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Kurdisch-türkische Aktivisten demonstrieren im Bundeshaus und in Zürich

Friedliches Ende einer Kundgebung - türkisch-kurdische Besetzer verlassen das Berner Bundeshaus. Keystone

Kurdisch-türkische Aktivisten haben am Dienstag (19.12.) in Bern und Zürich gegen die Polizeiaktion in der Türkei demonstriert. Im Bundeshaus ging eine Protestaktion nach zwei Stunden friedlich zu Ende, in Zürich dagegen flogen Steine und Gummischrot.

Im Bundeshaus schlossen sich um 14 Uhr acht Demonstranten einer Führung an. Im Ständeratssaal lösten sie sich von der Gruppe und schlossen sich im Vorzimmer Ost ein. Später stiessen vier weitere Personen dazu. Die Besetzer verlangten nach einer hochrangigen Gesprächsperson.

Polizeigrenadiere bezogen im Bundeshaus und auf dem Bundesplatz Stellung. Ins Ständeratszimmer drangen sie aber nicht ein – die Demonstrierenden hatten gedroht, sich in diesem Fall aus dem Fenster zu stürzen.

Beendet wurde die Aktion nach einer Zusage des Chefs der Politischen Direktion im Aussenministerium, Botschafter Christian Blickenstorfer. Er wird die Botschaft in Ankara beauftragen, beim türkischen Aussenministerium eine Erklärung einzuholen.

Die Parlamentsdienste reichten Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs ein. Die identifizierten Demonstranten wurden um 16.32 Uhr von rund 50 Gesinnungsgenossen auf dem Bundesplatz mit Beifall empfangen.

Das Parlamentsgebäude soll trotz der Besetzungsaktion ein offenes Haus bleiben. Es entspreche einem politischen Willen, dabei gewisse Risiken einzugehen, sagte Hans Peter Gerschwiler, stellvertretender Generalsekretär der Parlamentsdienste.

«Das war keine Krise, sondern ein Zwischenfall.» In den Details werde das Sicherheitsdispositiv nach dem ersten Vorfall dieser Art überprüft.

Zürcher Polizistin am Bein verletzt

In Zürich zogen gegen Mittag rund 100 Kurden und Autonome zum türkischen Konsulat im Stadtkreis 6. Dort wurden sie von einem grösseren Polizeiaufgebot empfangen, das das Konsulat – neben der permantenten Bewachung durch Angehörige des Festungswachtkorps – zusätzlich schützte.

Die Polizei wurde gegen 13.30 Uhr mit Steinen beworfen und antwortete mit Gummischrot. Bei der Auseinandersetzung wurde eine Polizistin am Bein verletzt, wie ein Polizeisprecher auf Anfrage sagte. Die Kundgebung löste sich kurz nach 15 Uhr am Helvetiplatz auf.

Die Proteste vom Dienstag richteten sich gegen das Vorgehen der türkischen Polizei. Sie hatte am Morgen in 20 Gefängnissen gewaltsam einen Hungerstreik von über 1000 Häftlingen beendet.

Mindestens 18 Tote in der Türkei

Bei der Polizeiaktion sind in der Türkei offenbar mindestens 18 Menschen getötet worden. Polizisten stürmten am Dienstag 20 Gefängnisse.

Bei den Todesopfern handelt es sich nach offiziellen Angaben um 15 Häftlinge und drei Polizisten. Zuerst gaben die Sicherheitskräfte die Zahl der Toten mit fünf an, darunter zwei Polizisten. Einer der beiden Polizisten wurde in der Haftanstalt in Umraniye bei Istanbul getötet, ein weiterer in Canakkale auf der anatolischen Seite der Dardanellen.

Nach Angaben des Justizministers leisteten die Häftlinge vor allem in Istanbul heftigen Widerstand. In den Istanbuler Gefängnissen Bayrampasa und Umraniye seien sie mit Maschinengewehren gegen die Polizisten vorgegangen.

Daraufhin versuchten die Sicherheitskräfte, mit Hilfe von Helikoptern über die Dächer einzudringen. Am Mittag, sieben Stunden nach Beginn der Polizeiaktion, waren immer noch Schüsse zu hören. Nach Angaben des türkischen Justizministers Hikmet Sami Türk war die «Sicherheits-Operation am späten Abend bei 18 Haftanstalten abgeschlossen».

Über 890 Hungerstreikende seien nach dem Sturm der Gefängnisse in Spitäler eingeliefert worden. Viele hätten sich jedoch weiter geweigert, Nahrung zu sich zu nehmen.

Die Regierung wollte mit der Aktion den seit mehr als zwei Monaten dauernden Hungerstreik in 48 Gefängnissen des Landes beenden. Die 200 zumeist linksextremen Häftlinge protestierten vor allem gegen die Schaffung eines Zellensystems in neuen Gefängnissen an Stelle der bisherigen Massenzellen. Die Häftlinge befürchten, dass sie in den kleinen Zellen Übergriffen von Aufsehern ausgesetzt sein könnten.

Die Regierung plant eine umstrittene Amnestie für rund 35’000 Häftlinge, um die Situation zu beruhgen. Politische Häftlinge sind davon jedoch offenbar ausgeschlossen.

swissinfo und Agenturen

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