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Der Aussenblick: 2019 war auch eine Frauenwahl

Politologin Sarah Bütikofer schaut in die Kamera, im Hintergrund das Bundeshaus
Sarah Bütikofer Illustration: Helen James / swissinfo.ch

Die Wahlen 2019 brachten so viele Politikerinnen ins Schweizer Parlament wie noch nie. Zum Wahlerfolg der Kandidatinnen haben Parteien, Politikerinnen und auch die Wähler:innen beigetragen. Schub gab damals auch der nationale Frauenstreik.

Die Wahlen von 2019 stellten alle bisherigen Erfolge der Frauen in den Schatten.

Mit 84 gewählten Nationalrätinnen bei 200 Sitzen schafften so viele Kandidatinnen den Sprung in den Nationalrat wie nie zuvor. Im Vergleich zu 2015 nahm der Frauenanteil damit um zehn Prozentpunkte zu.

Mit einem Frauenanteil von 42% gehört der Nationalrat seither zu den Top-Ten der Parlamente EuropasExterner Link.

Im Ständerat beträgt der Frauenanteil seit 2019 26%. 12 Kantonsvertreterinnen wurden gewählt, in der Legislatur zuvor waren es sieben.

Wie kann dieser markante Anstieg des Frauenanteils zwischen nur zwei Wahlgängen erklärt werden? Es gibt mehrere Gründe, doch dazu später mehr. Zuerst ein wenig Hintergrund.

Späte Einführung des Frauenstimmrechts

Eine Vorreiterin in Sachen Frauenstimmrecht war die Schweiz nicht. Die Menschheit flog früher zum Mond als dass den Schweizerinnen das Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene zugesprochen wurde.

Erst 1971 war es soweit: Die zweite Volksabstimmung zur Einführung des Frauenstimmrechts erreichte an der Urne eine Zweidrittelsmehrheit.

Die erste nationale Abstimmung fand 1959 statt, damals wollte erst die Mehrheit der Genfer, Waadtländer und Neuenburger Männer ihren Frauen, Müttern und Töchtern das Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene gewähren.

Sobald es den Frauen gestattet war, sich für politische Ämter zur Verfügung zu stellen, kandidierten sie: Im Herbst 1971 wurden die ersten zwölf Politikerinnen ins Bundeshaus gewählt.

Die Frauenvertretung nahm stetig zu, allerdings in gemächlichem Tempo – eine Ausnahme waren die 1990er-Jahre, in denen die Frauenvertretung im Zuge des ersten Frauenstreiks und der Mobilisierung auf Grund der Nichtwahl von Christiane Brunner in den Bundesrat stark anstieg.

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Zwischen 1987 und 2007 konnten die Frauen ihre Vertretung im Nationalrat innerhalb von zwei Jahrzehnten verdoppeln. Bei den Wahlen 2011 ging der Frauenanteil im Nationalrat erstmals leicht zurück, 2015 nahm er gesamtschweizerisch wieder etwas zu und betrug 32% (blaue Linie).

Im Ständerat ging es zum einen langsamer und zum anderen mit grossen Schwankungen voran. Ab 2003 war der Frauenanteil im Ständerat bis 2015 rückläufig (orange Linie).

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Frauenstreik und Helvetia ruft!

Der deutliche Anstieg von 2019 kann mit der allgemeinen Stimmung in der Gesellschaft, aber auch anhand konkreter Begebenheiten erklärt werden.

Im Juni 2019, wenige Monate vor den Wahlen, fand der zweite nationale Frauenstreik statt.

Etwa eine halbe Million Personen nahm schweizweit daran teil und protestierte in vielen Schweizer Städten für mehr Gleichstellung. Die Thematik der Gleichstellung und Frauenpartizipation war dadurch in Medien und Öffentlichkeit sehr präsent.

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Zeitgleich haben die Parteien auch ihre Wahllisten und Nominationen definitiv zusammengestelt.

Bereits im Herbst 2018, ein Jahr vor den Wahlen, rief Alliance F, die Dachorganisation der Frauenverbände der Schweiz, die Kampagne Helvetia ruft! ins Leben. Diese Kampagne hat sich das Ziel auf die Fahne geschrieben, für eine ausgewogenere Geschlechterverteilung in Regierungen und Parlamenten zu sorgen.

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Zu diesem Zweck werden Frauen aufgerufen, sich für politische Ämter zur Verfügung zu stellen, und den Parteien wird nahegelegt, Kandidatinnen und Kandidaten zu gleichen Teilen zu nominieren.

