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Milosevic elf Minuten vor Gericht

Chefanklägerin Carla Del Ponte (links) und Slobodan Milosevic swissinfo.ch

Der jugoslawische Ex-Präsident Slobodan Milosevic hat sich am Dienstag (03.07.) bei seiner ersten Anhörung vor dem UNO-Tribunal in DenHaag nicht zur Anklage geäussert. Bei der nur elf Minuten langen Vorführung lehnte Milosevic stattdessen die Rechtmässigkeit des Gerichtshofs ab.

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Richard May, ob er sich schuldig fühle, sagte Milosevic, er betrachte das Tribunal als «illegal». Milosevic plädiere damit auf «nicht schuldig», interpretierte May diese Antwort.

Milosevic ist wegen Kriegs-Verbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Kosovo-Konflikts 1999 angeklagt. Die Anklageschrift nennt 577 Namen von Opfern. Milosevic war am Donnerstag überraschend von der serbischen Regierung nach Den Haag überstellt worden.

Kein Anwalt gewünscht

Auf die Frage des Richters, ob er einen Verteidiger brauche, sagte Milosevic: «Ich betrachte dieses Tribunal als ein falsches Tribunal, und die Anklage als falsche Anklage. Es ist nicht von der UNO-Generalversammlung einberufen worden, deshalb brauche ich keinen Anwalt.»

Als Milosevic ansetzte, seine Ablehnung des UNO-Gerichts näher zu definieren, sagte Richter May: «Mister Milosevic, das ist nicht die Zeit für Reden. Sie werden umfassende Gelegenheit haben, sich vor diesem Gericht zu verteidigen.»

May vertagte die Sitzung daraufhin auf den 27. August und gab Milosevic 30 Tage Bedenkzeit. Die elf Minuten dauernde Verhandlung wurde vom US-Nachrichtensender CNN live übertragen. In Belgrad berichtete der TV-Sender B-92 und das serbische Fernsehen in Direkt-Übertragungen.

Das Tribunal

Das Kriegsverbrechertribunal ist im Mai 1993 vom UN-Sicherheitsrat ins Leben gerufen worden. Es soll Verbrechen ahnden, die seit 1991 auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien begangen worden sind. Dabei geht es um Verstöße gegen die Genfer Konventionen und das Kriegsvölkerrecht, um Völkermord sowie um Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Dem Gericht in Den Haag gehören 14 ständige Richter aus 14 Ländern an. Präsident des Tribunals ist der französische Richter Claude Jorda. Das Büro der Ermittlungsbehörde wird von Chefanklägerin Carla Del Ponte aus der Schweiz geleitet.

Bisher wurden öffentlich 100 Verdächtige angeklagt. Die prominentesten Angeklagten sind neben Ex-Präsident Slobodan Milosevic der bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und sein Militärführer General Ratko Mladic, die beide noch flüchtig sind. Außerdem besteht eine geheime Liste von Angeklagten unbekannter Zahl.

Im Gewahrsam des Gerichts befinden sich außer Milosevic derzeit 37 männliche Angeklagte und eine Frau. Der erste Prozess fand 1996 statt. Der damalige Angeklagte, der bosnische Serbe Dusko Tadic, verbüßt derzeit in Straubing (Bayern) eine 20-jährige Haftstrafe.

swissinfo und Agenturen

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