Dieser Schweizer managt grosse Hotels in China

Eine 37-jährige Reise nach China. Der Tessiner Carlo Schmed, Sohn eines Hoteliers, beschloss, in die Fussstapfen seiner Familie zu treten. Nicht in der Schweiz, sondern im asiatischen Riesenreich, wo er seit 1987 lebt.
Hinter den Schiebetüren, mitten in der Lobby, erwartet mich ein sehr eleganter Mann in dunklem Anzug und blauer Krawatte: Es ist der Direktor des Shangri-La Hotels in Peking, der gebürtige Tessiner Carlo Schmed.
Die Gastfreundschaft und der Servicegedanke liegen ihm im Blut: Seine Eltern hatten ein Hotel im Südschweizer Kanton Tessin. Schmed ist in dieser Umgebung aufgewachsen und hat sein ganzes Leben im Hotelbusiness verbracht.

Der Hotelier stammt ursprünglich aus Ponte Brolla im Maggiatal und verliess nach der Hotelfachschule in jungen Jahren die Schweiz, um in Kairo zu arbeiten.
Doch sein Wunsch, die Welt zu entdecken, führte ihn in den Fernen Osten: «Ich hatte gelesen, dass die Hotellerie in Asien fortschrittlicher ist, auf einem anderen Niveau. Ich dachte mir, um in meinem Beruf voranzukommen, wäre es gut, Erfahrungen in einem dieser Fünf-Sterne-Hotels in Asien zu sammeln», erzählt er.
Und so kam es, dass er im Oktober 1987 dank einer freien Stelle in einem Hotel der Peninsula-Gruppe zum ersten Mal nach China kam – in die Hauptstadt Peking.
Ein Land mit rasanter Entwicklung
Als Schmed Ende der 1980er-Jahre in China ankam, sah das Land noch ganz anders aus. Die Strassen waren voller Fahrräder und es gab nur wenige Autos, erzählt er. Damals war Hongkong die obligatorische Station auf dem Weg nach China.
Doch nach den Ereignissen auf dem Tiananmen-Platz im Jahr 1989 änderte sich alles, und es wurden Direktflüge von und nach Europa eingeführt.
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind so vielfältig wie die Länder, in denen sie leben. SWI swissinfo.ch will diese Vielfalt aufzeigen. Wir erzählen regelmässig die spannende Lebensgeschichte eines Vertreters oder einer Vertreterin der Schweizer Diaspora.
«Was mich beeindruckt hat, war die sehr schnelle Entwicklung, und ich war Teil davon. Aber wenn ich in die Schweiz zurückkehre, kontrastiert diese Dimension mit der Realität der Kleinstadt, wo alles immer gleich bleibt», sagt der Hotelier.
«Wenn ich ins Tessin zurückkehre, fühle ich mich wie zu Hause, aber nach einer Weile vermisse ich den Verkehr, die Leute, den Komfort der chinesischen Apps. Seit fünf Jahren habe ich kein Bargeld mehr benutzt! In Peking ist immer etwas los. In meinem Dorf ist alles ruhig, still, ich fühle mich isoliert. Hier ist man nie allein, immer von Menschen umgeben.»
Schweizer Gastfreundschaft in China
Durch die Art und Weise, wie seine Eltern das Hotel geführt haben, hat Schmed gelernt, den direkten Kontakt mit den Hotelgästen zu schätzen.
«Im Tessin hatten meine Eltern immer eine direkte Beziehung zu ihren Gästen: Sie sprachen mit ihnen, kannten ihre Gewohnheiten. So kann man ein Vertrauensverhältnis aufbauen», erzählt er.
«Ich bin mit der gleichen Einstellung aufgewachsen, mit den Kundinnen und Kunden zu sprechen, ihre Gewohnheiten kennenzulernen und zu wissen, wann sie wiederkommen. Heute ist der Wettbewerb gross und die Kundschaft hat eine grössere Auswahl. Sie gehen dorthin, wo sie den Chef, den Manager und das Personal kennen.»
Unterdessen hat China in der Hotelbranche grosse Fortschritte gemacht, und die grossen internationalen Hotelkonzerne sehen sich einer starken chinesischen Konkurrenz gegenüber.
Schmed erklärt, dass viele Hotelmanager und Köche aus dem Ausland stammten, als er nach China kam, aber das sei heute nicht mehr der Fall: «Heute sind die Köche, das Personal und das Management in chinesischen Hotels fast alle Chinesinnen und Chinesen.»
Nach seiner ersten Station in Peking arbeitete Schmed in anderen Metropolen wie Hongkong, Chengdu, Chongqing und Kanton.

