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China wird in der Schweiz Fuss fassen

Erich Maire lancierte in Peking den Wirtschaftsstandort Westschweiz.

Die Schweiz organisierte an der ersten Investorenmesse von Peking ein Seminar, das die chinesischen Geschäftsleute überzeugen soll, sich in der Schweiz anzusiedeln. Der Auftrag ist teilweise erfüllt.

“Wie viele Chinesen dachte früher auch ich, dass die Schweiz ein reiches Land mit hohen Preisen sei. Heute stelle ich fest, dass dem nicht so ist. Obschon die Schweiz teuer ist, ist sie es nicht für alle, im Gegenteil. Für uns Geschäftsleute eröffnen sich ganz neue Perspektiven”, meint Haiping Ren, stellvertretender Direktor von Sinosteel Corporation Ltd. in Peking.

Am 3. November dieses Jahres nahm er an einem Seminar zum Thema Investment und Handel in der Schweiz teil, das im Ballsaal eines grossen Hotels in der chinesischen Hauptstadt stattfand. Die Promotions-Veranstaltung war gut besucht; rund hundert chinesische Teilnehmer – potentielle Investoren – und rund zwanzig Schweizer Vertreter aus Bund, Kantonen, Gemeinden und der Wirtschaft waren anwesend.

Viele Argumente…auch provokative

Auf dem Programm stand eine Reihe von Vorträgen, die das Publikum vom exzellenten Wirtschaftsstandort Schweiz überzeugen sollte. Unter den Zuhörern befanden sich der Schweizer Botschafter in China, Blaise Godet, der daran erinnerte, dass die Beziehungen zwischen den zwei Ländern heute “besser als je zuvor sind”, der Chef von Switzerland Trade & Investment Promotion, Thomas Holenstein, der vom Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) den Auftrag hat, für die Schweiz in China zu werben (das Mandat läuft Ende 2009 aus), sowie Experten vom Wirtschaftsprüfungs-Unternehmen KPMG und der Credit Suisse.

Es hagelte nur so von Argumenten mit manchmal provokativem oder leicht karikierendem Unterton: “Politisch gesehen ist die Schweiz das stabilste Land der Welt, “für Geschäftstätigkeiten ist die Schweiz das liberalste Land Europas”, “wir Schweizer sprechen alle vier Sprachen”, “die Schweiz hat nicht viele Banken – gewisse Leute sagen, die Schweiz ist eine Bank”, “es ist einfach, Leute einzustellen, es ist ebenso einfach, sie wieder zu entlassen”, “in Steuerangelegenheiten ist die Schweiz unschlagbar. Ein Unternehmen, das sich in der Schweiz ansiedelt, kann mit einem Steuersatz von 5% oder noch weniger rechnen”.

Ein Steuerparadies?

Die Schweiz – ein Steuerparadies. Ein Argument, das den Kern der Sache trifft? Botschafter Blaise Godet: “Ich glaube, das Argument Steuerparadies stand nicht im Vordergrund. Viel mehr Gewicht hat der Standort Schweiz. Wir sind prädestiniert, Investoren aus China willkommen zu heissen, die dann von der Schweiz aus quasi den europäischen Markt erobern können. Warum? Weil wir ein liberales Arbeitsrecht haben und politische und wirtschaftliche Stabilität bieten. Unsere Steuerpolitik für Unternehmungen ist gut positioniert und unterscheidet sich deutlich von andern europäischen Ländern. Zusammen ergibt dies Rahmenbedingungen, die für eine Ansiedlung von neuen Industrieunternehmen spricht.”

Der Direktor vom Swiss Business Hub in China, Claudio Mazzucchelli, schätzt das Interesse von potentiellen chinesischen Investoren als “sehr hoch” ein. Deshalb organisiert die Schweiz regelmässig solche Seminare auch in zahlreichen andern Städten Chinas und besucht gezielt interessierte Unternehmungen.

“Wenn wir ihnen ganz objektiv die Vorteile der Schweiz als Standort erläutern, dann realisieren die Unternehmungen, dass es sich lohnen könnte.” Doch “der Weg ist noch lang”, so Blaise Godet. “Man muss Kontakte suchen und sie auch pflegen, denn Entscheidungen werden immer nur auf einer Vertrauensbasis getroffen.”

Eine verkehrte Welt

Schweizer Kantone und ihre Wirtschaftsförderer bemühen sich sehr um solche Kontakte. Der Kanton Freiburg hat es vor zehn Tagen vorgemacht: Im Rahmen einer China-Tournee des renommierten Blasmusikcorps Landwehr Freiburg wurden wichtige Verträge zur Zusammenarbeit unterzeichnet.

Eric Maire hat sich in Peking im Namen von Dews (Development Economic Western Switzerland) mit potentiellen chinesischen Investoren getroffen. Dews ist ein Unternehmen, das die vier Westschweizer Kantone vereinigt (Waadt, Wallis, Neuenburg und Jura). Bislang sind chinesische Investoren in der Westschweiz rar. “Ein schwieriger Markt”, bestätigt Eric Maire. “Das sind Kunden mit einer ganz anderen Mentalität. Doch wir arbeiten daran und hoffen auf baldige Resultate.”

Die Hoffnung besteht, dass sich chinesische Unternehmen in der Schweiz niederlassen. China verlagert sich nach Europa! Eine verkehrte Welt!

“Für China ist es vorerst wichtig, in Europa eine gewisse Anzahl Einkaufsbüros einzurichten”, meint Botschafter Blaise Godet. “Erst dann werden sich die Chinesen, Schritt für Schritt, nach oben arbeiten, sich gewissen europäischen Märkten annähern und Interesse zeigen, in Europa zu produzieren. Versuchen wir also, sie für unser Land zu gewinnen! So schaffen wir Arbeitsplätze, und ich bin froh, dass die Kantone und Business Network Switzerland (neuer Name der Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung Osec, Anm. d. Red.)] rasch reagieren und wir im Begriff sind, Pionierarbeit zu leisten.”

Alain Arnaud, Pekin, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Rund vierzig chinesische Unternehmen haben erst seit relativ kurzer Zeit in der Schweiz ihren Sitz.

Darunter sind viele Industrieriesen oder grosse chinesische Dienstleister, wie Alibaba, Huawei, Sinopec, Bank of China. “Es ist schwierig zu sagen, wie viele Arbeitsplätze die Chinesen in der Schweiz schaffen, eine Statistik dazu gibt es nicht”, erklärt Claudio Mazzucchelli, Direktor vom Swiss Business Hub (SBH) in China.

Ab dem 1. Januar wird der SBH die Aufgabe haben, die Schweiz als Sitz für chinesische Unternehmen zu vermarkten. Früher war dafür eine private Organisation verantwortlich, “die sehr gute Arbeit geleistet hat”, unterstreicht Claudio Mazzucchelli. “Doch die Aufgabe obliegt ganz allgemein den Botschaften oder dem SBH, wir normalisieren also etwas, was vorher eher ungewöhnlich war.”

In China gibt es fast 300 Schweizer Unternehmen, die rund 55’000 Arbeitsplätze generieren.

Die Direktinvestitionen der Schweiz in China betragen rund fünf Milliarden Franken jährlich.

Die Schweizer Exporte nach China belaufen sich auf fast sechs Milliarden Franken gegenüber fünf Milliarden Franken für Importe aus China in die Schweiz. Die Handelsbilanz ist also für die Schweiz positiv.

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