Vor 50 Jahren starb der «Schweizer» Literaturnobelpreisträger Hesse
(Keystone-SDA) Mit einer weltweiten Gesamtauflage von 140 Millionen gilt Hermann Hesse als einer der meistgelesenen deutschen Autoren. Dabei war er bei seiner Geburt Russe und bei seinem Tod vor 50 Jahren Schweizer – wie zuvor mehr als sein halbes Leben lang.
1946 war Hesse der zweite und bisher letzte Schweizer Literaturnobelpreisträger nach Carl Spitteler. Dennoch gilt nicht das Tessiner Dorf Montagnola, in dem er seine letzten 43 Lebensjahre verbrachte und «Siddharta», «Der Steppenwolf», «Narziss und Goldmund» sowie «Das Glasperlenspiel» verfasste, als Hesse-Gemeinde, sondern das württembergische Städtchen Calw.
Dort, wo Hermann Karl Hesse am 2. Juli 1877 geboren wurde und mit Unterbrüchen 17 Jahre lebte, sind heute Plätze und Gassen nach ihm benannt, und aktuell – anlässlich seines 50. Todestags – Sitzbänke mit Hesse-Zitaten aufgestellt. Ein «Café Montagnola» immerhin erinnert an den Lieblingsort des Autors.
Während Calw seinen grossen Sohn touristisch vermarktet, sind in Collina d’Oro TI Bestrebungen im Gang, die Grünanlage von Hesses Casa Rossa, in der er sich beim Gärtnern die Inspiration für «Das Glasperlenspiel» holte, mit einem Dutzend Häusern zu überbauen. Doch noch sind Rekurse und eine Petition dagegen hängig.
Es dauerte lange, bis Hesses jahrzehntelanger Tessiner Wohnort den «Zucchino», wie die Südschweizer Leute von nördlich der Alpen nennen, vollumfänglich annahm. Erst wenige Wochen vor seinem Tod verlieh man ihm das Ehrenbürgerrecht.
Im Basler «Daig»
Das Tessin war bei weitem nicht die einzige Schweizer Gegend, in der sich Hesse wohlfühlte. Als er vier war, zog seine Familie für fünf Jahre nach Basel, wo der Vater bei der Mission arbeitete. 1883 erhielten die Hesses das dortige Bürgerrecht, das Hermann später aus Ausbildungsgründen vorübergehend wieder gegen das Württembergische eintauschte.
Nach Basel aber zog es den 22-Jährigen zurück, nachdem er in Calw und Umgebung das Klosterseminar und das Gymnasium geschmissen, einen Suizidversuch unternommen, zwei Nervenheilanstalten besucht, ein Mechanikerpraktikum absolviert und die Buchhändlerlehre abgeschlossen hatte.
1899 bis 1903 arbeitete er in Basler Buchhandlungen und Antiquariaten, schrieb Artikel für Zeitungen und frequentierte die städtische Künstlerszene. Dort lernte er die neun Jahre ältere Fotografin Mia Bernoulli kennen.
1904, im Jahr seines literarischen Durchbruchs mit «Peter Camenzind», wurde geheiratet. Das Paar zog nach Gaienhofen am deutschen Ufer des Bodensees, drei Söhne wurden geboren. Doch Hesse entzog sich durch Auslandsreisen immer wieder dem als erdrückend empfundenen Familienleben.
Im Berner «Ougspurgergut»
1912 zügelt die fünfköpfige Familie nach Bern ins «Ougspurgergut». Hesse arbeitet für die Deutsche Botschaft in der Kriegsgefangenenfürsorge. Der Künstlerehe-Roman «Rosshalde» und der Entwicklungsroman «Demian» entstehen.
Nach dem Tod des Vaters fällt Hesse 1916 in eine tiefe Krise. Er beginnt eine Psychoanalyse. Mia erleidet ein Burnout und landet in der Psychiatrie. Die Kinder werden fremdplatziert. Hesse zieht 1919 allein ins Tessin.
Im Tessiner Schaffensrausch
In der Casa Camuzzi in Montagnola entstehen – neben 4000 Aquarellen – «Siddharta», «Der Steppenwolf» und «Narziss und Goldmund». Nach der Scheidung von Mia ist Hesse 1924 bis 1927 mit Ruth Wenger verheiratet; später folgt eine dritte Ehe mit Nina Dolbin.
1931 zieht das Paar in die Casa Rossa, ebenfalls in Montagnola, wo Hesse über zehn Jahre an «Das Glasperlenspiel» schreibt. Die letzten 20 Jahre seines Lebens sind literarisch nicht mehr fruchtbar. Hesse stirbt am 9. August 1962 an einem Hirnschlag.