Kampf um Publikum und Geld

Mit Marketing will das Schauspielhaus Zürich seine Publikumskrise lösen. Beim Verwaltungsrat geniesst der künstlerische Direktor Christoph Marthaler weiterhin Vertrauen.
Die Situation des Schauspielhauses Zürich am Pfauen ist kritisch. In der Kasse klafft nach den ersten zwei Monaten der neuen Saison ein Loch von 1 Mio. Franken. Die Zahl der Besucher hat sich unter Marthaler nahezu halbiert.
Der Verwaltungsrat will jedoch der künstlerischen Direktion unter Christoph Marthaler «die Chance lassen, ihre Arbeit fortzuführen». Dies unterstrich Verwaltungsratspräsident Peter Nobel am Donnerstag vor den Medien. International geniesse das Schauspielhaus «enormes Ansehen».
Marketing soll Lecks flicken
Nun gelte es die Stimmung «auch an der Heimatfront» zu verbessern, sagte Peter Nobel weiter. Mit «Heimat» meint er die Pfauenbühne. Verantwortlich für den Publikumsschwund seien «gewisse Lecks» in der ersten Spielzeit, vor allem eine schlechte Planung sowie Verschiebungen im Programm. Sie hätten das Publikum verärgert und zu zahlreichen Kündigungen von Abonnements geführt.
Der kaufmännische Direktor Marcel Müller betonte, die Kosten seien budgetmässig im Lot. Um gut über die Runden zu kommen, brauche das Haus allerdinge eine Auslastung von 60 bis 64%. Eine Auslastung, die es im Schiffbau problemlos erreiche.
Um die Pfauenkrise zu überwinden, legt der Verwaltungsrat das Marketing in professionelle Hände. Man müsse mit dem Publikum besser kommunizieren, die Planung transparenter gestalten, sagte Nobel. Bereits im Januar plant das Schauspielhaus eine Publikumskonferenz. Marcel Müller zeigte sich überzeugt, dass er die Rechnung 2001/2002 nicht mit einem Verlust von 3 Mio. Franken, sondern budgetkonform abschliessen wird.
«Ich lasse mich nicht einschränken»
Änderungen im künstlerischen Programm des Schauspielhauses schloss Christoph Marthaler aus. «Ich lasse mich beraten, aber einschränken lasse ich mich nicht.»
Recht gibt Marthaler der internationale Erfolg. Zum Publikumsschwund am Pfauen sagte er vor den Medien: «Die Verschiebungen waren schlecht, das müssen wir ändern. Aber wir mussten uns halt im Chaos entwickeln.» Um etwas radikal Neues populär zu machen, brauche es vor allem auch Zeit.
Hinter Marthaler stellt sich nicht nur der Verwaltungsrat. Wie der Tages Anzeiger schreibt, hat Stadtpräsident Josef Estermann zwar am Mittwoch noch erklärt, die Ära Marthaler werde nur dann fortgesetzt, wenn «das Ruder noch in dieser Saison herumgeworfen werde.» Doch am Donnerstag zeigte Estermann sich zuversichtlich, dass das Ziel mit mehr Publikumsnähe erreicht werden könne. In Anspielung auf den internationalen Erfolg des Theaters sagte Estermann: «Das Publikum in Zürich ist nicht bornierter und blöder als anderswo.»
swissinfo und Agenturen

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