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Was die Zugriffe auf SWI aus der Ukraine und Russland verraten

Eine Geflohene aus der Ukraine liest in einem Unterbringungszentrum in Warschau, Polen, Nachrichten. Copyright 2022 The Associated Press. All Rights Reserved

SWI swissinfo.ch spielt für viele Flüchtlinge aus der Ukraine offenbar eine wichtige Rolle. Das verraten die Zahlen, die besagen, wie unsere russischsprachige Seite genutzt wurde und woher die Zugriffe kommen.

“Die Daten sprechen selten so eine klare Sprache”, sagt David Schwelien, der bei SWI swissinfo.ch für die Analyse der Zugriffdaten zuständig ist. Er hat sich angeschaut, wie die russischsprachige Seite von SWI seit Jahresbeginn genutzt wurde – und dies spezifisch nach Ländern aufgeschlüsselt.

Schwelien fiel auf, wie sich die Zugriffe aus gewissen Ländern deutlich verschoben haben. “Am Anfang kamen mehrheitlich Nutzer:innen aus der Ukraine. Dann sah ich relativ schnell, dass die Nutzung abgewandert ist Richtung Schweiz, Polen und Deutschland.”

Ein plötzlicher Anstieg in Polen

Am 24. Februar begann Russland seinen Angriff auf die Ukraine, das war in Kalenderwoche 8. Die grossen Verschiebungen lassen sich am besten im Vergleich der beiden Wochen vor und nach diesem Ereignis ablesen.

  • In Kalenderwoche 9 verzeichnete SWI auf Russisch 166’000 Zugriffe, markant mehr als in Woche 7: Da waren es 64’000.

  • 52’000 kamen in Woche 9 aus der Ukraine, gegenüber 15’000 in Woche 7.

  • 37’000 aus Russland, gegenüber 23’000 in Woche 7.

  • 8000 aus Polen in Woche 9. In Woche 7 waren es erst 870 Zugriffe gewesen. Der Traffic stieg in diesem Land damit innert 14 Tagen um das Neunfache.

Externer Inhalt

Bereits in der Covid-Krise haben viele Medien, auch SWI swissinfo.ch, einen vermehrten Informationsbedarf registriert und phasenweise enorme und anhaltende Zuwächse an Webseiten-Besuchen (Visits) verzeichnet. Bei Russlands Krieg gegen die Ukraine ist dies nicht anders. Auch bei SWI swissinfo.ch liess sich das über alle zehn Sprachen feststellen, in denen die internationale Online-Plattform der SRG publiziert.

Darstellen lässt sich in der Detailbetrachtung nun aber auch, dass die russischsprachige Seite in dieser Zeit offenbar vorwiegend von Ukrainer:innen genutzt wurde, die sich zu Beginn in der Ukraine aufhielten, später zahlreich in Polen und Deutschland, schliesslich auch in der Schweiz.

Grosses Interesse am Schutzstatus S

Eine Hypothese dafür ist, dass Flüchtende sich über das Kriegsgeschehen einerseits informieren wollten, spezifisch aber auch über die Aufenthaltsmöglichkeiten in der Schweiz. Stützen lässt sich die Vermutung anhand der abgerufenen Inhalte. Die Hälfte des gesamten Traffics auf der russischsprachigen Seite von 2,25 Millionen Visits lag auf drei Artikeln, die den Schutzstatus S zum Inhalt hatten.

All diese Artikel verzeichneten auch Tage und Wochen nach Publikation noch konstant hohe Zugriffe. Das Datenanalyse-Tool “Parsely” verleiht solchen Artikeln das Label “Evergreen”. Von Kriegsbeginn bis Anfang Mai rangieren ein Erklärvideo zum Schutzstatus S und die oben erwähnten Artikel als Evergreens auf der Beliebtheitsliste der SWI-User:innen.

