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ICC: Der EU- Kompromiss schreckt Bern nicht ab

Die Gebäude des Strafgerichtshofs in Den Haag. Keystone Archive

Die Schweiz ist zufrieden mit der europäischen Position gegenüber dem amerikanischen Begehren nach Immunität vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC).

Hat Brüssel nicht den Forderungen der USA nachgegeben? In Bern sieht man die Dinge anders.

Die EU hat dem Druck seitens der USA nachgegeben. So lauten die meisten Kommentare am Tag nach der Brüsseler Genehmigung bilateraler Auslieferungsabkommen mit den USA im Zusammenhang mit dem ICC.

Im Aussenministerium in Bern wird diese Meinung nicht geteilt. «Wir sind zufrieden über den EU-Entscheid, der den Handlungsspielraum der EU-Mitglieder einschränkt», erklärt Sprecherin Daniela Stoffel.

Obwohl die Schweizer Diplomatie immer die Idee eines starken ICC unterstützt hat, sieht sie nun keine Veranlassung, die Alarmglocken zu läuten. «Weder sieht man ein Verstoss noch eine Schwächung des Strafgerichtshofes.»

«Ja aber» oder «nein aber»?

Ein Blick zurück: Seit mehreren Monaten bemüht sich Washington um bilaterale Nicht-Auslieferungsabkommen mit verschiedenen Ländern, damit diese keine Amerikaner an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern.

Rund 10 Länder (Rumänien, Israel, Afghanistan, uam) sind bereits auf das Begehren eingetreten. Auf Schweizer Seite hingegen hat man im August – obwohl ebenfalls angefragt – klar zu erkennen gegeben, nicht auf das Anliegen eingehen zu wollen.

Von der Seite der EU ist dies jedoch nicht der Fall. Gewisse Mitglieder, so Grossbritannien und Italien, haben bereits Bereitschaft für die Sonderabkommen signalisiert. Nun hat sich die EU der Angelegenheit angenommen.

Einerseits gibt der Europäische Rat zu, dass die Sonderabkommen jener Staaten, die den ICC ratifiziert haben, im Widerspruch zu den vertraglich zugesicherten Verpflichtungen stehen.

Andererseits könnten sie Ausnahmeregelungen Tür und Tor öffnen, von welchen gewisse Personen mit Staats- oder diplomatischer Immunität oder etwa Militärpersonen im Auslandeinsatz profitieren könnten.

Vielleicht lassen sich diese widersprüchlichen Aspekte nur damit erklären, dass sie einen Kompromiss der EU darstellen, um die Amerikaner zu einer konstruktiveren Haltung gegenüber dem ICC zu bewegen.

Nicht übersehen sollte man insbesondere, wie positiv die Gemeinschaft der NGOs auf den ICC reagiert hat: Die Position der EU wird hier als starkes Signal zu Gunsten des Gerichtshofs und als Ablehnung amerikanischer Verträge angesehen, die dem internationalen Recht widersprechen.

Politische Bedeutung



Für Jürg Lindenmann, Jurist in der Direktion Völkerrecht des Aussenministeriums, ist zur Position Brüssels vor allem festzuhalten, dass sie in einem Kontext des Dialogs entstanden sei.

Der Experte interpretiert die von der EU angewandten Grundsätze zudem wohlwollender: «Man weiss fortan anhand von klaren, strengen und einschlägigen Kriterien, in welchen Umständen der ICC Artikel 98 betreffend der rechtlichen Immunität angewandt werden kann.»

Brüssel stellte in der Tat klar, dass eventuelle Verträge eine Klausel beinhalten müssen, die garantiert, dass Personen, die für Verbrechen verfolgt werden, die in der Kompetenz des ICC liegen, rechtliche Immunität nicht geltend machen können.

Haben diese Grundsätze eine juristische Bedeutung? «Man muss von einer politischen Bedeutung sprechen, welche nicht unterschätzt werden sollte», sagt Jürg Lehmann.

Er begründet seine Aussage damit, dass die Mitgliedstaaten der EU jeden neuen Schritt Richtung vertragliche Abmachungen mit der USA in Brüssel verantworten müssen.

swissinfo, Bernard Weissbrodt

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