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Mark Streit: Der Star ist da, die WM hat begonnen

Keystone

Am Freitagabend ist die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft in ihr Abenteuer Weltmeisterschaft gestartet. Die Hoffnungen des Gastgeber-Teams ruhen insbesondere auf Mark Streit, dem ersten Schweizer Feldspieler, der sich in der NHL durchsetzen konnte.

Der 31-jährige Berner ist ein bodenständiger, stiller Schaffer. Grosse Töne sind ihm fremd, auf dem Eisfeld wie gegenüber Journalisten.

Dabei ist Streit ein Superstar: In der nordamerikanischen NHL, die als beste Eishockey-Liga der Welt gilt, hat er sich nicht nur als erster Schweizer Feldspieler etabliert. Streit gehört zu den besten Verteidigern der Milliarden-Liga.

Seine Qualitäten als kreativer Spielöffner, Geber von Zuckerpässen und Vollstrecker vergolden ihm die New York Islanders mit einem 20-Mio. Dollar-Vertrag für die nächsten fünf Jahre. Dieser macht Streit zum bestverdienenden Mannschaftssportler der Schweiz.

Karriere aus dem Märchenbuch

Streits Karriere ist ein Schweizer Märchen vom kleinen Hockey-Träumer aus dem Berner Obstberg-Quartier, der sich mit zähmen Willen und Ehrgeiz – und riesigem Talent – in die Herzen der Zuschauer in Nordamerika und der Schweiz zu spielen vermochte.

Begonnen hat das Märchen Anfang der 1990er-Jahre in Bern gleich um die Ecke der Eisarena, wo vom 24. April bis 10. Mai die Eishockey-Weltmeisterschaft 2009 stattfindet.

“Ich bin in einem Quartier aufgewachsen, das nur einen Kilometer vom Allmendstadion (die heutige PostFinance-Arena, die Red.) liegt. Im Winter verbrachte ich alle meine Freizeit auf dem Eisfeld vor dem Stadion”, erinnert sich Streit gegenüber swissinfo.

“Es berührt mich emotional sehr, nach 20 Jahren zurückzukommen, um hier die Weltmeisterschaft zu spielen.”

Idol Chris Chelios

Schon als Schüler lebte Mark Streit nur für das Eishockey. “1990 bei der letzten WM in Bern besuchte ich als Zwölfjähriger einige Spiele, das hat mich sehr fasziniert.”

Mit seinen Gedanken war er schon damals längstens in Nordamerika. Seine Helden aus der NHL zierten die Wände seines Zimmers. Klein Mark stand regelmässig um zwei Uhr nachts auf, um mit seinem Vater am TV die Spiele der NHL zu verfolgen. Chris Chelios war für den Eishockey-Novizen der Grösste. Ehrensache, dass Mark mit seinen Kumpels auf der Allmend im Chelios-Trikot herumkurvte.

Mit 18 Jahren debütierte Streit bei Freiburg-Gottéron in der Nationalliga A, danach reifte er in Davos zum Offensiv-Verteidiger, dem sich erstmals die Türen zur Schweizer Nationalmannschaft öffneten.

“Schwierig, aber spannend”

Trotz seines aufgehenden Sterns in der Heimat verliert Streit sein Ziel nie aus den Augen: Die NHL. 1999 setzt er zum Sprung über den grossen Teich an. Doch im ersten Nordamerika-Jahr isst Streit hartes Brot.

Bei Teams in unteren Profi-Ligen spielt Streit im Zwei- oder Dreitages-Rhythmus, die Zeit dazwischen geht für ermüdende Reisen in Bus oder Flugzeug von einer Eishalle zur nächsten drauf. Über allem steht der gnadenlose Konkurrenzkampf, um sich für einen Platz in der NHL zu empfehlen.

Streits Existenz ist hart und einsam. “Es gibt angenehmere Momente, als seinen Geburtstag mit einer Pizza allein in einem Hotelzimmer zu feiern”, blickt er auf jene Tage zurück.

Es war eine sehr schwierige, aber zugleich sehr spannende Zeit. Wenn er seine Situation 1998, als er zum ersten Mal das Trikot der Schweizer Nationalmannschaft überstreifte, mit heute vergleicht, ist er stolz über seinen Werdegang.

Und das mit Recht. Dank täglicher harter Arbeit erklimmt er Stufe um Stufe, die ihn seinem Traumziel NHL näherbringen. 2005 ziehen die Montreal Canadiens seine Transferrechte: Streit erhält einen begehrten Einweg-Vertrag. Der bietet ihm nichts weniger als die Garantie, dass sein Klub ihn nicht in eine inferiore Liga abschieben kann.

Aus dem Schatten ins Scheinwerferlicht

Es dauert noch einmal drei Jahre, bis der Name des hartnäckigen Berners im Eishockey Nordamerikas allen ein Begriff ist: In Montreal ist Streit 2008 als Offensivverteidiger eine der tragenden Säulen im Spiel der Canadiens.

