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Johan Leutwiler: Ein Schweizer schmiedet japanische Samurai-Schwerter

Ein junger Schmied sitzt und hält ein Stück Stahl ins Feuer
Johan Leutwiler bei der Arbeit in seiner Schmiedewerkstatt. zVg

Er pflegt ein Handwerk, das heute fast vergessen ist. Johan Leutwiler ist der erste Ausländer, der in Japan die offizielle Prüfung zum Schwertschmied ablegen konnte. Heute kann er vom Verkauf seiner Samuraischwerter leben.

Die Ritter und die Samurai mit ihren Rüstungen und Schwertern – eine Welt, die viele Kinder fasziniert. Johan Leutwiler allerdings hatte als Kind kein Interesse daran.

Er kannte auch das Land nicht, in dem er heute lebt: Japan im Fernen Osten, weit weg vom Walliser Dorf Monthey, aus dem der 35-Jährige stammt.

Das Handwerk hingegen, mit den Händen etwas zu schaffen, hatte ihn schon immer angesprochen. «Mein Grossvater war Zimmermann. Wenn wir die Grosseltern besucht haben, konnten wir immer in die Werkstatt gehen und machen, was wir wollten, Holz bearbeiten», erzählt er am Telefon aus Japan.

Als Jugendlichen allerdings zog es ihn wie magnetisch zum Metall. Mit 15 Jahren begann er eine Lehre als Schmied, wo er mit Stahl und rostfreiem Stahl arbeitete. Diesen Beruf übte er in der Schweiz aus, bis er 27-jährig war.

In jenen Jahren entstand und wuchs auch sein Interesse für Japan. Er beschäftigte sich mit Kampfkunst und japanischer Kalligraphie und las viel über die japanische Kultur.

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Eine unübertroffene, 1000-jährige Technik

Ein Zufall hatte sein Leben auf diese Bahn gelenkt: Als Jugendlicher hatte er in den Ferien in Frankreich in einem Geschäft eine Ausstellung von Samuraischwertern gesehen.

«Es handelte sich zwar sicherlich um Nachahmungen», sagt er. Trotzdem habe ihn die Ausstellung angeregt dazu, sich Gedanken zur Fertigung von Schwertern zu machen.

Die Samurai, die japanische Kriegerklasse, die es seit rund 150 Jahren nicht mehr gibt, hat uns ihre Legenden, Rüstungen und Schwerter hinterlassen, die heute weltweit in Museen ausgestellt werden. Besonders die Samuraischwerter, die Katana, üben auf viele Menschen eine starke Anziehungskraft aus.

Ein Katana-Schwert
Ein Katana-Schwert aus Johan Leutwilers Werkstatt. Die Herstellung kann je nach Detailgrad und Methode zwischen mehreren Wochen bis zu mehreren Monaten dauern. zVg

«Ich fand es aussergewöhnlich, dass eine über tausend Jahre alte Technik überdauert hat, mit der man japanische Klingen schmieden kann. Diese Technik ist unübertroffen und industriell nicht machbar. Das hat mich sofort begeistert», sagt Leutwiler.

2012 bereiste der junge Mann erstmals sein Traumland Japan. Und spürte vom ersten Tag an: «Hier bin ich richtig.» Er liebe die Schweiz, keine Frage. «Aber ich habe mich in Japan mehr zu Hause gefühlt als je in der Schweiz.»

Von jenem Moment an setzte er alles auf eine Karte: «Ich liebte das Schwert, ich liebte Japan, ich wollte Schmied werden – in Japan.»

Japan und die Schweiz hätten viele gemeinsame Werte. «Vor allem für mich als Landei, denn ich bin Walliser, also eher ein Typ aus den Bergen als aus der Stadt.» Menschen wie er, die mit der Natur lebten, egal welcher Nationalität, hätten letztlich die gleichen Werte.

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind so vielfältig wie die Länder, in denen sie leben. SWI swissinfo.ch will diese Vielfalt aufzeigen. Wir erzählen regelmässig die spannende Lebensgeschichte eines Vertreters oder einer Vertreterin der Schweizer Diaspora.

Im Einklang mit den Elementen

Die Natur spielt in seinem Beruf eine zentrale Rolle: Wasser, Erde, Feuer und Luft sind die Elemente, die er zum Schmieden braucht. «Das japanische Schwert ist eine Harmonie aus allen Elementen», sagt der Auslandschweizer.

Und weil die Erde, die den Stahl bei hohen Temperaturen schützt, und das Wasser in jeder Region unterschiedlich sind, habe auch das einen Einfluss auf die Schwerter.

Ein Schmied hämmert auf glühendem Stahl
Johan Leutwiler beim Bearbeiten von Stahl, der wieder und wieder gefaltet werden muss, bis daraus schliesslich ein Schwert entsteht. zVg

Leutwiler hatte das Glück, dass er bei einem Katana-Meister anheuern und eine Berufslehre absolvieren konnte. Die Ausbildung war hart. Sie ist als japanisches immaterielles Kulturgut streng geregelt.

