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Der Obdachlosenpfarrer

Er war der bekannteste Pfarrer der Schweiz: Ernst Sieber, der sich seit Jahrzehnten für Arme und Randständige einsetzt, beseelt von der Vision einer solidarischen und gerechteren Welt. Am Pfingstsamstag ist er im Alter von 91 Jahren im Kreise seiner Familie verstorben.

Für Randständige war Sieber eine Vaterfigur. Schon anfangs der 1960er-Jahre rüstete er einen Bunker zu einem Heim für Obdachlose um.

In den 1980er-Jahren trat er als nationaler Mahner gegen das Drogenelend auf dem Zürcher Platzspitz auf. Kein anderer setzte sich so intensiv für Drogenabhängige ein. Von 1991 bis 1995 sass er für die Evangelische Volkspartei (EVP) in der grossen Parlamentskammer.

Im Laufe der Jahre baute Sieber drei Dutzend Projekte auf. Zu den besten Zeiten umfassten seine Sozialwerke therapeutische Lebensgemeinschaften, Notschlafstellen und Begegnungszentren in vier Kantonen mit 215 Mitarbeitenden.

Um die Jahrtausendwende kam seine Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber in wirtschaftliche Schieflage, Ende 2004 drohte ihr der Konkurs. Kirche, Staat und Spender retteten sie. Sieber musste sich aus der Stiftung zurückziehen.

Pfarrer wurde Sieber auf dem zweiten Bildungsweg. Er blieb dieser Berufung treu. Der 91-Jährige lebte mit seiner Frau im Kanton Zürich. Sie war ihm vor fast 60 Jahren während einer Predigt aufgefallen. Das Paar hatte acht Kinder, vier eigene und vier adoptierte.

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