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“Wir sind das beste Publikum der Welt!”

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Die Letten sind die besseren Schweizer: Dies ist das Fazit nach der Zwischenrunde der Eishockey-Weltmeisterschaft in der Schweiz. Die Balten können auch im Viertelfinale auf ihre kleine, aber treue Fangemeinde zählen.

“Bei uns ist Eishockey die Sportart Nummer 1, und wir sind das beste Publikum”, sagt Elsa. Die 15-jährige Lettin verfolgt mit einer zehnköpfigen Fangruppe die Spiele ihrer Mannschaft an der WM in Bern.

“Wir sind zusammen mit dem Auto angereist und übernachten auf dem Zeltplatz Interlaken”, erklärt sie.

Die Letten sind ein friedliches Volk. Aber sie sind es, die für den “Schmerz” bei Spielern, Trainer und Fans der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft nach deren bitteren Ausscheiden gesorgt haben.

Sieg nach Schweizer Art

Denn sie waren es, oder vielmehr ihr Goalie-Held Edgar Masalskis, die mit dem überraschenden Overtime-Sieg dem WM-Gastgeber die entscheidenden Punkte abnahmen. Genau diese fehlten der Schweiz schlussendlich für den Einzug ins Viertelfinale.

Die lettischen Eishockeyspieler schlugen den Favoriten Schweiz genau mit derjenigen Strategie, welche die Schweiz selbst in den letzten Jahren erfolgreich gegen die “Grossen” angewandt hatte: Ein Goalie von Weltklasse-Format, eine hochkonzentrierte Verteidigung und wenige Tempogegenstösse, aber mit Torerfolgen abgeschlossen.

“Hockey Country”

So ist der Sport: Die Enttäuschung der Schweizer ist die Freude von Elsa, ihren Kollegen und rund 100 weiteren lettischen Fans in Bern.

Mit dem überraschenden Vorstoss unter die besten acht untermauern die Balten ihren Status als kleinste Eishockey-Nation der Welt. Kurzerhand haben sie so den Slogan “Welcome to ice hockey country” für sich in Anspruch genommen, mit dem die Schweiz die besten Teams und deren Fans zur WM einlud.

2006 hat Lettland, das nur gut zwei Millionen Einwohner zählt, zum ersten Mal eine Eishockey-Weltmeisterschaft durchgeführt. In bester Erinnerung geblieben sind die überschäumend-sympathische Begeisterung der Letten und die euphorische Stimmung, die während der zwei WM-Wochen in den Strassen Rigas geherrscht hatten.

In Bern drohte die Hundertschaft lettischer Fans am letzten Donnerstag zwar von der rot-weissen Welle der Schweizer Anhänger überschwemmt zu werden. Unterkriegen liess sich die kleine Schar aber keineswegs. Die treuen Anhänger würden ihrem Team wohl auch bis ans Ende der Welt folgen, oder jedenfalls fast.

Spiel am Grossbildschirm

Wegen der hohen Eintrittspreise waren einige lettische Fans aber gezwungen, die vorentscheidende Partie gegen die Schweiz ab Grossleinwand in der Fanzone vor der PostFinance-Arena zu verfolgen. Denn vor dem Spiel waren nur noch Eintrittskarten der höchsten Preiskategorie erhältlich, die 149 Franken pro Sitzplatz kosteten.

Vor der Eishalle versuchten ein paar Superschlaue, sich mit dem Schwarzmarktverkauf der begehrten Tickets eine goldene Nase zu verdienen. “Sie verlangten bis zu 130 Franken für einen Stehplatz. Das können sich viele von uns gar nicht leisten”, klagt Janis Barkans, der einen lettischen Fanclub anführt. “Wir konnten uns aber nicht früher organisieren, weil bis Mittwoch niemand wusste, wann Lettland sein nächstes Spiel bestreitet.”

Campieren in Interlaken

Stehplätze kosten zwar nur einen Drittel der Sitzplätze, aber mit 49 Franken immer noch zuviel, wie die lettischen Fans klagen. Die Schweizer WM-Organisatoren bewegten sich ohne Zweifel im höchsten Preissegment, das er in seiner zwölfjährigen Fan-Karriere je erlebt habe, sagt Barkans.

Die sechs Spiele der Vor- und Zwischenrunde läppern sich für den stehenden Zuschauer auf mindestens 300 Franken zusammen. Das ist für manche Letten an der Schmerzgrenze, liegt ihr monatliches Durchschnittseinkommen doch bei rund 800 Franken.

Um ihr Budget ausserhalb der Eis-Arena so schmal wie möglich zu halten, sparen die lettischen Fans bei Reisen, Übernachten und Verpflegung, wo sie nur können. Die lettische Leidenschaft kennt eben keinen Preis, oder fast keinen.

Samuel Jaberg, Bern, swissinfo.ch
(Adaption: Renat Künzi)

1. Russland 14 Punkte
2. Schweden 10
3. USA 8
4. Lettland 7 (alle für Viertelfinals qualifiziert)
5. Schweiz 6
6. Frankreich 0

Die Eishockey-WM 2009 mit den besten 16 Nationalteams findet bis am 10. Mai im Hauptaustragungsort Bern und in Kloten statt.

Von den 56 Partien finden 32 in der PostFinance-Arena in Bern statt (inkl. alle Finalspiele), 24 Spiele in der Arena Zurich-Kloten.

Favorisiert sind Titelveteidiger Russland und Kanada.

Ziel der Schweiz, aktuelle Nr. 8 der Weltrangliste, ist das Viertelfinale. Für das Erreichen des Halbfinales wäre ein absoluter Exploit des Teams von Coach Ralph Krueger nötig.

Die Hoffnungen im Schweizer ruhen auf den beiden NHL-Stars Mark Streit und Martin Gerber sowie dem Riesen Ryan Gardner, der 196 Zentimeter misst.

Die Organisatoren unter Präsident Gian Gilli erwarten rund 300’000 Fans.

Die PostFinance-Arena in Bern fasst an der WM 11’500 Zuschauer, die Arena Zurich-Kloten 6700.

In den beiden WM-Stadien sind 1100 freiwillige Helfer im Einsatz.

Das Gesamtbudget der Organisatoren beläuft sich auf 31 Mio. Franken.

Für den Grossanlass haben sich rund 800 Journalisten akkreditiert.

Die 56 Spiele werden von 190 TV-Stationen in über 100 Länder übertragen.

Gesamthaft verfolgen 800 Millionen Zuschauer die WM am Fernsehen.

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