600 UN-Lastwagen in Gaza angekommen – Verteilung behindert

Die Vereinten Nationen haben knapp 600 Lastwagenlieferungen durch den israelischen Grenzposten Kerem Schalom in den Gazastreifen gebracht. Die Verteilung an Bedürftige sei aber kaum möglich.
(Keystone-SDA) Das sagte der Sprecher des UN-Nothilfebüros in Genf, Jens Laerke. Die vom israelischen Militär zugewiesenen Strassen seien teils zu gefährlich und überfüllt. Manchmal würden Fahrgenehmigungen kurzfristig annulliert.
Auf den Lastwagen befinden sich unter anderem Mehl und Spezialnahrung für unterernährte Kinder. Bei den wenigen Mitteln, die verteilt werden konnten, hätten sich Trauben verzweifelter Menschen auf die Ladungen gestürzt, sagte Laerke. Das sei verständlich bei Leuten, die ihre Familien ernähren wollten.
Israel hatte seit März Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockiert. Damit sollte nach eigenen Angaben der Druck auf die islamistische Hamas erhöht werden, die letzten der am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln freizulassen. Vor zehn Tagen lockerte Israel die Blockade etwas.
UN: Israel verfügt organisatorische Zwangsjacke
Laerke kritisierte die israelischen Behörden scharf. «Die Besatzungsmacht blockiert absichtlich Hilfe für den Gazastreifen», sagte er. Nirgendwo anders auf der Welt und in vergangenen Jahrzehnten sei eine humanitäre Operation derart behindert worden. Er sprach von einer organisatorischen «Zwangsjacke».
«Dies ist wie eine tropfenweise Ernährung in einer Region mit katastrophalem Hunger. Gaza ist das hungrigste Gebiet der Welt», sagte Laerke. Es sei das einzige klar definierte Gebiet der Erde, in dem 100 Prozent der Bewohner von einer Hungersnot bedroht seien. Die Vereinten Nationen hätten Zehntausende Paletten mit Nahrungsmitteln und anderen vor den Grenzen des Gazastreifens, dürften dies aber nicht verteilen.
UN lehnen umstrittene Stiftung zur Nahrungsverteilung ab
Israel will die Nahrungsmittelverteilung nach UN-Angaben nur noch über die umstrittene neue Gaza Humanitarian Foundation organisieren. Diese verteilt Hilfsgüter unter Aufsicht von bewaffnetem Sicherheitspersonal an wenigen Standorten. Bedürftige müssten teils kilometerweit laufen. Das sei gefährlich, so Laerke. Essen müsse direkt zu den Menschen gebracht werden.
Israel setzt auf die Stiftung, weil die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen nach Darstellung der Regierung UN-Hilfsgüter stiehlt, um sie zu verkaufen. Beweise dafür hätten die UN nicht gesehen, sagte Laerke. «Wir haben unter unserer Aufsicht keine grössere Abzweigung von Hilfsgütern gesehen», sagte er. Ohnehin dürfe so etwas nicht dazu führen, dass zwei Millionen Menschen nicht versorgt werden.
Nach Angaben von Laerke sind 81 Prozent des Gazastreifens zu Militär- oder Evakuierungszonen erklärt worden. Seit dem Ende einer Feuerpause im März seien 635.000 Menschen neu vertrieben worden.