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Keine Einerbesetzung mehr

Eine Woche nach dem Unglück haben die Schweizer Behörden Massnahmen getroffen. Keystone Archive

Die Behörden haben für Skyguide neue Vorschriften erlassen: Schluss mit Einmann-Operationen und Wartungs-Arbeiten ohne Zusatz-Massnahmen.

Eine Woche nach dem Flugunglück bei Überlingen hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am Dienstag reagiert. So darf Skyguide ab sofort und bis auf weiteres keine so genannten «Single Manned Operations», das heisst die Überwachung eines Radar-Überflugsektors nur durch einen Flugverkehrsleiter, mehr zulassen. Bisher praktizierte Skyguide dies in der Nacht regelmässig, wie das BAZL mitteilte.

Als zweite Massnahme darf Skyguide Sicherheitssysteme nur noch dann gleichzeitig für Wartungsarbeiten ausser Betrieb setzen, wenn die dabei entstehende Lücke durch andere Massnahmen wie den Einsatz von mehr Personal kompensiert wird.

«Wir haben vorsorglich Massnahmen ergriffen, um wirklich sicher zu gehen, dass das in Zukunft nicht mehr passieren kann», so Daniel Göring vom BAZL gegenüber swissinfo. Entsprechend wird auch die Reduktion der Flugsicherungs-Kapazitäten um rund 20% begrüsst.

Lotse nicht mehr einsetzen

Der zur Unglückszeit Dienst habende Lotse darf bis auf weiteres nicht mehr als Flugverkehrsleiter eingesetzt werden, wie das BAZL mitteilte. Diese Weisung dürfe aber unter keinen Umständen als Schuldzuweisung interpretiert werden. Christian Weiss, Airtraffic Management Experte von Skyguide, sagte, der Lotse sei seit dem Unfall aus medizinischen Gründen freigestellt, er werde psychologisch betreut.

Laut Bezirksanwalt Bernhard Hecht wurde der Fluglotse von der Zürcher Justiz noch nicht einvernommen. Wie berichtet, wurde eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs eingeleitet.

Abklärungen zu TCAS-Anweisungen

In Deutschland haben die Untersuchungsbehörden inzwischen Abklärungen zum Verhalten bei Anweisungen des im Flugzeug eingebauten automatischen Warnsystems TCAS aufgenommen.

Im Zentrum steht die Frage, ob der Pilot der Tupolew die TCAS-Aufforderung zum Steigflug hätte befolgen müssen. «Wir überprüfen, ob nach dem sicherheitstechnischen Regelwerk Anweisungen von TCAS obersten Vorrang hatten», sagte Frank Göldner, Sprecher der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig.

Dazu würden die in Russland und in Westeuropa gültigen Normen sowie die Dokumente der betroffenen Fluggesellschaft ausgewertet, die für den Piloten bindend seien.

Nach Erkenntnissen der BFU befahl der Zürcher Fluglotse kurz vor dem Zusammenstoss dem Piloten der russischen Maschine Sinkflug, während das automatische Warnsystem TCAS Steigflug angeordnet hatte. Der Pilot der Frachtmaschine ging auf Grund einer Anweisung seines bordeigenen automatischen Warnsystems ebenfalls in den Sinkflug über, so dass beide Flugzeuge zusammenprallten.

Russland: Korrekter Piloten-Entscheid

Russische Behörden hatten erklärt, dass der Pilot der Bashkirian Airlines einen korrekten Entscheid getroffen habe, als er die Anweisung des Fluglotsen über den TCAS-Befehl gestellt habe.

Der Sprecher der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit, Georg Fongern, sagte dagegen, dass sich der Pilot immer an die Anweisung seines Geräts halten müsse. «Da gibt es nichts zu diskutieren. Wenn das Kommando ‹Steigen› vom Warngerät kommt, muss ich sofort steigen und dem Kommando folgen», erklärte er.

Auch Jean Overney, Chef des Schweizer Büros für Flugunfall-Untersuchungen (BFU), hatte am Montag der Nachrichtenagentur AP erklärt: «Normalerweise folgt der Pilot dem TCAS.»

51 Todesopfer identifiziert

Nach Angaben der Polizei im deutschen Friedrichshafen sind bisher 51 der 71 Toten identifiziert.

Die weitere Identifizierung solle mit Hilfe von DNA-Analysen erfolgen. Die Suche nach weiteren Wrack- und Leichenteilen wurde inzwischen eingestellt.

Skyguide und Verkehrsminister Leuenberger

23 Mitglieder von Skyguide besuchten in der Nacht zum Dienstag die Unglücksstelle und legten Blumen nieder.

Die staatliche Gedenkfeier findet am kommenden Freitag in Überlingen statt. Als offizieller Vertreter der Schweiz wird Bundesrat Moritz Leuenberger mit dabei sein.

swissinfo und Agenturen

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