Euro-Schuldenkrise flackert wieder auf – Spekulationen um Portugal (Zus)
BERLIN/BRÜSSEL (awp international) – EU-Kommission und Bundesregierung haben erneut dementiert, dass das hochverschuldete Portugal demnächst unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen soll. Doch gleichzeitig schwindet das Vertrauen an den Finanzmärkten: Der Kurs des Euro fiel am Montag auf ein Viermonatstief, auch die europäischen Börsen gaben nach. Mitte der Woche will Portugal frisches Kapital aufnehmen, einen Tag später folgen mit Spanien und Italien zwei weitere Sorgenkinder der Eurozone. Damit dürfte Märkten und Politik eine anstrengende Woche bevorstehen.
Die Bundesregierung wies jeglichen Druck auf Portugal erneut zurück. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Montag in Berlin: «Wir üben auf niemanden Druck aus, aber wir verteidigen den Euro.» Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans sagte für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): «Ein Drängen von Seiten Deutschlands auf egal welches Land hat es in der Vergangenheit nicht gegeben, gibt es in der Gegenwart nicht, wird es auch in der Zukunft nicht geben.»
Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» hatte berichtet, Deutschland und Frankreich wollten Portugal drängen, möglichst bald unter den Rettungsschirm zu schlüpfen. Damit solle das Land Zeit und Vertrauen gewinnen.
Die EU-Kommission wies die Spekulationen ebenfalls zurück. «Es gibt keine Diskussion in dieser Richtung, und sie (die Diskussion) ist auch nicht vorgesehen», sagte der Sprecher von EU- Währungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel. Die Aussage gelte für Portugal und einen anderen Mitgliedstaat – dessen Name der Sprecher nicht nannte. Schon seit längerem wird an den Märkten spekuliert, dass auch Spanien ein Kandidat für den Rettungsschirm sein könnte, der insgesamt einen Umfang von 750 Milliarden Euro hat.
In dieser Woche wollen Portugal, Spanien und Italien Berichten zufolge durch Aufstockung ihrer ausgegebenen Staatsanleihen frische Milliarden am Kapitalmarkt einnehmen, Portugal macht am Mittwoch den Anfang. Als Käufer hatte sich vor Weihnachten China angeboten. Finden sich jedoch nur mit Mühe Interessenten, könnte dies den Druck auf die Euro-Sorgenkindern verschärfen. Ausserdem steigen die Finanzierungskosten für diese Länder in bisher kaum für möglich gehaltene Höhen. So hatte die Rendite für langfristige portugiesische Staatsanleihen in der vergangenen Woche mit sieben Prozent eine kritische Marke übersprungen.
Auch der portugiesische Ministerpräsident José Sócrates hatte bereits am Wochenende Berichte bestritten, dass sein Land den Rettungsfonds anzapfen wolle. Er bekräftigte, dass Portugal sein Haushaltsziel erfüllen werde: 2010 sei die Rekord-Neuverschuldung von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 7,3 Prozent gesenkt worden, 2011 solle sie auf 4,6 Prozent fallen.
Ende des vergangenen Jahres war als erstes Land Irland unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft. Für Griechenland war im Frühjahr 2010 ein eigenes Rettungspaket von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geschnürt worden. Auch Irland hatte lange dementiert, den Fonds in Anspruch nehmen zu wollen.
Sorgen um die Euro-Wackelkandidaten drückten den Kurs der Gemeinschaftswährung in der Nacht zum Montag auf bis zu 1,2886 US- Dollar – dies ist der tiefste Stand seit Mitte September 2010. Pessimismus auch an den Börsen: Der EuroStoxx 50 der grössten Euro- Werte fiel bis zum Mittag um 1,33 Prozent auf 2770,83 Punkte, der deutsche Leitindex Dax gab um 0,94 Prozent auf 6882,82 Punkte nach. Negativ entwickelten sich unter anderem Bankenwerte, die auf das Thema Euro-Schuldenkrise besonders sensibel reagieren./du/cb/DP/jha