
Klimawandel: Warum der Temperaturanstieg in der Schweiz besonders markant ist

Die Schweiz ist vom Klimawandel besonders stark betroffen und die Temperaturen steigen schneller an als in den meisten anderen Ländern der Erde. Swissinfo zeigt in Grafiken die Entwicklung sowie die Gründe für die starke Erwärmung.
Der Juni 2025 war der zweitwärmste Monat in der Schweiz seit Beginn der Temperaturmessungen im Jahr 1864. Auch in anderen von Hitzewellen betroffenen Ländern, von Europa bis zu den USA, wurden Extremwerte gemessen.
2025 wird ersten Prognosen zufolge etwas weniger warm ausfallen, aber es ist laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) sehr wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren neue RekordwerteExterner Link erreicht werden.
Der Temperaturanstieg aufgrund des menschenverursachten Klimawandels betrifft alle Regionen der Erde. Es gibt jedoch Länder, die sich stärker erwärmen als andere, und eines davon ist die Schweiz. Im Alpenland im Zentrum Europas schreitet die Klimaerwärmung doppelt so schnell voran wie im globalen Durchschnitt, so das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweizExterner Link).
Der Temperaturanstieg in der Schweiz hat Folgen für die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Landschaft. Immer häufigere und intensivere Hitzewellen stellen ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar, insbesondere für ältere Menschen. Auch die Landwirtschaft ist gefährdet. In den Bergen schmelzen Gletscher und Permafrost, das Risiko von Naturkatastrophen nimmt zu.
Das Auftauen der gefrorenen Bodenschicht, bekannt als Permafrost, wird einige Folgen für die Bergregionen haben:

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Schweiz vom Klimawandel besonders betroffen
Die Erwärmung in der Schweiz war zwischen 2015 und 2024 am stärksten ausgeprägt. In dieser Zeitspanne verzeichnete das Land die drei wärmsten Jahre aller Zeiten (2022, 2023 und 2024). Der Jahresdurchschnitt der Temperatur stieg in diesem Zeitraum um fast 2,3 °C im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1951 bis 1980.
Die Schweiz gehört nach UN-Angaben zu den zehn Ländern der Welt, in denen der Temperaturanstieg am markantesten ist. In der gleichen Kategorie finden sich auch die baltischen Staaten, Russland, die mitteleuropäischen Länder und die arabischen Staaten des Persischen Golfs. Ganz oben auf der Liste steht die zu Norwegen gehörende eisbedeckte Inselgruppe Svalbard.
Warum steigt die Temperatur in der Schweiz stärker als in anderen Ländern?
Die Schweiz ist ein Binnenland und kann nicht von der abfedernden Wirkung der Ozeane profitieren, die grosse Wärmemengen absorbieren können. Weltweit gesehen erwärmen sich die Kontinente stärker als die Ozeane.
Auch die Höhenlage und die Struktur der Alpen spielen eine wichtige Rolle. Schnee und Eis schmelzen immer schneller, wodurch die Fähigkeit der Oberfläche, das einstrahlende Sonnenlicht in den Weltraum zurückzureflektieren, abnimmt (bekannt als «Albedo-EffektExterner Link»).
Unbedeckte Flächen, wie Boden und Felsen, die durch den Rückzug der Gletscher freigesetzt werden, nehmen tendenziell mehr Wärme auf, was die Erwärmung des Landes insgesamt beschleunigt.
«Der hohe Anteil an Gebirge ist einer der Hauptfaktoren, der erklärt, warum sich die Schweiz schneller erwärmt als andere Länder», sagt Aude Untersee, Meteorologin bei MeteoSchweiz, gegenüber Swissinfo.
Dieses Video erklärt, warum der Klimawandel die Schweiz härter trifft als andere Länder:

