Celesio stemmt sich mit Umbau und Kostenkur gegen Abwärtsstrudel (AF)
STUTTGART (awp international) – Der sich in schwerem Fahrwasser bewegende Pharmahändler Celesio will mit aller Kraft das Ruder rumreissen. Mit einem Konzernumbau und Sparprogramm will der seit Jahresmitte amtierende neue Chef Markus Pinger dem Druck durch den Sparzwang im europäischen Gesundheitswesen entgegentreten. Doch ständige Vorstandsquerelen und wiederholte Prognosesenkungen sorgen für Unruhe. Die Aktie büsste zum Börsenauftakt knapp vier Prozent an Wert ein – Händler sprachen von «einer weiteren Enttäuschung». Der Börsenwert Celesios sank seit dem Hoch im Jahr 2007 um rund 80 Prozent.
Die Stuttgarter, die unter staatlichen Sparprogrammen und scharfen Wettbewerb leiden, wollen mit der Neuausrichtung die insgesamt negativen Ergebnisentwicklung der letzten Jahre beenden. Im zweiten Quartal war Celesio wegen Wertberichtigungen auf zugekaufte Unternehmen tief in die roten Zahlen gerutscht.
Künftig wolle sich das Unternehmen auf die Kerngeschäfte Pharmagrosshandel und Apotheken konzentrieren. «Der Aufbau einer europaweiten Apotheken-Partnerschaft ist dabei zentraler Bestandteil der neuen Strategie», teilte die mehrheitlich zum Mischkonzern Haniel gehörende Gesellschaft am Mittwoch in Stuttgart mit. Der Pharmagrosshandel solle zu einem zentralen Logistik-Anbieter entwickelt werden.
SPARTENVERKAUF WIRD GEPRÜFT
Eine europaweite Bündelung aller Aktivitäten solle auch mit Blick auf den Endverbraucher im Apothekengeschäft stattfinden. Das werden auch für den DocMorris-Versandhandel gelten – den Konflikt mit den Apothekern, den Kunden von Celesio, werde man im nächsten Jahr lösen, gab sich Pinger zuversichtlich.
Zudem werde der Verkauf der 2004 gegründeten Dienstleistungssparte Manufacturer Solutions mit rund 5.400 Mitarbeitern geprüft: Dabei geht es insbesondere um die Logistikfirma Movianto und den Pharma-Personaldienstleister Pharmexx, der 2009 erworben wurde. Damit würde sich Celesio von drei auf zwei Geschäftsbereiche verkleinern.
Die Kosten will der Pharmahändler auch besser in den Griff bekommen: Ein Sparprogramm führt in diesem Jahr wahrscheinlich noch zu Einmalaufwendungen von bis zu 100 Millionen Euro. Dann solle es zu einer Stabilisierung des Ergebnisses in 2012 beitragen und in den folgenden Jahren eine zusätzliche jährliche Entlastung in Höhe von mindestens 50 Millionen Euro bringen. Auch am Personalstand von 47.000 Mitarbeitern in 27 Ländern wird gekürzt. «Geplant ist vor allem die Nicht-Besetzung offener Stellen. Ein Volumen steht noch nicht fest», sagte ein Sprecher. Betroffen seien die grossen Verwaltungen in Österreich, Frankreich, Grossbritannien, Norwegen und Deutschland.
FINANZVORSTAND GEHT WIE ERWARTET
Nach vorläufigen Zahlen hat Celesio in den ersten drei Quartalen, bei einer leicht rückläufigen Umsatzentwicklung, ein EBITDA von rund 410 (Vorjahr: 509) Millionen Euro erzielt. Dazu hat das dritte Quartal mit gut 140 Millionen Euro beigetragen. Die bisherige EBITDA-Prognose von rund 600 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr 2011 wurde kassiert: Nun werden mindestens 575 Millionen Euro vor Einmalaufwendungen erwartet. Die Senkung gehe insbesondere auf weitere regulatorische Eingriffe in Grossbritannien und einen schärferen Wettbewerb in wichtigen Märkten, wie zum Beispiel in Frankreich und Deutschland, zurück.
Auch im Vorstand kommt es zu Veränderungen: Wie bereits am Wochenende in der Presse spekuliert wurde, verlässt der Finanzvorstand zum 30.November das Unternehmen. Nach Informationen der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» scheidet Christian Holzherr wegen des direkten Durchgriffs der Haniel Gruppe aus. Ein Unternehmenssprecher kommentierte die Spekulationen nicht. «Wir befinden in potentiellen Kandidaten bereits in Gesprächen», hiess es vom Unternehmen.
Mitte August hatte der frühere Beiersdorf-Manager Pinger seinen Posten als Vorstandschef angetreten. Er folgte auf Fritz Oesterle, der Ende Juni nach Querelen mit dem Mehrheitseigentümer Haniel und dessen Chef Jürgen Kluge das Unternehmen verlassen hatte. Als neuer Mann an der Spitze muss er jetzt nach rund zwei Monaten im Amt durchgreifen und dem Konzern einen neuen Kurs verordnen./stk/zb/tw