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Ein Kulturtempel geht Schwimmen

Die schwimmende Bühne von Bregenz wurde in eine heruntergekommene Gegend der New Yorker West Side verwandelt. (Karl Forster, Bregenzer Festspiele) Karl Forster/bregenzerfestspiele.com

Als die Stadt Bregenz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Theater bauen wollte, sollte es etwas ganz Neues sein. Kurzum erstellte man eine Bühne auf zwei Kieskähnen im Bodensee. Die Idee der schwimmenden Bühne war geboren.

In den Wassern des Rheins, der in den Bodensee fliesst, sind seither diverse Bühnen gestanden und zahlreiche Produktionen gespielt worden. Der See sollte dabei immer zentraler Bestandteil der Aufführungen sein.

“Es ist ein Open-Air-Theater mit Bergen und Wasser rundum. Und die Kombination mit einer hochstehenden Produktion ist weltweit einmalig”, sagt Axel Renner, Pressechef der Bregenzer Festspiele.

Auf dem Programm steht dieses Jahr die “West Side Story”, die im wasserumfluteten New Yorker Stadtteil Manhattan spielt. Ein Stück wie geschaffen für die Seebühne.

“Es verlangt von den Schauspielern einen speziellen Effort, unter den Sternen auf einer Bühne zu spielen, die von Wasser umgeben ist”, meint Renner. “Es ist total anders, in einem Opernhaus zu spielen.”

In welchem Opernhaus erhält man schon einen wunderschönen Sonnenuntergang vor der Aufführung? Das Publikum scheint die Kombination von Natur und modernster Bühnentechnik zu mögen.

“Das macht natürlich den besonderen Charme der Aufführung aus. Das Stück passt sehr gut zu dieser Bühne”, meint etwa Christian Leu aus Zürich, einer der 7000 Zuschauer, die pro Vorstellung Platz finden.

Und Roswitha Konrad aus dem Deidesheim (Rheinland-Pfalz) ergänzt: “Wir waren dieses Jahr zum zweiten Mal in Bregenz. Wenn es uns letztes Jahr hier nicht so gut gefallen hätte, wären wir jetzt nicht hier.”

Dass das aufwändige Bühnendekor – inklusive 46 Meter hohem Wolkenkratzer und fahrbarem Backsteinhaus – an den 11. September 2001 erinnert, sei reiner Zufall, sagt Renner.

“Das Design des Bühnenbildes wurde sechs Monate vor dem 11. September fertiggestellt. Es gibt also in der Grundidee keine Korrelation zu dieser Tragödie.”

Die Seebühne ist heute rund 100 Meter breit und lässt den Blick frei auf den See. Gegen 150 Schauspielerinnen und Schauspieler nutzen praktisch jede Ecke, wenn sie sich als Vertreter zweier rivalisierender Strassengangs in der “West Side Story” bis aufs Blut bekämpfen. Im Hintergrund sind weitere 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.

“Für die Region sind die Festspiele heute ein wichtiger ökonomischer Faktor”, sagt Renner. Doch auch international seien die Festspiele von Bedeutung: “Wir ziehen ungefähr 200’000 Zuschauer pro Saison an.” Eine Saison, die wohlgemerkt nur kurze fünf Wochen dauert, vom 17. Juli bis zum 19. August.

swissinfo-Sonderkorrespondent Christian Raaflaub, Bregenz

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