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Die Kleidersammler

Am Fliessband werden die Altkleider sortiert swissinfo.ch

In der Schweiz sammelt Texaid rund 18'000 Tonnen Altkleider pro Jahr. 6000 Tonnen werden im Land selber sortiert. 200 Tonnen werden gestohlen.

Der Erlös der Verarbeitung geht an sechs Schweizer Hilfswerke. Sie gründeten 1978 die Texaid AG, um den “Rohstoff” Textilien professionell zu verwerten.

Es gibt viele Gründe, warum mir meine Kleider nicht mehr passen. In den wenigsten Fällen jedoch sind sie zerrissen. Fast immer wären die Kleider noch tragbar. So landen viele Altkleider – in der Schweiz sollen es rund 35’000 Tonnen sein – nicht im Abfall, sondern werden eingesammelt.

Gemäss Gesetzgebung sind Alttextilien jedoch “Abfall”. Das hat das oberste Schweizer Gericht, das Bundesgericht in Lausanne, bestätigt. Damit gibt es keine Gewerbefreiheit beim Textilsammeln, denn Abfall ist Sache der Gemeinde. Sie bestimmt, wer sammeln darf und wer nicht.

Wer in der Schweiz also Altkleider sammeln will, muss sich mit den Gemeinden gut stellen, und das versucht die Texaid Textilverwertungs-AG im urnerischen Schattdorf. An der Firma sind sechs grosse Schweizer Hilfswerke beteiligt, darunter das Schweizerische Rote Kreuz.

Altkleider entsorgen

Doch was tun, wenn zu Hause drei Paar Jeans und vier Pullis zu “Alttextilien” geworden sind, weil der Schrank aus allen Nähten platzt, und nicht etwa weil die Kleider zerschlissen sind?

Entweder verpacke ich die Kleider in den Texaid-Sack, den ich regelmässig in meinem Briefkasten finde, und stelle den Sack vor die Türe. Dort wird er von lokalen Organisationen abgeholt.

Oder ich werfe die Kleider in einen der über 2500 Altkleider-Container, die flächendeckend in der Schweiz aufgestellt sind.

Ab in das Sortierwerk

Dann treten meine Altkleider die Eisenbahnreise nach Schattdorf ins Sortierwerk an. Dort stehen zahlreiche Güterwagen, gefüllt mit unzähligen Kleidersäcken. Darunter dürften sich auch meine Jeans und Pullis befinden, sofern sie nicht geklaut wurden. Doch davon später.

“Insgesamt sammeln wir in der Schweiz 18’000 Tonnen Alttextilien pro Jahr”, sagt Jean Pierre Schirach von Texaid. “Davon werden jedoch nur rund 6000 Tonnen in Schattdorf verarbeitet. Der Rest wird von ausländischen Sortierwerken bearbeitet.”

Die Alttextilien werden nun ausgeladen, und die “Entlader” nehmen mit geübtem Auge eine erste Trennung der Ware vor. Sie sehen nämlich, ob es sich um Textilien von Privaten handelt oder ob Second-Hand-Läden ihre Restware entsorgen.

Diese Textilien kann Texaid nicht mehr weiter verkaufen – sie landen im “Recycling” und werden zu Putzlappen, Reisswolle oder zu Reiss-Stoffen für Dämm-Material verarbeitet.

Gut oder schlecht

Meine Kleider werden durchgelassen und nun manuell sortiert. Frauen wühlen sich durch Berge von Kleidungsstücken, die auf einem Förderband daherrollen.

Auch hier wird noch einmal grob in “tragbar” und “recycling” sortiert. Dann werden die wieder verwertbaren Kleider noch einmal “feinsortiert” und in Klassen eingeteilt: Stoffsorte, Qualität oder Modeaspekte.

Meine Kleidungsstücke werden als wieder verwendbar eingestuft. Einzig ein Pulli schafft es nicht, er wird als unmodisch bezeichnet und landet im Recycling. Recycling-Textilien sind kein Geschäft, denn Texaid muss den Verarbeitern dieser Stoffe etwa 50 Franken pro Tonne bezahlen.

Damit kann nun gesagt werden, wie Texaid seine rund 15 bis 18 Mio. Franken Umsatz pro Jahr erzielt: Durch den Verkauf von Kleidungsstücken, Haushalt-Textilien und auch Schuhen, die noch gut erhalten sind, und nicht von den Hilfswerken beansprucht werden.

Vieles geht ins Ausland

“Die Kleider werden vor allem ins Ausland geliefert”, sagt Jean-Pierre Schirach von Texaid gegenüber swissinfo. “Unsere Abnehmer sind Kleiderhändler.” In den Lagerhallen der Firma stapeln sich grosse, zum Transport bereite Ballen.

Der Markt sei in den vergangenen Jahren immer härter geworden, erklärt Schirach. “Die Mode wurde schnelllebig. Mehrjährige Textilien sind aus der Mode und können kaum mehr verkauft werden.”



Komme dazu, dass die Qualität der Textilien schlechter geworden sei. “Sie müssen auch nicht mehr so lange halten, denn sie veralten, bevor sie kaputt gehen”, so Schirach.

Der Markt sei auch härter geworden, weil weltweit immer mehr Textilien gesammelt würden und etliche klassische Absatzgebiete, wie Osteuropa, zum Teil wegfallen.

Diebe

Dann plagt die Textilverwertungs-AG eine Sorge, die sie bis vor wenigen Jahren nicht kannte: Diebstahl und Vandalismus gegen die Sammelcontainer.

Rund 200 Tonnen Kleider verschwinden pro Jahr aus den Sammelsäcken der Texaid. Deshalb steht auf den Säcken, man solle sie nicht über Nacht vor die Türe stellen. Doch auch die Container werden regelmässig geplündert.

Dabei seien es in den wenigsten Fällen mittellose Leute, die Kleider entwendeten. “Es sind Profis, und die wenigsten kommen aus der Schweiz”, weiss Jean Pierre Schirach.

swissinfo, Urs Maurer, Schattdorf

Texaid AG ist ein Zusammenschluss von sechs Hilfswerken zu einer Arbeitsgemeinschaft. Es sind dies:
Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK), Schweizerisches Arbeiter-Hilfswerk (SAH), Schweizerische Winterhilfe, Caritas Schweiz, Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz (HEKS), Schweizer Kolpingwerk.
Bei Texaid arbeiten 130 Personen.
Der Umsatz betrug 2004 rund 15 Mio. Franken.
Der Gewinn nach Steuern wird an die Hilfswerke verteilt.

In der Schweiz werden jährlich geschätzte 80’000 Tonnen neue Textilien verbraucht.

Rund 35’000 Tonnen werden als Altkleider gesammelt.

18’000 Tonnen davon sammelt Texaid.

Davon werden lediglich 6000 Tonnen in der Schweiz sortiert.

200 Tonnen werden gestohlen.

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