Hans Küng: Benedikt XVI. ist Papst der "verpassten Gelegenheiten"
Bern - Der Schweizer Theologe Hans Küng bezeichnet Benedikt XVI. als Papst der "verpassten Gelegenheiten". Verpasst habe der Papst etwa eine Annäherung an die protestantische Kirche, einen Dialog mit den Muslimen und ein beständiges Übereinkommen mit den Juden.
Und der Papst habe es versäumt, die Menschen in Afrika im Kampf gegen die Überbevölkerung und gegen die Immunschwächekrankheit Aids zu unterstützen, hält Küng in einem Interview mit der französischen Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" fest.
Der Theologe wirft dem Papst vor, die Rückkehr zur so genannten tridentinischen Messe zu unterstützen, bei der die Hauptgebete lateinisch gesprochen werden. Der Priester wendet dabei dem Kirchenvolk den Rücken zu. Das seien mitnichten Zeichen der Öffnung.
Er befinde sich in "loyaler Opposition" gegenüber dem Papst, umschreibt Küng seine Haltung gegenüber dem Oberhaupt der katholischen Kirche. Küng ist bekannt für seine liberalen Ansichten, empfindet aber nach eigener Aussage Achtung für den Papst.
Zwischen ihm selbst und Benedikt XVI. gebe es Parallelen, sagt Küng. Sie stammten beide aus konservativen katholischen Familien, hätten gemeinsam Theologie studiert und seien die jüngsten Experten im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) gewesen.
1968 hätten sich die Wege getrennt. Joseph Ratzinger sei ob der Studentenproteste schockiert gewesen und in seine Heimat Bayern zurückgekehrt, erinnert sich Küng. Der spätere Papst habe sich in eine Art konservative Käseglocke zurückgezogen, die ihn von der Realität der Menschen trenne.
Küng ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Theologen der Gegenwart. Weil er das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubens- und Sittenfragen bezweifelte, wurde ihm 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Im September 2005 empfing ihn Papst Benedikt XVI. zu einer vierstündigen Begegnung.