Saubere Energie im Clinch mit Landschaftsschutz
Seit der Atom-Katastrophe in Fukushima nimmt das Interesse an erneuerbaren Energien zu. Jede Energiequelle hat aber auch ihre Schattenseiten. Windanlagen verschandelten die Landschaft und Sonnenkollektoren passten nicht auf jedes Dach, heisst es etwa.
Der Schweizer Heimatschutz hat letzte Woche ein Positionspapier zu Windenergie-Anlagen publiziert mit dem Titel: «Ja zu Ökostrom – aber nicht auf Kosten der Landschaften und Ortsbilder». Darin steht, dass im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung der Schutz von Landschaften und Architektur ebenso von öffentlichem Interesse sei wie die Produktion von sauberem Strom.
Bereits ein früheres Papier hatte darauf hingewiesen, dass sich Sonnenkollektoren negativ auf das Erscheinungsbild historischer Bauten auswirken könnten, falls sie schlecht platziert seien. «Die möglichen Zielkonflikte erfordern intelligente Lösungen», schreibt der Heimatschutz.
Testfall Lonza
Zu einem solchen Konflikt kam es im April in Basel, als das Chemiewerk Lonza bei der Stadtbild-Kommission ein Gesuch um die Installation einer Photovoltaik-Anlage an seinem Hauptsitz, dem Lonza-Hochhaus beim Basler Bahnhof, einreichte.
Lonza-Sprecher Dominik Werner sagte gegenüber swissinfo.ch, das Unternehmen habe wissen wollen, ob es sich lohne, eine Machbarkeitsstudie durchzuführen.
Auch wenn die Lonza sich darum bemühe, wenn möglich erneuerbare Energien zu nutzen, müsse sie im Vorfeld abklären, ob sich ein solches System auch finanziell lohne.
Die Kommission lehnte das Gesuch jedoch ab, mit der Begründung, der in den 1960er-Jahren gebaute Turm gehöre zu den schützenswerten Bauten.
Dieser Entscheid wurde jedoch nachträglich vom Vorsteher des Baudepartements, Hans-Peter Wessels, umgestossen. Gegenüber der Internetseite bazonline.ch sagte Wessels, eine sorgfältig gestaltete Solaranlage wäre möglich, und er hoffe, auch «andere Eigentümer würden die Installierung solcher Systeme in Betracht ziehen».
Sparen
Wie Adrian Schmid vom Schweizer Heimatschutz gegenüber swissinfo.ch sagte, ist es der falsche Ansatz, «wenn man uns weismacht, wir müssten zwischen dem jetzigen Lebensstil und dem Erhalt schützenswerter Landschaften und Bauten wählen».
Als erstes muss laut Schmid sparsamer mit Energie umgegangen werden. «Wir brauchen ein Gesetz, das für jeden Apparat einen Standby-Modus vorschreibt. Und wir müssen mehr auf Energieeffizienz setzen.».
Auch sollten erneuerbare Energien dort gefördert werden, wo sie Sinn machten, insbesondere bei neuen Bauten.
Auch bei älteren Gebäuden könne viel getan werden, sagt Robert Cramer von der Grünen Partei. Laut dem Genfer Ständerat und seit kurzem Präsident der Genfer Sektion des Schweizer Heimatschutzes gibt es keinen Widerspruch zwischen grüner Politik und dem Schutz von Landschaft und Ortsbildern. Er spricht lieber von Herausforderungen.
«Es ist sinnvoll, beim Heimatschutz jemanden zu haben, der etwas von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz versteht. So können Konflikte vermieden werden, die gar keine sind», sagte er gegenüber swissinfo.ch.
«Es kann viel zur Isolierung von Gebäuden und zur Förderung von erneuerbaren Energien getan werden, ohne die Anforderungen zum Schutz von Landschaft und Ortsbildern zu missachten. Um das durchzuziehen, muss man jedoch seinen Job kennen», so Cramer.
Wenn man zum Beispiel in einem Raum Doppelfenster einsetze, bleibe die Fassade des Gebäudes intakt. «Ich bin überzeugt, dass es Lösungen gibt. Es geht nicht um einen Krieg zwischen Anhängern des Heimat- und Naturschutzes und Anhängern von erneuerbaren Energien. Aber es fehlt uns an Weiterbildung und Menschen mit technischem Know-how.»
Nationale Koordination
Ein weiteres Konfliktpotential bieten die Windkraftanlagen. Der Schweizer Heimatschutz verlangt eine Planung auf nationaler Ebene, damit ein möglichst effizienter Ertrag an möglichst wenig Standorten erreicht werden kann. Die heutigen Richtlinien seien nicht verbindlich und würden nicht immer eingehalten.
Obwohl illegale Entscheide vor Gericht gezogen werden könnten, «kommt es leider immer wieder vor», dass Gemeinden den Bau von Windanlagen in geschützter Landschaft erlaubten. «Gewisse Investoren haben ein Interesse daran, die Schutzvorgaben zu ändern», erklärt Schmid.
Wichtig sei eine sorgfältige Planung, sagte Emmanuel Contesse, Co-Direktor der Beratungsfirma Natura, gegenüber swissinfo.ch. Wenn die betroffene Bevölkerung informiert werde, wie das im Berner Jura der Fall gewesen sei, gebe es weniger Widerstand.
«Es gibt tatsächlich Probleme mit Schutzzonen. Es ist wichtig, dass die Behörden – ob auf kantonaler oder auf Bundesebene – diese erhalten und in diesen Gebieten keine Präzedenzfälle schaffen.» Der Umwelt-Ingenieur gab allerdings zu, dass es für die Gemeinden schwierig sein könne, dem Druck standzuhalten.
«Es ist nicht neu, dass es Projekte in geschützten Zonen gibt, aber es gibt Gesetze, welche diese Art von Problemen beilegen können», so Contesse.
Auf die Frage, ob mit erneuerbaren Energien der Strombedarf gedeckt werden könne, sagt auch der Umweltexperte, der Fokus müsse mehr auf die Reduktion des Stromverbrauchs gelegt werden.
Die Schweiz hat 1997 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihre Emissionen der klimaschädigenden Treibhausgase zu reduzieren.
Das Gesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen verlangt, dass der CO2-Ausstoss bis zum Jahr 2010 gegenüber 1990 um 10% reduziert wird.
Es gibt dem Bundesrat die Kompetenz, eine CO2-Abgabe einzuführen, wenn dieses Ziel mit den ohnehin geplanten und den freiwilligen Massnahmen nicht erreicht werden kann.
Das Protokoll legt erstmals völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgas-Emissionen für alle Industriestaaten fest.
Im Zeitraum 2008-2012 soll erreicht werden, dass der CO2-Ausstoss der Industriestaaten gegenüber 1990 um 5,2% tiefer liegt.
Die Schweiz und die EU haben sich zu einer Reduktion um 8% verpflichtet.
Das Kyoto-Protokoll ist ein am 11. Dezember 1997 beschlossenes Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmen-Konvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) mit dem Ziel des Klimaschutzes.
Wasserkraft: 55,8%
Kernkraft: 39,3%
Andere: 2,9%
Neue erneuerbare Energien
(aus Abfall, Biomasse und Biogas, Sonne, Wind): 2%
(Quelle: Bundesamt für Energie)
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
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