Im Shangri-La in Peking arbeiten heute 750 Menschen, und der Manager hat für das Tagesgeschäft direkten Kontakt zu seinen 15 Abteilungsleitenden.
«Sie arbeiten professionell und gehen nicht heim, bevor sie ihre Aufgabe erledigt haben. Sie sind sehr leidenschaftlich und engagiert bei der Sache», sagt der Hoteldirektor.
In Asien, so der Tessiner Hotelier, sei das Hotelgeschäft auch viel einfacher als in Europa und den USA, vor allem was Bürokratie und Verwaltung angehe.
Es gibt keine Schranken mehr
Die junge chinesische Generation sei ganz anders als jene vor ihnen: Sie sei offener und wünsche sich mehr Kontakt zu Menschen aus dem Ausland.
«Am Anfang war es nicht einfach, Freundschaften zu schliessen, die Leute waren sehr distanziert. Heute gibt es mehr Offenheit, es ist viel einfacher, Freunde zu finden», sagt der Hotelier aus dem Tessin.
«Ich habe mehrere chinesische Freunde, sie laden mich zu sich nach Hause ein, wir gehen zusammen essen. Es gibt keine Schranken mehr.»
Schmed ist sehr dynamisch: Er liebt es zu reisen und Neues zu entdecken. «Ich gehe mit Freunden in neue Restaurants und Clubs. Ich besuche die Altstadt, im Sommer machen wir Picknick und grillen auf der Chinesischen Mauer. Ich liebe es, neue Dinge zu entdecken und vor allem neue Ideen zu entwickeln, die ich in meinem Hotel umsetzen kann.»

Was Schmed die ganze Zeit in China gehalten hat, waren vor allem die schnellen Veränderungen und die Dynamik des Landes. Aber auch das starke Gefühl der Sicherheit und die vielfältige und reichhaltige Küche.
Auch die Geografie habe ihm sehr geholfen, sich wohlzufühlen: «In China gibt es Berge, Meer, Kultur, Metropolen. Man kann alles machen, was man will. Und dann die Kosten: Mit jedem Budget kann man alles machen, sogar jeden Abend essen gehen. Alles ist erschwinglich und online verfügbar.»
Schmed gibt zu, dass er sich perfekt an den asiatischen Lebensstil angepasst hat und nicht mehr auf all die vor Ort verfügbaren Dienstleistungen verzichten möchte.
Der richtige Entscheid
Der Tessiner Hotelier vermisst an der Schweiz die Freundschaften, die saisonalen Spezialitäten, den Sternenhimmel, die Natur und die gesunden Spaziergänge.
Auch die Distanzen sind anders: «In der Schweiz ändern sich nach einer kurzen Fahrt die Orte und die kulinarischen Spezialitäten: Hier fährt man stundenlang und ist immer noch in derselben Stadt», scherzt er. Von seiner Familie lebt nur noch seine Mutter, mit der er täglich telefoniert.
Während seiner Zeit in China dachte der Tessiner Hoteldirektor nie daran, in die Schweiz zurückzukehren. Doch er gesteht, dass er gern zwei Wohnsitze hätte, wenn er in Pension gehen werde: einen in der Schweiz und einen in Thailand.
Bevor er sich verabschiedet, geht Schmed zum Fenster mit Blick auf den Innenhof des Hotels. Dort stehen prachtvolle Gebäude, die an die Architektur des nahegelegenen Sommerpalasts erinnern, einer ehemaligen kaiserlichen Residenz.
«Was hätte ich gemacht, wenn ich zu Hause in der Schweiz geblieben wäre? Das frage ich mich oft. Dann hätte ich all diese wunderbaren Erfahrungen nicht gemacht. Ich bin sehr glücklich mit meinem Entscheid.»
Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub

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