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So betreffen Trumps Kürzungen die Schweizer Wissenschaft

Forscherin schaut in ein Mikroskop
Arzneimittelhersteller in der Schweiz bereiten sich auf die Veränderungen bei den NIH vor, die durch Trump initiiert wurden. (C) Arne9001 | Dreamstime.com

Die Trump-Regierung hat die Finanzierung der biomedizinischen Forschung durch die Nationalen Gesundheitsinstitute (National Institutes of Health, NIH) auf den Kopf gestellt. Dies hat weitreichende Folgen für Wissenschaftler:innen und Arzneimittelhersteller in vielen Teilen der Welt, auch in der Schweiz.

Seit seinem Amtsantritt hat US-Präsident Donald Trump eine ganze Reihe von Memos und Verordnungen veröffentlicht, die sich gegen die Art und Weise richten, wie das NIH biomedizinische Forschung finanziert. In den vergangenen Monaten verbot die Regierung die Kommunikation durch Bundesbehörden, deckelte die indirekte Finanzierung durch die NIH und setzte alle Zahlungen von Bundeszuschüssen aus.

Zuletzt kündigte die US-Regierung am vergangenen Freitag an, die NIH-ZuschüsseExterner Link für Wissenschaftler:innen, die sich mit der Gesundheit der LGBTQ+ Gemeinschaft beschäftigen, zu streichen.

Viele der Massnahmen werden noch vor Gericht verhandelt. Doch Wissenschaftler:innen und Arzneimittelhersteller in der Schweiz bereiten sich bereits auf die Veränderungen bei den NIH vor und speziell auf deren Auswirkungen auf ihre eigene Finanzierung und die Wissenschaft generell.

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«Die Änderungen haben bei Wissenschaftlern überall zu grosser Unsicherheit geführt», sagt Adrian Wanner, Neurobiologe am Paul Scherrer Institut in der Schweiz und einer von rund 100 Forscher:innen, die an einem grossen, von den NIH finanzierten Externer LinkProjekt zur Erstellung einer detaillierten Karte des Mäusegehirns beteiligt sind.

Wanner hat eine Zusage über insgesamt 2,6 Millionen Dollar an direkten Projektzuschüssen von den NIH. Davon wurden bereits 1,7 Millionen Dollar überwiesen, um fortschrittliche Mikroskopietechniken zu entwickeln, mit denen Gehirnstrukturen mit hoher Auflösung sichtbar gemacht und analysiert werden können.

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Nun fragt sich Wanner, der voraussichtlich im September die letzte Tranche erhalten wird, ob es überhaupt eine Ausschreibung für eine zweite Phase des Projekts geben wird. «Niemand weiss, nicht einmal bei den NIH, in welche Richtung das Projekt gehen wird», sagte er.

Ähnliche Befürchtungen werden auch von anderen Forschenden in der Schweiz geäussert. Wie wichtig sind die NIH für die biomedizinische Forschung weltweit und in der Schweiz? Ein Erklärungsversuch.

Wie viel der weltweiten biomedizinischen Forschung wird von den NIH finanziert?

Die NIH sind mit einem Jahresbudget von 47 Milliarden Dollar der weltweit grösste Geldgeber für die biomedizinische Forschung. 80% davon gehen als Zuschüsse an mehr als 300’000 Forscher:innen weltweit. Der Rest fliesst in die von den NIH geleitete Forschung und die Verwaltung in den USA.

Dieser Betrag übertrifft bei weitem die Finanzierung der Gesundheitsforschung im Vereinigten Königreich, in Australien und in der EU zusammengenommen. Europas grösstes Programm zur Finanzierung von Forschung und Innovation, Horizon EuropeExterner Link, verfügt für den Zeitraum 2021-2027 über ein Budget von 95,5 Milliarden Euro für eine Reihe von Themen, die über den Gesundheitsbereich hinausgehen.

Medienberichten zufolge gab Chinas National Natural Science Foundation im Jahr 2023 rund fünf Milliarden Yuan (610 Millionen Schweizer Franken) für die Gesundheitsforschung aus.

In der Schweiz ist der Schweizerische Nationalfonds der wichtigste öffentliche Forschungsförderer. Er investierte 2024 rund 432 Millionen Schweizer Franken in Projekte in der Biologie und Medizin.

