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STEUERAFFÄRE/Lieferung von UBS-Daten an die USA war laut Gericht illegal (Zus.)

Bern (awp/sda) – Die Finanzmarktaufsicht hat mit der Herausgabe der Kontendaten von 300 amerikanischen UBS-Kunden an die USA rechtswidrig gehandelt. Gemäss Bundesverwaltungsgericht fehlte dafür eine gesetzliche Grundlage. Notmassnahmen hätte nur der Bundesrat anordnen dürfen.
Am 18. Februar 2009 hatte die Eidg. Finanzmarktaufsicht (FINMA) die UBS angewiesen, ihr die Kontendaten von knapp 300 amerikanischen Kunden auszuhändigen. Die erhaltenen Daten leitete die FINMA direkt an die US-Behörden weiter. Mit ihrem Überraschungscoup hebelte die FINMA das in gleicher Sache laufende Amtshilfeverfahren aus.
Die FINMA hatte ihr Vorgehen damit gerechtfertigt, dass die USA mit einem Strafverfahren gegen die UBS gedroht hätten, falls die Kundendaten zu den mutmasslichen amerikanischen Steuersündern nicht geliefert würden. In diesem Fall hätte der UBS die Insolvenz gedroht. Das habe man im Interesse der Schweiz verhindern müssen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun eine erste Beschwerde betroffener UBS-Kunden gutgeheissen. Gemäss dem am Freitag veröffentlichten Urteil, das noch ans Bundesgericht weitergezogen werden kann, hat die FINMA rechtswidrig gehandelt. Für ihr Vorgehen habe eine ausreichende gesetzliche Grundlage gefehlt.
Die Artikel 25 und 26 des Bankengesetzes, auf die sich die FINMA gestützt habe, seien zu wenig bestimmt und voraussehbar, um eine direkte Herausgabe von Bankkundendaten an ausländische Behörden zu rechtfertigen. Auch auf Notstandsrecht könne sich die FINMA nicht berufen. Dazu sei neben dem Parlament einzig der Bundesrat befugt.
Zwar habe der Bundesrat die FINMA ersucht, «alle notwendigen Massnahmen» zur Lösung der Krise zu ergreifen. Die Landesregierung sei zudem selber von einer Notlage ausgegangen. Konkrete Notstandsmassnahmen hätte der Bundesrat selber anordnen müssen, worauf er aber verzichtet habe.
Wie die FINMA mitteilte, will sie das Urteil zuerst analysieren, bevor sie über einen allfälligen Weiterzug entscheidet. Die Behörde hält zudem fest, dass sie die Herausgabe erst nach Rücksprache mit dem Bundesrat verfügt habe. Die von ihr angenommene Notlage habe das Gericht weder geprüft noch bestritten.
Die UBS gibt zum Urteil keinen Kommentar ab. Andreas Rüd, Anwalt der Beschwerdeführer, spricht von einem wichtigen Etappensieg für seine Klienten.
Es gelte nun sorgfältig zu analysieren, was das Urteil mit Blick auf allfällige weitere zivil-, öffentlich- oder strafrechtliche Schritte genau bedeute. Ob es etwa zu Schadenersatzklagen gegen FINMA, UBS oder Eidgenossenschaft kommen wird, blieb offen.
Weniger zurückhaltend fielen die Reaktionen der Politik aus: Nun fordert auch die SVP, dass eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) die Ereignisse untersuchen solle. Zuvor hatte schon die Linke eine PUK gefordert.
Bundesrat und FINMA hätten die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit krass verletzt, kritisiert die SVP. Damit sei das Bankgeheimnis «leichtfertig preisgegeben» worden. Die SP attackiert die Verantwortlichen: Die FINMA und ihr Präsident Eugen Haltiner hätten eine «mehr als zweifelhafte Rolle» gespielt, sagte Parteipräsident Christian Levrat der Nachrichtenagentur SDA.
Auch Grünen-Präsident Ueli Leuenberger wiederholte die Forderung nach einer PUK. Sie müsse auch die Milliarden-Hilfe der Eidgenossenschaft an die UBS untersuchen. Die Datenübergabe sei von allem Anfang an höchst fragwürdig gewesen.
Laut FDP ist das Gerichtsurteil «wichtig aber nicht dramatisch». Die FINMA habe unter einem enormen Druck gestanden, um alles Nötige zur Rettung der UBS zu unternehmen. «Dass heute SVP und SP ein juristisches Urteil für eine politische Abrechnung missbrauchen, ist billig», erklärte FDP-Präsident Fulvio Pelli.
Auch CVP-Fraktionschef Urs Schwaller verteidigte die Herausgabe der UBS-Kundendaten an die USA: Damit sei Schlimmeres verhindert worden.
Bundespräsidentin Doris Leuthard wies Finanzminister Hans-Rudolf Merz und Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf an, das Urteil bis nächsten Mittwoch auszuwerten, damit der Gesamtbundesrat es dann besprechen kann.
uh

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