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Russland wieder Eishockey-Weltmeister

Die alten und neuen Weltmeister lassen ihren Macher Slawa Bykow hochleben. Keystone

In einem hochklassigen Final hat Russland seinen WM-Titel mit einem knappen 2:1 gegen Kanada verteidigt. Slawa Bykow verlässt Bern nach 1990 zum zweiten Mal mit dem WM-Pokal: Damals als Weltmeistermacher auf dem Eis, jetzt als solcher an der Bande.

Die Kanader drückten im Schlussdrittel vehement auf den Ausgleich. Sie befanden sich grossmehrheitlich in der russischen Zone, hatten viele Schüsse und durch die ehemaligen NLA-Spieler Dany Heatley und Martin St. Louis auch erstklassige Ausgleichschancen.

Eineinhalb Minuten vor Schluss hätte Shane Doan um ein Haar solo auf seinen Klubkollegen in Phoenix, Ilya Brjsgalow, zustürmern können, konnte aber den Pass nicht annehmen.

Während der letzten Minute stürmten die “Ahornblätter” dann ohne Goalie und der Torschrei erstarb manchem Fan auf den Lippen, als Shea Webers Schuss nur im Aussennetz landete.

Hitchcock-Finale

Die Russen, deren Spieler auf der Bank sich schon lange umarmt hielten, überstanden aber auch diese letzte Angriffswelle und um 22.45 Uhr brachen in der PostFinance-Arena alle Dämme. Den Kanadier blieb trotz eines Schussverhältnisses von 38:17 nur Platz 2, wie schon im letzten Jahr.

Es waren aber die Kanadier, die das Skore im WM-Final eröffneten. Jason Spezza verwertete ein Zuspiel Dany Heatleys mit der gewohnten Kaltblütigkeit. Statt ihre guten Chancen zum 2:0 zu nutzen, mussten die Nordamerikaner aber wenige Minuten danach den Ausgleich hinnehmen.

Entscheidung durch Radulow

Beim Eishockey auf höchstem Niveau, auf dem das ewige Duell der Eishockey-Giganten auch in Bern stand, war klar, dass individuelle Fehler über den Ausgang des WM-Finals entscheiden.

Ein solcher geschah kurz nach Spielmitte: Die Kanadier verloren die Scheibe an der offensiven blauen Linie und die daraus resultierende Kontersituation schloss Alexander Radulow elegant ab. Mindestens so elegant war der Torjubel des Exzentrikers mit seinen giftgrünen Handschuhen, indem er die Schaufel seines Stockes in der Luft wie einen Propeller drehen liess.

Symbol Kowaltschuk

Überragend auf Seiten der Russen war einmal mehr Schwerarbeiter Ilya Kowaltschuk. Das Kraftpaket wurde von Slawa Bykow mit permanenten Doppeleinsätzen forciert und trieb seine Mitspieler unermüdlich an.

Der Mann mit der grossen Lücke in der unteren Zahnreihe blieb zwar ohne Skorerpunkt und konnte so Martin St. Louis in der Punktewertung nicht mehr einholen, dennoch war sein Einfluss auf das Team riesig.

Wer nicht wüsste, dass Kowaltschuk früher regelmässig durch egoistisches und unbeherrschtes Gehabe nicht nur die Gegner, sondern auch die Mitspieler und Trainer zur Weissglut getrieben hatte, könnte es nach diesem Turnier nicht glauben.

Bern als russische Enklave

Zufrieden mit dem Ausgang war auch die überwiegende Mehrheit der 11’454 Fans in der ausverkauften PostFinance-Arena. Das Heimstadion des SC Bern war fest in blau-weiss-roter Hand, nachdem auf das Endspiel noch einmal zahlreiche Fans aus dem Riesenreich eingeflogen waren. Die Sprechchöre “Rassija, Rassija” waren phasenweise ohrenbetäubend.

Wohl noch selten waren die Präferenzen ausserhalb von Russland so einseitig zu Gunsten der Russen verteilt und wohl noch selten mussten die “Ahornblätter” in der akkustischen Sympathiegunst derart klar mit Rang 2 vorlieb nehmen.

Baumeister Bykow

Verantwortlich für den Erfolg und der dem Team entgegenbrandenden Sympathiewelle ist Slawa Bykow. Für den genialen ehemaligen Spielmacher der “Sbornaja” schloss sich mit dem zweiten WM-Titel in Folge ein Kreis. Am Abend des 2. Mai 1990 hatte er den Pokal in Bern als Captain emporgestreckt.

19 Jahre und 8 Tage später durfte der kleine, grosse Mann dieses seltene Double als Trainer vollenden. Bykow hat es geschafft, aus einer Ansammlung verwöhnter Individualisten ein homogenes Team zu kreieren.

Kurze Zeit nach der WM 1990 sorgte der Weltmeister für eine der grössten Sensationen im Schweizer Eishockey: Zusammen mit seinem legendären Sturmpartner Andrej Chomutow wechselte Bykow in die Schweiz, wo das Duo fortan für Freiburg-Gottéron wirbelte.

Dem stets bescheidenen Weltklasse-Spieler Bykow gefiel es an der Saane so gut, dass er später Schweizer Staatsbürger wurde.

swissinfo.ch und Agenturen

Im sportlich gesehen unbedeutenden Spiel um Platz drei schlugen die Schweden die USA 3:2.

Damit holte das Drei-Kronen-Team in Bern die erste WM-Medaille seit 2006. Die Nordamerikaner dagegen bleiben seit 2004 ohne WM-Edelmetall.

Mattias Weinhandl, einer der wenigen Stars des Turniers, bereitete die ersten drei schwedischen Tore vor. Das 4:2 gelang Johnny Oduya erst in der letzten Sekunde ins leere US-Tor.

Die USA, das eigentliche Überraschungsteam der WM in der Schweiz, dominierten die Partie über weite Strecken. Aber die Spieler von Trainer Ron Wilson kassierten zu viele Strafen. Prompt kassierten sie alle vier Gegentore in Unterzahl.

1. Russland
2. Kanada
3. Schweden

4. USA. 5. Finnland. 6. Tschechien. 7. Lettland. 8. Weissrussland. 9. Schweiz. 10. Slowakei. 11. Norwegen. 12. Frankreich. 13. Dänemark. 14. Österreich (Absteiger). 15. Deutschland (als Gastgeber für WM 2010 gesetzt). 16. Ungarn (Absteiger).

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