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Zu den grössten Philanthropen in der Gesundheitsforschung gehören der Wellcome Trust in Grossbritannien und die Gates Foundation. Letztere überwies im Jahr 2023 rund 1,8 Milliarden Dollar für Themen der globalen Gesundheit, allerdings nicht ausschliesslich für die Forschung. Der Wellcome Trust investierte in seinem Förderzyklus 2023-24 rund 1,6 Milliarden Pfund in die biomedizinische Forschung.

Die NIH-Finanzierung übertrifft auch bei weitem die Ausgaben grosser Pharmaunternehmen für Forschung und Entwicklung. So gab das Schweizer Pharmaunternehmen Roche im Jahr 2023 rund 14 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung aus und war damit der drittgrösste F&E-Geldgeber unter den grossen PharmaunternehmenExterner Link.

Wie viel von den US-Mitteln fliessen ins Ausland und in die Schweiz?

Die NIH-Forschung ist bei der Vergabe von Zuschüssen stark auf die USA fokussiert. Etwa 99% der NIH-Mittel gehen an US-Einrichtungen. Nur 250 Millionen Dollar pro Jahr fliessen direkt an ausländische Einrichtungen.

Schweizer Einrichtungen erhielten im Jahr 2024 sieben direkte Forschungszuschüsse im Wert von rund 9,1 Millionen Dollar. Die Schweiz gehört zu den grössten Empfänger:innen von NIH-Geldern, wenn man die Gesamtsumme betrachtet, obwohl hier weniger Projekte gefördert werden als in vielen anderen Länder.

«Es ist sehr schwierig, einen Zuschuss von den NIH zu erhalten, wenn man nicht in den USA forscht», sagt Adrian Wanner, der einen der sieben Zuschüsse erhielt. «Die Chance, dass die NIH einer ausländischen Einrichtung einen Zuschuss gewähren, liegt unterhalb von einem Prozent. Man muss nachweisen, dass man an etwas forscht, das es in den USA nicht gibt oder nicht gemacht werden kann.»

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Ein genauerer Blick auf die Daten zeigt, dass die Bedeutung der NIH für Forschende weltweit über die direkte Finanzierung hinausgeht. Tausende Wissenschaftler:innen auf der ganzen Welt sind an NIH-Projekten beteiligt, die von einer US-Einrichtung geleitet werden.

Im Jahr 2024 waren Schweizer Institutionen an 489 NIH-Projekten beteiligt. Ein Beispiel dafür ist die PASAGE-StudieExterner Link, die die Meinung der Bevölkerung zu pränatalen Gen-Editing-Therapien für seltene Krankheiten erforscht. Die in den USA ansässige renommierte Mayo Clinic ist die direkte Zuschussempfängerin, arbeitet jedoch mit mehreren Partnern zusammen, darunter Bioethik-Expert:innen der ETH Zürich.

Dies ist eine von neun NIH-Subaward-Kooperationen, an denen die ETH Zürich im Jahr 2024 beteiligt war und die sich insgesamt auf 285’000 Dollar beliefen.

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Was finanzieren die NIH?

Die NIH bestehen aus 27 Instituten und Zentren, deren Finanzierungsspektrum von kleinen Studien über Fluorid und die Grundlagenforschung des Alterns bis hin zu grossen Initiativen über Sucht, Krebs und Müttersterblichkeit reicht. Die NIH bieten auch Stipendien und Ausbildungsförderungen an, die jedoch nur selten an Forscher:innen ausserhalb der USA vergeben werden.

Schweizer Institutionen haben Zuschüsse für eine Reihe von Projekten erhalten. Die Universität Bern bekam seit 2006 fast 50 Millionen Dollar an direkten NIH-Zuschüssen, um die antiretrovirale Therapie zu erforschen und den Aufbau der internationalen epidemiologischen DatenbankenExterner Link zur Bewertung von AIDS im südlichen Afrika zu unterstützen.

Im vergangenen September gewährte das NIH dem Schweizerischen Institut für Bioinformatik in Genf zehn Millionen Dollar, von denen bereits 2,7 Millionen Dollar ausgezahlt wurden, um ein globales Daten-Netzwerk für Erregerdaten zur Verbesserung der Pandemiebekämpfung und der Überwachung von Krankheitsausbrüchen zu entwickeln.