Nach fünf Jahren der Lehre folgte eine achttägige Prüfung, die ihm sowohl körperlich als auch geistig alles abverlangte.

Der erste ausländische Schwertschmied mit offiziellem Abschluss

Schliesslich hielt Leutwiler 2024 als erster Nicht-Japaner das Zertifikat in Händen, das ihn als offiziellen Schwertschmied auszeichnet und mit dem er eine eigene Schmiede in Japan eröffnen durfte.

Er ist nicht nur seinem Meister dankbar, sondern vielen anderen Menschen im Land, die ihn auf seinem Weg unterstützt haben.

Ein Katana-Schwert, Nahaufnahme
Ein Schwert besteht aus vielen immer wieder gefalteten, gehärteten Metallschichten und einem etwas weicheren Rücken, was schliesslich beim Übergang der beiden Schichten die typische wellenförmige Linie ergibt (Japanisch: Hamon). zVg

Dass er der allererste ausländische Schwertschmied in Japan sei, basiere aber auf falschen Informationen, betont Leutwiler. Früher habe zum Teil eine sechsmonatige Anlehre bei einem Meister genügt, um sich danach Schwertschmied nennen zu dürfen, andere hätten zehn Jahre dafür lernen müssen.

Seit 1989 aber gelten strenge Regeln für das Schwertschmiedehandwerk in Japan. Leutwiler ist demnach der erste westliche Schmied, der unter diesen Bedingungen offiziell lizenziert wurde.

Heute kann er von seinem Handwerk leben. Er stellt ausschliesslich Schwerter her. «Manchmal bestellen Leute Küchenmesser bei mir, aber ich habe einfach keine Zeit dafür, also sage ich ihnen, wenn sie ein Jahr warten, ja, dann kann ich es für sie machen.»

Im Norden der Stadt Mihara in der Präfektur HiroshimaExterner Link hat der Walliser zusammen mit seiner japanischen Lebenspartnerin ein verlassenes Haus gekauft und ausgebaut. Nächstes Jahr will er dort seine neue Werkstatt einbauen.

Ein Mann steht vor gewässerten Reisfeldern
Das ländliche Japan ausserhalb der brummenden Städte hat es Johan Leutwiler angetan. zVg

Gut aufgenommen in Japan

Um in Japan als Ausländer permanent leben zu können, musste Leutwiler einige Hürden überwinden. «Das war echt schwierig.»

Dank einer guten Vorbereitung habe er aber nie irgendwelche Probleme in diesem Prozess gehabt: «Ich habe Japanisch gelernt, ich habe mich an ihre Kultur angepasst. Ich ging nicht nach Japan, um die Dinge wie ein Walliser zu machen», sagt er lachend.

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Gastgeber/Gastgeberin Melanie Eichenberger

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Welche Werte haben Sie bewusst aus der Schweiz mitgenommen, und welche kulturellen Einflüsse aus dem Ausland haben Sie übernommen?

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Neben seiner Arbeit wurde Leutwiler letztes Jahr auch zum «Vitality Swiss Ambassador» ernanntExterner Link, eine Auszeichnung der Schweizer Botschaft in Japan.

Vom 13. April bis 13. Oktober findet in der japanischen Grossstadt Osaka die Weltausstellung statt zum Thema «Die zukünftige Gesellschaft für unser Leben gestalten» (Designing future Society for our Lives).

Die Organisatorinnen und Organisatoren rechnen mit rund 158 Teilnehmerländern und 28 Millionen Besucherinnen und Besuchern.

Für die Schweiz hat das Gastgeberland Japan als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner in Asien eine grosse Bedeutung, unter anderem sind sie durch ein Freihandels-Abkommen miteinander verbunden.

Quelle: Präsenz Schweiz

Eine grosse Ehre – doch er sieht es auch als verpasste Chance: Ausser ein paar Instagram-Posts sei in Japan daraus nichts entstanden, sagt er nüchtern. «Um ehrlich zu sein, die Schweizer Botschaft legt nicht viel Wert auf japanisches Kunsthandwerk.»

Doch das lässt den Schmied, der sich täglich der enormen Hitze seines Ofens von über 1000 Grad aussetzt, kalt.

«Das Superinteressante daran, in einer Tradition zu leben, die über tausend Jahre alt ist, ist die Erkenntnis, dass die Werke des Schwertschmieds zehnmal so lange leben wie der Schmied selbst: Ich werde sterben, aber meine Werke, die werden bleiben.»

Eine RTS-Reportage porträtierte Leutwiler in der Sendung «Passe-moi les jumelles», als er seine Berufslehre als Schwertschmied im Landesinnern absolvierte (Franz.).

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