Gleich zweimal erhält er die Jacques-Beauchamp-Trophäe. Sie wird demjenigen NHL-Spieler verliehen, der in seinem Klub eine Schlüsselrolle spielt, ohne dafür aber speziell geehrt zu werden.

Auf diese Saison hin wechselte Streit zu den New York Islanders. Zwar sind die Insulaner das schwächste Team der NHL, aber Streit war mit seinen 16 Toren und 40 Assists klar der beste “Islander”.

Mit einer Eiszeit von über 25 Minuten pro Match beendete Streit die NHL-Saison als siebentbester Verteidiger der NHL.

Ein echter Teamleader

Das schwache Abschneiden des Klubs ist das Glück von Nati-Coach Ralph Krueger, und somit der Schweizer Nationalmannschaft. Denn Mark Streits Erfahrung aus zig NHL-Partien, sein scharfes Auge für den bestpositionierten Mitspieler sowie sein Torinstinkt sind für die Krueger-Boys Gold wert.

Die Rolle im Zentrum, die der Trainer mit der Ernennung Streits zum Nati-Captain unterstreicht, bedeutet aber auch einen riesigen Druck auf Streits Schultern.

Der NHL-Star ist aber nicht nur auf dem Eis ein Leader, sondern auch in der Kabine. “Ich war schon früher Captain, bringe also Erfahrung als Führungsspieler mit”, sagt er gelassen. “Ich habe sehr viel von erfahrenen Spielern profitieren können, so dass ich in New York auch in der Kabine Verantwortung übernehmen konnte.” Dann ganz bescheiden: “Ich werde versuchen, dies in den Dienst der Schweizer Teams zu stellen.”

Dreh- und Angelpunkt im Schweizer Spiel

Erst am Montag in seiner Heimat- und WM-Stadt angekommen, gelang dem NHL-Star ohne jegliche Allüren auf Anhieb die Umstellung auf die grösseren Eisfelder sowie das System der Schweizer Nati.

Beim 5:2-Sieg der Schweiz gegen die USA von Dienstagabend wurde Streit seiner tragenden Rolle ein erstes Mal gerecht: Den wichtigen Anschlusstreffer zum 1:2 schoss er selber, an drei weiteren Treffern war er indirekt beteiligt. Unter anderem mit einem Wunderpass, der zum 2:2-Ausgleich führte.

Auf die Ziele für die WM angesprochen, antwortet Streit gewohnt zurückhaltend: “Die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass es nicht viel bringt, wenn man sich zu sehr auf ein bestimmtes Ziel fixiert. Aber klar wollen wir so weit kommen wie möglich.”

Einen klaren Fingerzeig richtet Streit gegen übertriebene Erwartungen. “Wer die Teilnahme für den Halbfinal oder den Final fordert, hat in den letzten Jahre im Eishockey nicht genau zugeschaut.”

Damit nimmt er vom Heimteam clever Druck weg. Und lässt zugleich genügend Raum für Überraschungen.

swissinfo, Samuel Jaberg
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Bern. Der 31-jährige Berner Mark Streit spielt in der NHL für die New York Islanders. Dort ist der Offensiv-Verteidiger die zentrale Figur auf dem Eis.

Nationalliga A. Er debütiert 1995 bei Freiburg-Gottéron. Die nächsten drei Saisons spielt er in Davos, bevor er in der Spielzeit 1999/2000 sein Glück in Nordamerika sucht. In die Schweiz zurückgekehrt, spielt er für die Zürcher Lions, mit denen er zwei Mal Schweizer Meister wird (2001 und 2002).

NHL. 2005 wechselt er zu den Montréal Canadiens. Er schafft den Durchbruch und wird zweimal als bester derjenige Spieler ausgezeichnet, der im Hintergrund dem Team am meisten bringt.

New York. Im letzten Sommer unterzeichnet Streit bei den Islanders einen Fünfjahresvertrag, der ihm 20,5 Mio. Franken einbringt. In 74 Spielen erzielte er 16 Tore und verbuchte 40 Assists (Pässe, die zu einem Tor führen). Damit wird er siebentbester Verteidiger der besten Liga der Welt. Seine NHL-Saison krönte er mit der Berufung ins All-Star-Team der Ostküste.

Schweizer Nationalmannschaft. Seit 1998 absolvierte Streit 74 Partien für die Schweiz. An Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen verbuchte er bisher 48 Skorerpunkte. An den Olympischen Spielen in Turin 2006 war er an den historischen Siegen gegen Kanada und Tschiechien beteiligt.

An der Eishockey-WM in Bern und Kloten nehmen die besten 16 Länder teil.

Die Organisatoren erwarten rund 300’000 Fans.

In den beiden WM-Stadien sind 1100 Freiwillige im Einsatz.

Das Gesamtbudget der Organisatoren beläuft sich auf rund 31 Mio. Franken.

Für den Grossanlass haben sich rund 800 Journalisten akkreditiert.

Die 56 Spiele werden von 190 TV-Stationen in über 100 Länder übertragen.

Gesamthaft verfolgen 800 Millionen Zuschauer die WM am Fernsehen.

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