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PRESSE/Britische Grossbank Barclays erwägt Umzug nach New York

LONDON (awp international) – Dem Finanzplatz London droht einem Bericht zufolge der Verlust eines seiner Aushängeschilder. Die Grossbank Barclays spiele wegen der Furcht vor zu hohen Auflagen mit dem Gedanken, ihren Hauptsitz nach New York zu verlegen, schrieb das “Wall Street Journal” (WSJ/Donnerstagausgabe) unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die Bank lasse derzeit prüfen, welche Hürden von den Aufsichtsbehörden beider Länder auf sie zukommen würde. Es habe auch schon erste Gespräche mit Vertretern der US-amerikanischen Aufsichtsbehörden gegeben.
Die Kosten für einen Umzug könnten sich auf mehrere hundert Millionen Pfund belaufen. Alleine die Vorbereitung würde bis zu 30 Millionen Pfund kosten. Eine Entscheidung werde aber frühestens im Herbst erfolgen, Dann sei klarer, welche Auflagen auf die britischen Banken zukommen. Der Führungsspitze der britischen Grossbank, die ohne direkte staatliche Hilfen durch die Finanzkrise gekommen ist und grosse Teile des amerikanische Geschäft der pleite gegangenen Investmentbank Lehman Brothers übernommen hat, bereitet vor allem die möglicherweise höheren Kapitalanforderungen für in Grossbritannien beheimatete Institute sorgen.
So gebe es Überlegungen der britischen Regierung, dass Grossbanken deutlich mehr Kapital für ihre Geschäfte vorhalten müssen als andere Institute. Die Schweiz geht zum Beispiel so vor und verlangt von den heimischen Grossbanken deutlich mehr Kapital als eigentlich von den internationalen Aufsehern geplant. Sollte dies in Grossbritannien ähnlich kommen, müsse Barclays Berechnungen der Schweizer Bank UBS bis zu 15 Milliarden Pfund mehr an Kapital haben als zum Beispiel in den USA.
Dort haben einige Grossbanken zuletzt von der US-Notenbank schon wieder die Freigabe bekommen, ihre Dividenden erhöhen zu dürfen und eigene Aktien zurückkaufen zu dürfen – und das obwohl zum Beispiel die mit Barclays vergleichbare Bank JPMorgan derzeit eine geringere Kapitalquote hat als die Briten. Allerdings droht in den USA Ungemach von anderer Seite, da die US-Aufseher eventuell die Handelsgeschäft der Banken stärker beschneiden wollen als in anderen Ländern. Das Beispiel Barclays zeigt deutlich das Dilemma der im Wettbewerb stehenden Aufsichtsbehörden einzelner Länder.
Experten fordern deshalb, international einheitliche Regeln zu finden, um eine Konkurrenz der Aufseher zu vermeiden. Zu laxe Vorgaben und Vorschriften für Banken gelten als einer der wichtigsten Gründe für die Finanzkrise. Aus diesem Grund haben die Aufsichtsbehörden und Notenbanken der wichtigsten Industrienationen beschlossen, die Zügel anzuziehen. Die Basel III genannten Regeln wurden 2010 im Grundsatz beschlossen und sollen ab 2013 eingeführt werden. Derzeit ringen allerdings die Banken und Staaten um wichtige Detailfragen./zb

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