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Der Klimawandel trifft die Schweiz härter als andere
Höherer Temperaturanstieg nördlich der Alpen
Die Temperaturen sind in allen Regionen der Schweiz gestiegen. Seit 1864, dem Jahr der ersten landesweiten Messungen, hat sich jedoch die Alpennordseite stärker erwärmt als die Gebiete auf der Südseite.
Laut Meteorologin Untersee lässt sich dieser Trend durch den Umstand erklären, dass vor 1940 die Alpennordseite von kälteren und trockeneren Wintern geprägt war. Nach 1940 gab es diese kalten Winter seltener und die Temperaturentwicklung nördlich und südlich der Alpen entwickelten sich ähnlich.
Die Regionen nördlich der Alpen, die von kälteren Klimabedingungen ausgingen, haben also gegenüber dem Süden «aufgeholt». Dies führte in den letzten 150 Jahren zu einer vergleichsweise stärkeren Erwärmung im Norden (+3 °C) als im Süden (+2,7 °C)
Europa als Spitzenreiter
Bei der Analyse der Liste der 20 am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder und Gebiete fällt auf: 15 davon liegen in Europa.
Der europäische Kontinent ist derjenige, auf dem die Temperaturen am schnellsten angestiegen sind. Im Jahr 2024 lag die Durchschnittstemperatur um mehr als 2,4°C über dem Durchschnitt des Referenzzeitraums 1951-1980. Die Entwicklung in Asien, Amerika und Afrika folgt dagegen in etwa dem globalen Trend, wie diese Grafik zeigt:
Mehrere Faktoren erklären diesen Primat Europas. Dazu gehören Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation, die die Häufigkeit von Hitzewellen im Sommer erhöhen, sowie der Anteil des europäischen Territoriums in der Arktis, wie die Weltklimaorganisation WMO in ihrem jüngsten Bericht zum Stand des Klimas in EuropaExterner Link ausführt.
Die Arktis erwärmt sich stärkerExterner Link als jede andere Region der Welt. Wie in den Alpen führt das schmelzende Polareis zu dunkleren Oberflächen, die mehr Wärme absorbieren, wodurch ein Teufelskreis entsteht, der die Erwärmung weiter beschleunigt.
Veränderungen in der Wärme- und Windverteilung können auch dazu führen, dass warme Luft in der arktischen Region «gefangen» wird. Aus diesem Grund erwärmt sich weltweit kein Gebiet schneller als die Inselgruppe Svalbard im Nordatlantik (einst Spitzbergen genannt).
Einige Forscher glauben, dass der Kampf gegen den Smog auch zum Temperaturanstieg in Europa beigetragen haben könnte. Schadstoffpartikel in der Atmosphäre, so genannte Aerosole, blockieren einen Teil des Sonnenlichts und können eine kühlende Wirkung auf das Klima haben.
Doch in der Schweiz hat die Aerosolkonzentration im Flachland in den letzten 60 Jahren stark abgenommen, sagt Untersee. «Das hat dazu geführt, dass es in den tiefen Lagen des Mittellandes weniger Nebel und Wolken gibt und die Sonneneinstrahlung zunimmt», ergänzt sie.
Temperaturrekorde in der Schweiz und der Welt
Nicht nur die Durchschnittstemperaturen steigen. Auch die Höchstwerte, die im Laufe eines Jahres erreicht werden, nehmen zu, wie MeteoSchweiz in einer kürzlich veröffentlichten Auswertung der Temperaturentwicklung seit 1971Externer Link schreibt. Heute ist der heisseste Tag des Jahres im Durchschnitt 3,4 °C wärmer als vor 50 Jahren.
Die höchste Temperatur in der Schweiz (41,5 °C) wurde laut der Website von MeteoSchweiz im August 2003 an der Station in Grono, Graubünden, gemessen. Allerdings waren die Messbedingungen damals anders als heute.
Maximiliano Herrera, ein Klimahistoriker aus Costa Rica, der seit mehr als 35 Jahren Temperaturaufzeichnungen analysiert, erklärt gegenüber Swissinfo, dass die Daten von 2003 nicht zuverlässig seien. Der Rekord gehöre Genf mit einer Temperatur von 39,7 °C im Sommer 2015. Das ist auch auf seiner WebseiteExterner Link so verzeichnet.
Unabhängig von der genauen Zahl ist das Allzeithoch in der Schweiz weit entfernt vom Rekord in Italien mit fast 49 Grad in Syrakus im Jahr 2021 oder von den unglaublichen 54,4 °C, die 2020 im Death Valley (Tal des Todes) in den Vereinigten Staaten gemessen wurden.
Aber die Temperaturen in der Schweiz werden weiterhin schneller ansteigen als anderswo. Das Alpenland wird sich zunehmend an ein anderes Klima als in der Vergangenheit gewöhnen und entsprechend anpassen müssen.
>> Dieses kurze Video veranschaulicht die wichtigsten Klimarisiken in der Schweiz in Bezug auf Hitze und Trockenheit:
Editiert von Gabe Bullard/vdv, Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob

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