmal gefestigt. Und: “Singapur ist als Ausgangspunkt für den gesamten Asean-Bereich von allergrösster Bedeutung, auch für den europäischen Raum.”
Merkel, die von einer grossen Wirtschaftsdelegation begleitet wurde, machte nach eigenen Angaben bei ihren Gesprächen auch die Menschenrechte zum Thema. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung in Singapur seit langem staatliche Repressionen wie die Einschränkung der Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit vor. Am Tag ihres Besuches musste ein 76-jähriger britischer Autor eine sechswöchige Gefängnisstrafe antreten, weil er in einem Buch die Anwendung der Todesstrafe in dem Land kritisiert hatte.
Besorgt äusserte sich Merkel über das Interesse Myanmars (Birmas) an der Präsidentschaft des Verbandes der südostasiatischen Staaten (Asean). Nach Wahlen im vergangenen November hatte dort eine zivile Regierung die über Jahrzehnte herrschende Militärjunta abgelöst. Allerdings ging die Partei der Junta als Sieger aus der Wahl hervor; zahlreiche Generäle und Vertraute des alten Regimes sind in Zivil weiter an der Macht. “Ich erwarte ein klares Bekenntnis Myanmars zu den Menschenrechten und zwar in Wort und Tat”, sagte Merkel./du/DP/edh

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