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Parteien nominierten 2019 viel mehr Frauen

Es gibt aber auch ganz handfeste Faktoren, die zur Frauenwahl führten. 2019 wollten so viele Personen in den Nationalrat gewählt werden wie noch nie.

Insgesamt standen 4652 Namen auf den Wahllisten. Dieser bisherige Höchststand kommt auch einer überdurchschnittlichen Zunahme von Kandidierenden im Vergleich zu den Wahlen von 2015 gleich.

Für diese starke Zunahme waren hauptsächlich Frauen verantwortlich, denn in vielen Kantonen nahm die Zahl der Kandidatinnen stärker zu als jene der Kandidaten. Mit 1875 Kandidatinnen machten die Frauen gut 40% aller Kandidaturen aus.

2019 nominierten alle Parteien mehr Kandidatinnen als bei den Wahlen 2015. Aber die Parteien bemühten sich nicht nur um mehr Kandidatinnen. Sie vertrauten auch auf deren Wahlerfolg. Denn Kandidatinnen hatten 2019 im Durchschnitt bessere Listenplätze als bei früheren Wahlen.

Ein guter Listenplatz ist das A und O des Wahlerfolgs, er spiegelt aber auch die Popularität und Bekanntheit einer Kandidatur in einer Partei. Die Plätze an der Spitze von Wahllisten weisen die Parteien in der Regel zuerst den bisherigen Kandidierenden zu. Doch wenn es keine solchen hat, werden jene Kandidierenden an die Spitze gesetzt, denen am ehesten ein Wahlerfolg zugetraut wird.

Die Grünen gehörten zu den Wahlsiegerinnen

Der Wahlerfolg 2019 der Frauen hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass die eidgenössischen Wahlen 2019 eine deutliche Veränderung der parteipolitischen Kräfte zur Folge hatten. Die Wahlsiegerinnen waren 2019 die Grüne Partei und die Grünliberale Partei. In beiden Parteien gewannen mindestens gleich viele Frauen Sitze wie Männer.

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Es kandidierten in diesen Parteien auch besonders viele Frauen. Über alle Parteien betrachtet stellen die Grünen mit 55%  2019 am meisten Kandidatinnen auf. Bei der SP machten die Kandidiatinnen 51% aus, bei der GLP lag der Frauenanteil der Kandidaturen über 40%.

In vielen Parteien entspricht das Geschlechterverhältnis bei den Kandidierenden ungefähr dem Geschlechterverhältnis der Gewählten.

Gewinnen diejenigen Parteien, die besonders viele Kandidatinnen aufstellen, auch viele Sitze, so steigt der Frauenanteil gesamthaft an. Das war 2019 der Fall.

Bewusste Entscheidung für Kandidatinnen

Eine Analyse der Nachwahlbefragung Selects hat zudem gezeigt, dass die Kandidatinnen 2019 im Vergleich zu den vorherigen nationalen Wahlen auf mehr Unterstützung durch die Wählerschaft zählen konnten als bei früheren Wahlen.

Viele Wählende haben bewusst Kandidatinnen gewählt. Statistisch gesehen schafften 2019 Frauen die Wahl in die Bundesversammlung sogar mit einer leicht höheren Wahrscheinlichkeit als Männer.

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Und 2023?

Für die anstehenden Wahlen sind die definitiven Wahllisten noch nicht überall bekannt und man kennt den Frauenanteil auf den Listen noch nicht.

Doch die Parteipräsidien aller Bundeshausparteien gingen mit Helvetia ruft! Wetten ein, den Frauenanteil bei den Wahlen 2023 zu erhöhen oder zu haltenExterner Link.

Und dieser Tage findet mit dem feministischen Streik eine Neuauflage des Frauenstreiks statt, von dem sich die Organisatorinnen eine Ausstrahlung weit über die Schweiz hinaus erhoffen.

Wie viele Frauen aber letztendlich in der nächsten Legislaturperiode im Parlament sitzen, entscheiden im Herbst die Wählenden – jene in der Schweiz und jene im Ausland.

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Giger, Nathalie, Fabrizio Gilardi, Denise Traber und Sarah Bütikofer (2022). The surge in Women’s representation in the 2019 Swiss federal electionExterner LinkSwiss Political Science Review 28(2). Special Issue: The Swiss National Elections 2019.

Seitz, Werner (2020). Die Frauen bei den eidgenössischen Wahlen 2019: Ein grosser Schritt nach vorne – ins BundeshausExterner Link. Analyse im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen EKF. Bern.

Offizielle InformationenExterner Link

Editiert von Mark Livingston. 

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