«Der Ehrgeiz und die Risikobereitschaft sind in den USA anders. Die NIH sind bereit, ehrgeizige und bahnbrechende Projekte zu finanzieren», sagt Wanner.

Die NIH geben zudem rund 18 Milliarden Dollar pro Jahr für die klinische Forschung aus. Mit Stand vom 3. März 2025 finanzierten die NIH über 7900 klinische Studien, von denen sich die meisten in frühen Phasen befanden. So gab das Schweizer Unternehmen Roche Externer Linkdiese Woche die Ergebnisse einer von den NIH geförderten klinischen Studie zu seinem Medikament Xolair gegen Lebensmittelallergien bekannt.

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Die von den NIH finanzierte Forschung trug zur Entwicklung von 386 der 387Externer Link Medikamenten bei, die zwischen 2000 und 2019 von der Food and Drug Administration zugelassen wurden. Viele der umsatzstärksten Medikamente des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, darunter Glivec gegen verschiedene Krebsarten und die Gentherapie Zolgensma gegen spinale Muskelatrophie, sind auf die jahrzehntelange Finanzierung durch die NIHExterner Link zurückzuführen.

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Welche Auswirkungen könnte eine Kürzung der NIH-Mittel haben?

Es ist noch unklar, in welchem Umfang die NIH-Mittel gekürzt werden könnten und welche Prioritäten die NIH in Zukunft setzen werden.

Die unmittelbare Sorge der Empfänger:innen ist die Frage, wie sie ihr Personal weiter bezahlen können, wenn die Finanzierung eingestellt wird. In der Schweiz ist es nicht möglich, kurzfristig Mitarbeitende einzustellen oder zu entlassen. «Wenn wir die Finanzierung verlieren, müssen wir andere Ressourcen verwenden, um die Gehälter der Projektmitarbeiter zu bezahlen», so Wanner.

Die von SWI swissinfo.ch befragten Forscherinnen und Forscher äusserten auch ihre Besorgnis darüber, dass neue Kriterien oder Anforderungen eingeführt werden, die festlegen, wer und was gefördert wird. «Wir wissen nicht, ob Faktoren jenseits der tatsächlichen Projektleistungen bei der Entscheidung über künftige Finanzierungen berücksichtigt werden», sagte Aitana Neves, die das Pathogen Data Network am Schweizerischen Institut für Bioinformatik leitet.

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US-Behörden haben bereits begonnen, Projekte mit Wörtern wie Geschlecht, Ethik und sogar Covid-19 zu kennzeichnen, die nicht den Anordnungen Trumps entsprechen.

Wenn dies dazu genutzt wird, die Finanzierung zurückzufahren, könnte es zu massiven Lücken in der Grundlagenforschung für zukünftige Medikamente, Impfstoffentwicklung und Frauengesundheit kommen. Die Befragten äusserten auch die Befürchtung, dass dies Forscher:innen zur Selbstzensur veranlassen könnte, was die akademische und wissenschaftliche Freiheit ernsthaft gefährden würde.

Die Bedeutung der USA für die Wissenschaft reicht über die Finanzierung selbst hinaus. «Kooperationen mit US-Universitäten sind für uns sehr wichtig, da sie in vielen Bereichen führend sind», sagt Virginia Richter, Rektorin der Universität Bern. Die NIH-Finanzierung trägt einen kleinen Betrag zu ihrem Jahresbudget von 942 Millionen Schweizer Franken bei. «Es geht nicht um die Quantität, sondern um die Qualität der Forschung», die von etwaigen Änderungen in den USA betroffen wäre.

Viele Forschungskooperationen beinhalten einen Austausch und Technologietransfer in die USA, aber auch zurück zu den Mitarbeiter:innen im Ausland.

«Ich denke, was derzeit in den USA passiert, könnte sich als äusserst schlecht für die Wissenschaft im Allgemeinen erweisen, denn die USA sind eine treibende Kraft in jedem Aspekt der Wissenschaft“, sagte Wanner. “Sie sind ein Vorbild.»

Editiert von Virginie Mangin/ts, Übertragung aus dem Englischen mit der Hilfe von Deepl: Petra Krimphove/me

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Kaoru Uda

Sollten Staaten mehr für Entwicklungshilfe ausgeben oder sind Kürzungen gerechtfertigt?

Viele Länder kürzen ihre Auslandshilfe, darunter auch die Schweiz. Ist das Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?

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