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Japan/Regierung erwägt Ausweitung der Evakuierungszone um Fukushima

Tokio (awp/sda/dpa/rtd) – Japans Regierung erwägt, die Evakuierungszone rund um die Atomruine Fukushima erneut auszuweiten. Es werde demnächst ein Entscheid gefällt, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch.
Wegen der langfristigen Strahlenbelastung waren bereits zuvor Einwohner einiger Gemeinden ausserhalb der 20-Kilometer-Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima 1 zum Verlassen der Häuser aufgefordert worden.
In der 240 Kilometer von der Atomruine entfernten Hauptstadt Tokio begannen die Behörden am Mittwoch mit umfassenden Strahlungsmessungen. Die Werte würden an 100 Orten in der Hauptstadt aufgezeichnet, teilten die Behörden mit.
Darunter seien Parks und Schulhöfe. Bislang war an nur einer Stelle gemessen worden. “Wir wurden von Müttern dazu aufgefordert, die sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder machen”, sagte ein Behördensprecher zu den neuen Massnahmen. Die ersten Messergebnisse lagen im Normbereich.
Nach der Atomkatastrophe am 11. März waren die 13 Millionen Einwohner Tokios vorübergehend aufgefordert worden, Säuglingen kein Leitungswasser zu geben.
Inzwischen sind auch in noch grösserer Entfernung von dem Atomkraftwerk unzulässig hohe Strahlenwerte nachgewissen worden, zum Beispiel in Teeblättern.
Fünf Plantagen in Japans grösster Teeanbau-Provinz Shizuoka sollen den Verkauf radioaktiv belasteter Teeblätter stoppen. Sie wurden aufgefordert, freiwillig den Vertrieb der Blätter einzustellen und die bereits ausgelieferten zurückzurufen. Das gaben die lokalen Behörden am Mittwoch bekannt. Bei Untersuchungen waren dort radioaktive Strahlen oberhalb der Grenzwerte gemessen worden.
Die Behörden hatten 20 Plantagen in dem Anbaugebiet Warashina, 370 Kilometer südwestlich von der Atomruine Fukushima, untersucht. In Warashina war vor kurzem in getrockneten Teeblättern radioaktives Cäsium festgestellt worden.
Grüner Tee aus Japan wird in aller Welt für seine gesundheitsfördernde Wirkung hoch geschätzt. Der Stadtpräsident der Provinzhauptstadt Shizuoka erklärte laut Medienberichten, er werde von der Zentralregierung in Tokio Schadenersatz verlangen.
Japan hatte im vergangenen Jahr 83’000 Tonnen an getrockneten Teeblättern produziert. Davon entfielen 40 Prozent auf die Provinz Shizuoka. Die lokalen Behörden wollen nun weitere Strahlenmessungen vornehmen.
In Fukushima selbst kämpfen die Behörden weiter darum, die Reaktoren unter Kontrolle zu bringen. Der Betreiber des Werks, Tepco, möchte am Freitag eine Anlage zur Dekontaminierung von hochgradig verseuchtem Wasser in Betrieb nehmen.
Statt immer neues Wasser in das AKW zu pumpen, soll das verseuchte Wasser rezikliert und zur weiteren Kühlung verwendet werden. Die verseuchte Brühe behindert die Arbeiten zur Instandsetzung der zerstörten Kühlsysteme des AKW.
Für kommenden Sonntag wollen Persönlichkeiten wie Literatur-Nobelpreisträger Kenzaburo Oe oder der Musiker Ryuichi Sakamoto 50’000 Menschen in Tokio zu einer Anti-Atom-Demonstration mobilisieren. An diesem Tag liegt der Beginn der Katastrophe genau 100 Tage zurück.

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