Affähre Strauss-Kahn: Anklage wackelt; Mutmassliches Opfer hat teilweise gelogen
New York (awp/sda/dapd/rtd/afp) – Die Frau, die den früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn der Vergewaltigung beschuldigt, hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft in mehreren Punkten gelogen. Dies berichteten die «New York Times» und Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Ermittlungskreise.
Unter anderem soll die Hotelangestellte über einige ihrer Tätigkeiten in den Stunden um den mutmasslichen Übergriff gelogen haben. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Staatsanwaltschaft auch ihre Schilderung des Vorfalls selbst in Frage stellt.
Das Zimmermädchen hat nach Vermutungen der Staatsanwaltschaft auch über ihren Lebenslauf gelogen, wie eine Gewährsperson der Nachrichtenagentur AP sagte. Demnach soll sie in ihrem Asylantrag verschiedentlich die Unwahrheit gesagt haben. Dazu zähle, dass die Frau erklärt habe, sie sei in ihrem Heimatland Guinea vergewaltigt worden.
Gemäss der «New York Times» steht die Anklage gegen Strauss-Kahn vor dem Scheitern. Die Zeitung berichtete auch von einem aufgezeichneten Telefongespräch der 32-jährigen, in dem sie die finanziellen Vorteile einer Beschuldigung des damaligen Direktors des Internationalen Währungsfonds (IWF) erwähnt haben soll. Strauss-Kahn hat die Vorwürfe einer Vergewaltigung vehement zurückgewiesen, seine Anwälte sprechen von einvernehmlichem Sex.
Die Staatsanwaltschaft, die am Donnerstagabend überraschend eine Anhörung im Fall Strauss-Kahn für den (heutigen) Freitag beantragt hatte, will nach Angaben der Zeitung dort eine Lockerung der Hausarrestauflagen und eine Reduktion der millionenschweren Kaution fordern.
Ein ungewöhnlicher Schritt, zumal die Staatsanwaltschaft anfangs erklärt hatte, die Beweise seien erdrückend. Die Anhörung ist auf 17.30 Uhr (MESZ) angesetzt. Ursprünglich hätte sie erst am 8. Juli stattfinden sollen.
Die «New York Times» berichtete, auch eine Entlassung aus dem Hausarrest sei möglich. Das deute darauf hin, dass ernsthafte Vorwürfe gegen Strauss-Kahn keinen Bestand hätten. Dessen Anwalt, William Taylor, hielt sich am Freitag bedeckt. Auch Staatsanwaltschaft und Polizei wollten sich nicht äussern.
Politisches Comeback?
Sollte die Anklage fallengelassen werden, könnte dies den Weg für ein politisches Comeback des 62-Jährigen in seiner Heimat Frankreich ebnen. Dort galt er bis zu seiner Verhaftung im Mai als Hoffnungsträger der Sozialisten für die Präsidentenwahl.
Mehrere Aushängeschilder der Partei erklärten bereits, dass sie eine Rückkehr Strauss-Kahns erwarteten. Sozialistenchefin Martine Aubry äusserte die Hoffnung, dass die US-Justiz «ab heute Abend die ganze Wahrheit etablieren» werde, damit Strauss-Kahn aus «diesem Albtraum herauskommen» könne.
Der frühere Kulturminister Jack Lang sagte, Strauss-Kahns Anwesenheit sei «entscheidend für unseren Erfolg bei der Präsidentschaftswahl» 2012.
Strauss-Kahn steht seit seiner Freilassung aus dem Untersuchungsgefängnis auf Kaution unter Hausarrest. Der französische Volkswirt und Diplomat wird in einem luxuriösen Stadthaus in Manhattan rund um die Uhr bewacht und muss eine elektronische Fussfessel tragen.
Er darf das Haus nur verlassen, um Gerichts-, Anwalts- oder Arzttermine wahrzunehmen und einmal wöchentlich an einem Gottesdienst teilzunehmen.