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Die SBB und der Kampf um den Takt

Benedikt Weibel bleibt trotz der Probleme von 2005 stolz auf seine SBB. Keystone

Verspätungen haben dieses Jahr dem Image der SBB geschadet. Jetzt habe man die Probleme im Griff, sagt Generaldirektor Benedikt Weibel gegenüber swissinfo.

Vor einem Jahr begann für die SBB das neue Zeitalter der Bahn 2000. Deren Kernstücke sind kürzere Reisezeiten und viele neue Züge.

Doch die Bahnreisenden, die sich auf kürzere Pendel- und Haltezeiten an den Bahnhöfen gefreut hatten, mussten sich bald einmal begnügen mit Entschuldigungen wegen Verspätungen und dem Ausfall von Zügen.

An einem heissen Tag im Juni geschah dann auch noch das Undenkbare: Nach einem Stromausfall brach das ganze System zusammen, Hunderttausende sassen in Bahnhöfen und Tunnels im ganzen Land fest.

Weitere Stromausfälle gab es seither nicht mehr, Verspätungen jedoch schon. Das kratzte schwer am Weltklasseimage der SBB.

Und zu allen anderen Problemen muss sich SBB-Chef Weibel nun auch noch mit einem Defizit bei der Pensionskasse und mit roten Zahlen im Güterverkehr herumschlagen.

swissinfo: Es war ein schwieriges Jahr für die SBB – insbesondere der Blackout im Juni war ein schwarzer Tag für das Image der Bahn, diese geriet in die negativen Schlagzeilen. Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Benedikt Weibel: Die SBB sind nicht gefeit gegen Pannen und Leistungsschwächen. Das ist nichts Neues, nur waren diesmal Hunderttausende von Reisenden betroffen.

Ich bedaure das sehr und möchte mich nochmals in aller Form entschuldigen. Diese Zwischenfälle zeigten, wie wichtig es ist, gut vorbereitet zu sein und das Undenkbare zu denken. Wir müssen beim Vorhersehen von Problemen besser werden.

swissinfo: Die Schweiz hat ein dichtes Eisenbahnnetz, und seit einem Jahr fahren noch mehr Züge. Zu Beginn schien alles problemlos zu laufen, doch dann kam es immer öfter zu Verspätungen. Wo liegt das Problem, und wie wollen Sie

B.W.: Das Problem ist nicht der vor einem Jahr eingeführte neue Fahrplan. Dieser erwies sich als äusserst stabil.

Was uns mehr zu schaffen machte, waren Dinge wie schlechtes Wetter, eine Computerpanne in Zürich zu Beginn des Jahres und die Überschwemmungen im August. Wegen der Probleme im Zusammenhang mit diesen Ereignissen stellen unsere Kundinnen und Kunden nun die Qualität unserer Dienstleistungen in Frage.

Wir hatten zwar einige Probleme mit Verspätungen, aber im Allgemeinen fahren die Züge pünktlich. Wir arbeiten hart daran, die Qualität unserer Dienstleistungen weiter zu verbessern.

swissinfo: Verkehrsminister Moritz Leuenberger sagte, das Management verdiene dieses Jahr keinen vollen Bonus. Sind Sie damit einverstanden?

B.W.: Der Bonus ist Teil meines Lohnes, und jedes Jahr wird der Betrag nach einer vorgeschriebenen Skala festgelegt. Weil 2004 ein ausgezeichnetes Jahr war für die SBB, erstaunt es nicht, dass mein Bonus dieses Jahr angesichts der Schwierigkeiten und des finanziellen Drucks tiefer ist.

So funktioniert der Bonus – er ist flexibel.

swissinfo: Wie lange müssen wir auf eine positive Bilanz im Güterverkehr warten?

B.W.: 2004 waren wir nahe daran, und wir hatten erwartet, dieses Jahr kostendeckend zu arbeiten. Aber weil die Gewichtslimite für Lastwagen auf Schweizer Strassen von 28 auf 40 Tonnen angehoben wurde, gab es weniger Fracht für die Züge. So sind wir noch in den roten Zahlen.

Inzwischen haben wir die nötigen Sparmassnahmen eingeleitet. Unser Ziel ist es, 2007 kein Defizit mehr zu haben.

swissinfo: Wie gross ist das Problem mit der Pensionskasse der SBB? Wird diese Ihre Bilanz noch jahrelang belasten?

B.W.: Dieses Problem macht mir am meisten Kopfzerbrechen. Die Rücklagen sind noch immer beträchtlich, aber ohne Hilfe des Bundes ist das Problem nicht lösbar. Ich bin froh, dass die Regierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die nun nach einer Lösung sucht.

Aber auch wenn der Bund die Verantwortung für die bereits Pensionierten übernimmt – und das sind über die Hälfte aller Mitglieder der Kasse –, fehlt uns noch immer über eine Milliarde Franken für die Angestellten, die in Zukunft in Pension gehen.

Dieses Problem müssen wir selber lösen, zusammen mit unseren Angestellten. Bis es so weit ist, wird das Defizit bestehen bleiben und unsere Rechnung schwer belasten.

swissinfo: Ab dem 11. Dezember gilt in allen Zügen ein Rauchverbot. Warum erst jetzt?

B.W.: Wir wollten dies nie allein bestimmen. Die Akzeptanz von rauchfreien Zonen ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, und so konnten nun alle Organisationen des öffentlichen Verkehrs gemeinsam vorgehen.

Wir wollen vor allem die Nichtraucherinnen und Nichtraucher vor dem Passivrauchen schützen.

swissinfo: Sind die SBB die besten Bahnen der Welt?

B.W.: Vor kurzem veröffentlichte die Europäische Union eine weltweite Rangliste der Bahnen. Sie kam zum Schluss, dass die Schweizerischen Bundesbahnen mit ihrem dichten Netz, der grossen Anzahl Züge und der Kombination von Dienstleistungen (für Reisende und Güter in Zügen, die mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fahren) das umfassendste Bahnsystem sind.

Wenn wir die umfangreiche Skala unseres Bahnnetzes in Verbindung mit der Qualität unserer Dienstleistungen betrachten, so besteht kein Zweifel, dass wir ein hervorragendes Bahnsystem haben.

swissinfo-interview: Robert Brookes

2004 arbeiteten über 28’300 Angestellte für die SBB, das sind 1,2% weniger als 2003.
Das Staatsunternehmen verzeichnete einen Halbjahresverlust von 36,6 Millionen Schweizer Franken.

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB transportieren jedes Jahr rund 253 Mio. Reisende und 58 Mio. Tonnen Fracht.
Seit der Umstellung auf den verdichteten Fahrplan im Dezember 2004 ist der Personentransport um 7,5% gestiegen.
Zwischen Januar und November 2005 trafen 95,64% der Züge fahrplangemäss oder mit weniger als fünf Minuten Verspätung am Zielort ein.
Von nahezu 800 Bahnhöfen im ganzen Land fährt jede ganze oder halbe Stunde eine Zug ab.

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