SWI swissinfo.ch bietet aus seinem bestehenden Angebot ausgewählte Beiträge vorübergehend auch in Ukrainisch an. Interessierte finden diese in einem ukrainischen Feed auf den Seiten Russisch, Englisch und der Nationalsprachen Deutsch, Französisch und Italienisch

Konstant hohe Aufmerksamkeit verzeichnet auch der Artikel “Wie würde heute ein Atomkrieg aussehen?“, allerdings mit einer nervöseren Kurve und deutlichen Peaks an jenen Tagen, in denen die Möglichkeit einer atomaren Eskalation die internationale Berichterstattung beherrschte.

Zitierungen in ukrainischen Medien

Eine weitere Auffälligkeit: Es gibt Artikel, die häufiger gelesen werden – und solche die von anderen Medien häufiger zitiert werden. Die Unterschiede sind deutlich. Während die meistgelesenen Artikel mehrheitlich für Geflohene aus der Ukraine von Relevanz sind, gilt die Vorliebe von anderen Medien inhaltlich den Artikeln mit politischer Relevanz. Dies zeigt eine Analyse von Community-Developer Philipp Meier aller Artikel seit Kriegsbeginn.

Ein Beispiel, das die Weiterverbreitung von SWI swissinfo.ch-Inhalten gut illustriert, ist die ukrainische Pravda, die einen SWI-Artikel über eingefrorene Vermögen russischer OligarchenExterner Link praktisch integral übersetzt und übernommen hat, wie auch weitere zehn ukrainische Medienportale in russischer Sprache.

Für ukrainische Medien waren Artikel über die Schweizer Positionierung gegenüber Russlands Krieg offenbar interessanter als der Schutzstatus S. “Zitierungen in ukrainischsprachigen Medien betrafen zwar auch oft den Fluchtkontext. In russischsprachigen ukrainischen Medien hingegen wurden aus unserer Berichterstattung öfter Themen wie Oligarchengelder, Neutralität oder die Schweizer Sanktionspolitik aufgegriffen”, sagt Meier.  

Mehr

Was bezüglich Zugriffen wie Zitierungen gleichermassen festzustellen ist: Der russische Markt wurde offenbar mit einigem Erfolg von der Berichterstattung westlicher Medien abgeschottet. SWI swissinfo.ch ist im Gegensatz zu anderen westlichen Medien in Russland nicht geblockt, die SRG kann in diesem Markt also immer noch unabhängige Information verbreiten.

Die Zugriffe aus Russland haben sich aber seit Kriegsbeginn – abgesehen von einigen Spitzen – nicht markant verändert. Und Zitierungen in russischen Medien blieben eher rar. Ein Beispiel ist dieser Beitrag über gesperrte VermögenExterner Link auf dem russischen Wirtschaftsportal RBC.

Gestiegener Moderationsaufwand

Gleiches gilt auch für Social Media, wo SWI swissinfo.ch mit Russisch auf Facebook (73’000 Follower), Instagram (5000 Follower), Twitter (1600 Follower) und dem russischen Netzwerk VK (22’500 Fans) präsent ist. Es gab zwar überall Wachstum, aber im Bereich von wenigen Prozent.

Gestiegen sind allerdings die Anforderungen an die russischsprachige Redaktion, die Kommentarspalten zu moderieren – die russische Leserschaft sah naturgemäss vieles anders, als es bei SWI swissinfo.ch dargestellt wurde.

Für den Impact dieser Arbeit wurde noch keine Messgrösse gefunden, aber spezifische Inhalte von SWI in Russisch zeigten sichtbare Resultate. Unter anderem tauchte eine SWI-Schlagzeile in einem Video von Nawalny-Unterstützerin Lubov Sobol auf. Die Oppositionelle blendete in untenstehendem Videocast über Putins Frau Alina Kabajewa einen SWI-Artikel  ein.

Externer Inhalt

“Aus journalistischer Sicht ist das fast wie ein Ritterschlag”, sagt Igor Petrov, Leiter der russischsprachigen Redaktion von SWI swissinfo.ch.

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